Dunkle Silhouette der Bugpartie eines LNG-Tankers an einem Flüssigerdgas-Hafen mit vier hoch aufragenden Entladearmen.
Flüssigerdgas-Terminals wie hier im polnischen Świnoujście will Deutschland jetzt in großer Zahl bauen. (Foto: Wojciech Wrzesień/​Shutterstock)

Von der Ampel-Koalition trat im Plenum kurz vor Mitternacht nur der Grünen-Abgeordnete Stefan Wenzel mit spürbar schlechtem Gewissen ans Rednerpult. Die meiste Zeit sprach Wenzel davon, warum trotz des LNG-Booms fossiles Gas keine große Zukunft mehr habe.

Auch gälten die deutschen Klimaziele weiter, so Wenzel. Deutschland habe sich in Paris dazu verpflichtet. Mit dem Gesetz solle nur eine Notlage im kommenden Winter verhindert werden.

Die Kritik der Umweltverbände, dass laut dem LNG-Gesetz die Terminals erst viel zu spät ab 2043 mit Wasserstoff betrieben werden müssen, versuchte Wenzel mit dem Hinweis zu entkräften, dafür müssten die Genehmigungsanträge schon 2035 eingereicht werden.

Deutlich begeisterter äußerten sich dagegen die Parlamentarier von SPD, FDP und auch der Union in der nächtlichen Debatte. CDU und CSU stimmten am Ende auch für das Gesetz, auch wenn ihr der Abbau der Beteiligungsrechte nicht weit genug geht.

Der SPD-Abgeordnete Bengt Bergt verband sein geradezu überschwängliches Lob mit einer ziemlich fragwürdigen Berechnung. Schon im kommenden Winter werde das neue Terminal in Wilhelmshaven acht Milliarden Kubikmeter Gas ins Netz einspeisen, sagte Bergt. Das bedeute bei heutigen Preisen 7,8 Milliarden Euro weniger für Putins Kriegskasse oder "4.080 T-72-Panzer weniger in seinem Arsenal", so Bergt allen Ernstes wörtlich.

Zur Kritik an der fehlenden Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) für die Terminalbauten erklärte Bergt, dass die UVP zwar für die schwimmenden Terminals ausgesetzt, für die landgebundenen aber beibehalten werde.

Dennoch trifft die LNG-Beschleunigung auf den geballten Widerstand der Umweltverbände. BUND, Nabu und WWF gaben am Donnerstag bekannt, juristisch gegen den Baustart für das schwimmende Terminal in Wilhelmshaven vorzugehen.

Elf Terminals

In der Anlage des "Gesetzes zur Beschleunigung des Einsatzes verflüssigten Erdgases" sind ingesamt elf Terminal-Standorte aufgelistet. Dazu kommen sieben Anbindungsleitungen. Die Standorte im Einzelnen:

  • Brunsbüttel (Schleswig-Holstein): ein schwimmendes und ein Land-Terminal
  • Wilhelmshaven (Niedersachsen): zwei schwimmende und ein Land-Terminal
  • Stade-Bützfleth (Niedersachsen): ein schwimmendes und ein Land-Terminal
  • Hamburg-Moorburg (Hamburg): ein schwimmendes Terminal
  • Rostock Hafen (Mecklenburg-Vorpommern): ein schwimmendes und ein Land-Terminal
  • Lubmin (Mecklenburg-Vorpommern): ein schwimmendes Terminal

Dessen Bau habe begonnen, ohne die offizielle Genehmigung inklusive Umweltverträglichkeitsprüfung abzuwarten, begründete Nabu-Präsident Jörg-Andreas Krüger die Ablehnung. Die geplanten Ausnahmen von der UVP und die Verkürzung der Beteiligungsverfahren bei den LNG-Projekten dürften nicht als "Blaupause" für kommende Projekte gelten.

BUND-Chef Olaf Bandt kritisierte Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) direkt. Erst habe dieser öffentlich erklärt, zwei LNG-Terminals plus Einsparungen seien ausreichend – nun würden die vorgesehenen elf Terminals einen russischen Lieferstopp mehr als überkompensieren. "Die Energiekrise darf nicht von der Gaswirtschaft missbraucht werden, um im Ergebnis mehr Erdgas in Deutschland abzusetzen als vor dem Krieg", warnte Bandt.

Christoph Heinrich vom WWF lehnt die im Gesetz vorgesehene fossile Laufzeit der LNG-Terminals bis Ende 2043 ab. Das Gesetz stelle auch keine echten Anforderungen an die Betreiber, die Terminals auf Wasserstoff auszurichten Heinrich. "Anders als von der Bundesregierung behauptet, werden konventionelle fossile Projekte auf den Weg gebracht, die nicht H2-ready sind."

Rechtliche Schritte hat auch die Deutsche Umwelthilfe (DUH) angekündigt: Das Gesetz verstoße unter anderem gegen das verfassungsrechtliche Klimaschutzgebot.

 

Dazu veröffentlichte die DUH am heutigen Freitag auch neue Angaben, laut denen allein die sieben wahrscheinlichsten LNG-Projekte über ihre Laufzeit zusammen 2,13 Milliarden Tonnen CO2 verursachen werden. Allein damit würden drei Viertel des deutschen CO2-Restbudgets aufgezehrt, bezogen auf die Einhaltung des 1,5-Grad-Limits. Der Bundesrat sei heute aufgefordert, das Gesetz noch zu stoppen.

Aus Sicht der DUH ist auch die drohende Beschneidung der Beteiligungs- und Klagerechte "beispiellos". Die voraussichtlich mehrere Tausend Seiten starken Genehmigungsunterlagen sollen nur für eine Woche, teils sogar nur für vier Tage ausgelegt werden, die Einwendungsfrist soll eine Woche später enden. "Dies macht eine effektive Bürgerbeteiligung praktisch unmöglich", warnte die DUH.

Für den Lobbyverband "Zukunft Gas" könnten die vorgesehenen zulassungs- und genehmigungsrechtlichen Erleichterungen "Vorbildcharakter" haben. Das könne als "Blaupause" für weitere Energieprojekte in Deutschland dienen, beispielsweise für den Ausbau der Stromnetze und den der erneuerbaren Energien, teilte der Verband mit.

 

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