Etliche Flugzeuge der Lufthansa stehen auf dem Flughafen Frankfurt am Main herum.
Jetzt die Weichen stellen, damit nach der Coronakrise nicht alles ins business as usual zurückfällt. (Foto: E. Q. Roy/​Shutterstock)

Was in den nächsten Wochen passiert, wird uns und das Klima auf lange Zeit prägen. 

Die Finanzspritzen und Rettungsschirme, die in diesen Tagen ausgehandelt und verteilt werden, werden über die nächste Dekade bestimmen, vor allem über die Frage: Schaffen wir überlebenswichtigen Klimaschutz oder nicht? Können wir die Transformation zu einer gerechteren und ökologischen Wirtschaft erreichen?

Von der schwarzen Null hat sich die Bundesregierung bereits verabschiedet. Die wichtigste Null, die jetzt anvisiert werden muss, sind null CO2-Emissionen. Denn nur wenn wir rasch null Emissionen erreichen, haben zukünftige Generationen eine Chance.

Wenn jetzt Emissionen infolge der Coronakrise drastisch sinken, sollte uns das inspirieren, die notwendigen Klimaziele schnell zu erreichen – nämlich netto null bis 2025. Wenn Ökosysteme nun aufatmen, sollten wir Pläne haben, sie langfristig zu regenerieren. 

Doch für einige scheint die Coronakrise gerade zur rechten Zeit zu kommen, um Klimaschutz aufzuhalten. Liberale und die Wirtschaftslobby wittern in der Coronakrise die Chance, Umweltmaßnahmen, Arbeitsrechte und lästige CO2-Steuern abzuschaffen.

Das Argument: Wirtschaft ist wichtig und muss angekurbelt werden. China hat bereits die Umweltprüfungen für Industrien gelockert. Die FDP hat nun vorgeschlagen, die Flug-Steuererhöhung zu verschieben, CO2-Preise auf Sprit, Heizöl und Erdgas auszusetzen und Umweltauflagen für Bauern zu stoppen, um die Wirtschaft zu entlasten. Stattdessen soll Freihandel angekurbelt werden.

Die FDP blendet mit dem kurzfristigen Fokus auf Börsenkurse und Quartalszahlen das Wichtigste aus: Die Klimakatastrophe und der Zusammenbruch der Ökosysteme ist das größte Gesundheitsrisiko der Welt.

CO2-Budget praktisch aufgebraucht

Ja, Corona zwingt die Wirtschaft in die Knie. Darunter sind genau die Verschmutzer, die das Klima anheizen und Arbeitsrechte mit Füßen treten und für die Umweltzerstörung Teil ihres Geschäftsmodells ist. Die Fluggesellschaften schreien nach Hilfe vom Staat, wollen aber staatliche Maßnahmen wie die Flugsteuer gleichzeitig einstampfen.

Unabhängig von Covid-19 müssen diese Industrien in jedem Fall drastisch heruntergefahren werden, um die überlebenswichtigen Klimaziele zu erreichen. Das müssen die Rettungspakete, die jetzt geschnürt werden, beachten. Wir können nicht nochmal Milliarden an globale Konzerne ohne Auflagen verteilen, wie bei der Finanzkrise 2008.

Portraitfoto von Annemarie Botzki
Foto: privat

Annemarie Botzki

ist Aktivistin bei Extinction Rebellion. Sie studierte Sozial­wissen­schaft, Europäische Politik und Umwelt­management und arbeitete als Energie-Reporterin in Brüssel und London und zuletzt an Solar­innovationen in Berlin.

Diese Krise ist womöglich die letzte, bevor weitere unumkehrbare Kipppunkte die planetaren Ökosysteme endgültig destabilisieren.

Das Klimasystem hat bereits jetzt gefährliche Kipppunkte wie das Schmelzen des Permafrosts erreicht. Deswegen kann eigentlich nicht von einem "Emissionsbudget" ausgegangen werden, das noch zur Verfügung steht.

Dennoch hat der Klimaforscher Stefan Rahmstorf ausgerechnet: Um das 1,5-Grad-Ziel zu erreichen, stehen Deutschland Anfang 2020 beim CO2-Ausstoß nur noch 2,4 Milliarden Tonnen zur Verfügung.

Bei den derzeitigen Emissionen von etwa 700 Millionen Tonnen pro Jahr ist dieses Budget Mitte 2023 aufgebraucht. Diese physikalische Wahrheit dürfen die geplanten Rettungsschirme nicht ausblenden. 

Finanzhilfen nur mit Zukunfts-Auflagen!

Es darf deswegen keine bedingungslosen Finanzspritzen für Verschmutzter geben. Alle öffentliche Gelder müssen an 1,5-Grad-kompatible Standards geknüpft werden. Oberstes Ziel muss es sein, Menschen zu retten – nicht Industrien, die keinen glaubwürdigen Plan zur Emissionsreduktion haben. Die Europäische Investitionsbank macht es bereits vor und gibt kein Geld mehr für Kohle, Öl und Gas.

Wir müssen jetzt die Weichen stellen, damit wir nach der Coronakrise nicht ins business as usual zurückfallen. Die Krise hat bereits gezeigt: Wir können drastische Notmaßnahmen einleiten und ganze Kontinente schließen, wenn es um das Gemeinwohl geht. Warum können wir dann die Kohle nicht abschalten, um das Klima und unsere Zukunft zu retten? 

Wenn neoliberale Politiker bereits von Verstaatlichungen sprechen, Autofirmen auf die Produktion von Gesundheitsprodukten umstellen und Flugzeuge am Boden bleiben – warum sollen wir dann nicht darüber nachdenken, wie wir endlich eine Bürger:innenversammlung einsetzen, um die Demokratie zu stärken? Wie wir zu einer "Donut-Ökonomie" kommen, in der die Wirtschaft der Zukunft durch die planetaren Grenzen und die menschlichen Grundbedürfnisse eingehegt wird?

Warum sollen wir nicht regionale und lokale kooperative Wirtschaftsformen statt globalisierte Konzerne fördern und endlich die Wiederherstellung unserer Ökosysteme starten?

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