Homeoffice wird normal. Aus Dienstreisen werden Videokonferenzen. Wird sich das langfristig durchsetzen? (Foto: Nenad Stojković/​Flickr)

Milliardenhilfen für Unternehmen hat die Bundesregierung am Montagnachmittag beschlossen, um die Wirtschaft zu stabilisieren. Die Finanzspritzen kommen gerade noch rechtzeitig, damit deutsche Konzerne durch die Verluste in der Coronakrise nicht den Bach runtergehen.

Die Wirtschaftshilfen mit einem Umfang von insgesamt etwa 650 Milliarden Euro erscheinen als eine schnelle, aber auch nur vorläufige Rettung.

Inzwischen werden Forderungen lauter, bei den Milliardenhilfen auch die Klimakrise im Auge zu behalten. "Wir brauchen jetzt ein weitsichtiges Konjunkturprogramm, das akutes Krisenmanagement mit Investitionen in die sozial-ökologische Transformation unserer Wirtschaft verbindet", fordert Olaf Bandt, Vorsitzender des Umweltverbandes BUND.

Grüner Strukturwandel nach der Coronakrise

Konkret bedeute das einen "Green Deal" für Deutschland, der gleichzeitig zukunftsfähige Arbeitsplätze sichert, sagte Bandt. Alle Gelder, besonders die für große Unternehmen, müssten darauf geprüft werden, ob sie auch langfristigen Nachhaltigkeitszielen wie Klima- und Artenschutz dienen.

Auf langfristige Konjunkturprogramme, die den Klimaschutz berücksichtigen, zielen auch Diskussionspapiere des Forums Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft (FÖS) und des Wuppertal-Instituts für Klima, Umwelt, Energie. Die beiden Thinktanks plädieren für wirtschaftliche Soforthilfen zur Jobsicherung, fordern aber zugleich, sich jetzt über langfristige Maßnahmen Gedanken zu machen, die den Klimaschutz berücksichtigen.

Das FÖS fordert einen "grünen Strukturwandel", der kurzfristige mit langfristigen Maßnahmen verknüpft. So soll etwa die Luftverkehrsbranche zwar schnelle Hilfen bekommen, um die Unternehmen zu retten, langfristige Investitionen sollen aber in klimafreundliche Technologien fließen.

Zudem müssten der öffentliche Verkehr und das Fahrrad gefördert, die energetische Gebäudesanierung vorangetrieben, klimaschädliche Subventionen wie die Kerosinsteuer abgebaut und Hürden für Solarstromanlagen abgeschafft werden.

"Die Leute haben andere Sorgen als Klimaschutz"

Das Wuppertal-Institut liefert ähnliche Bausteine. Neben den wichtigen Sofortmaßnahmen seien "im Nachgang zur Bewältigung der Corona-Krise weitergehende Investitionen notwendig", sagte Institutschef Manfred Fischedick.

Die Wissenschaftler fordern vor allem technische Maßnahmen wie den Umbau der Stahlerzeugung auf wasserstoffbasierte Prozesse, den Einstieg in eine Wasserstoffwirtschaft insgesamt oder die Elektrifizierung des Verkehrs. "Die Zeit dafür ist reif, ansonsten ist die Gefahr groß, dass die eine Krise durch eine weitere weltweite massive Krise – die Klimakrise – abgelöst wird", argumentieren sie.

Wirtschaftsprofessor Wolfgang Maennig von der Uni Hamburg steht der Realisierbarkeit solcher Vorschläge skeptisch gegenüber. "Die Menschen haben gerade ein anderes Thema", sagt Maennig gegenüber Klimareporter°.

Angesichts existenzieller Ängste gäben auch die gerade beschlossenen Milliardenmaßnahmen der Bundesregierung nur wenig Sicherheit. So könnten Mieter zwar im Zeitraum von April bis September ihre Wohnung nicht verlieren, doch müssten sie ihre Miete dann nachträglich begleichen. Bei Kurzarbeit und Gehaltskürzungen sei das aber nicht einfach, so Maennig.

Videokonferenzen statt unnötiger Flüge

Auch für Unternehmen seien die erleichterten Kredite nur bedingt hilfreich, kritisiert Maennig, da die Kreditgewährung immer noch zu langsam ablaufe. In seinen Augen werden es innovative, neue Unternehmen jetzt besonders schwer haben – also auch Energiewende-Unternehmen. Mit den Konjunkturhilfen nur klimafreundliche Branchen zu fördern, wie es der BUND vorschlägt, hält der Wirtschaftswissenschaftler aber zumindest in naher Zukunft für unrealistisch.

Dennoch bleibt etwas Hoffnung. Schließlich seien viele "Klimaschutzmaßnahmen nicht primär auf Investitionen angewiesen, sondern hängen vielmehr mit Verhalten und Lebensgewohnheiten zusammen", betonen die Wissenschaftler vom Wuppertal-Institut. Gerade das jetzt zur Normalität werdende Homeoffice könne zu einem Rückgang des Verkehrsaufkommens führen.

Es ergäben sich Vorteile, wenn Menschen weniger pendeln und weniger auf Dienstreisen gehen müssten, meinen auch die Autoren des FÖS. Wenn also Meetings in Zukunft häufiger per Videokonferenz stattfinden, könnten zum Beispiel Flüge vermieden werden.

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