Zerstörung im sächsischen Schlottwitz durch Hochwasser 2002
Starkregen kann ungeahnte Zerstörungskräfte freisetzen, wie hier 2002 in Sachsen. (Foto: Harald Weber/​Wikimedia Commons)

Noch ist die UN-Klimakonferenz von Madrid nicht beendet, aber es lässt sich bereits jetzt absehen, dass die Staaten es nicht schaffen werden, den Klimawandel so stark zu bremsen, dass er für uns nicht schmerzhaft spürbar sein wird.

Der aktuelle Klimabericht der Bundesregierung geht davon aus, dass sich in Deutschland die mittlere Lufttemperatur von 1881 bis 2018 um 1,5 Grad erwärmt hat. Die Folge: Laut einer Auswertung der Umweltorganisation Germanwatch zählte Deutschland im vergangenen Jahr zu den drei am stärksten von Extremwetter betroffenen Ländern der Welt.

Wir dürfen uns nicht wundern: Denn wir Deutschen tragen mit unserem Lebensstil maßgeblich zu dieser Entwicklung bei: Wir shoppen nicht nur am Black Friday und Cyber Monday nach Kräften, sondern neuerdings auch am Singles' Day.

Waren, die Versandhändler als Rückläufer bekommen, werden im großen Stil vernichtet. Modeketten richten sich auf Fast Fashion aus, um jede Woche eine neue Kollektion herausbringen zu können. Unverkaufte ungetragene Kleidung wird kurzerhand verbrannt.

Pro Kopf und Jahr ergibt das einen Ressourcenverbrauch von 33 bis 40 Tonnen in Deutschland. Als global nachhaltiges Maß gelten acht Tonnen.

Foto: UFZ

Reimund Schwarze

ist Professor für Inter­nationale Umwelt­ökonomie an der Frankfurter Viadrina, Forscher am Helmholtz-Zentrum für Umwelt­forschung UFZ in Leipzig und wissen­schaftlicher Berater von Klimareporter°.

Damit die kollektive kognitive Dissonanz zwischen dem Wollen ("Klimanation Deutschland") und dem Tun ("Klimasünder Deutschland") uns aber nicht den Spaß am Konsumieren verdirbt, werden künftig Plastiktüten verboten sein. Shoppen ohne schlechtes Gewissen wird damit für viele wieder Realität.

Verhaltensökonomen sprechen in diesem Zusammenhang auch von "moralischer Lizenzierung": Im Kleinen etwas Gutes tun, um im Großen nicht viel Rücksicht nehmen zu müssen – das ist in den Augen vieler Menschen der Weg aus der Klimakrise. Mit einer wirkungsvollen Klimapolitik für eine effektive Vermeidung von Treibhausgasen – der ersten Säule der Klimapolitik – hat das allerdings wenig zu tun.

Die zweite Säule des Klimaschutzes

Diese kleinen Beispiele zeigen, dass kurz- bis mittelfristig ein tief greifender Wandel des Wirtschaftens und des kollektiven Bewusstseins nicht per Knopfdruck möglich ist. Nur ein solcher sozialer Wandel, verbunden mit sinnvollen technologischen Innovationen, hätte Aussicht auf Erfolg. Allerdings gibt es schlichtweg zu viele – ökonomische, politische, psychologische, regulatorische, soziale und technologische – Faktoren, die ein Festhalten an Altbewährtem begünstigen.

Unweigerlich werden wir uns daher intensiver als bisher mit der unangenehmen Frage beschäftigen, wie wir mit den in Kauf genommenen, absehbaren Folgen des Klimawandels vernünftig umgehen wollen. Das ist die zweite Säule der Klimapolitik, die Anpassung an den Klimawandel. In Deutschland gibt es dafür eine Anpassungsstrategie.

Porträtaufnahme von Gert Wagner.
Foto: HIIG

Gert Wagner

Der Sozial- und Wirtschafts­wissen­schaftler Gert G. Wagner ist am Max-Planck-Institut für Bildungs­forschung und am Alexander von Humboldt Institut für Internet und Gesellschaft (HIIG) in Berlin tätig. Er ist Mitglied der Deutschen Akademie für Technik­wissen­schaften (Acatech) und des Sach­verständigen­rats für Verbraucher­fragen sowie Vorsitzender des Sozialbeirats der Bundes­regierung. Bis 2018 war er Professor für Volks­wirtschafts­lehre an der TU Berlin.

Von Dürren sind auf den ersten Blick nur die Land- und Forstwirtschaft betroffen, aber die damit häufig verbundenen Hitzewellen treffen alle. Die des letzten Jahres soll nach Angaben von Germanwatch 1.200 Todesopfer verursacht haben. Auch von Schäden durch Starkregen kann jeder in Deutschland getroffen werden. Um das zu erkennen, muss man kein Klima-Experte des Deutschen Wetterdienstes sein.

Die gute Nachricht ist: Anders als in den meisten Ländern der Welt sind die Folgen des Klimawandels in Deutschland grundsätzlich versicherbar. So sind Feuerschäden durch Waldbrand und Dürre bereits durch die Wohngebäudeversicherung abgedeckt.

Es gibt Dürreversicherungen für die Landwirtschaft und Elementarschadenversicherungen für Hausrat und Gebäude in Deutschland. Mit letzterer lassen sich Hab und Gut (Eigenheim und Hausrat) in den allermeisten Gegenden Deutschlands bezahlbar gegen die Folgen von Starkregen, Hochwasser, Erdrutsch und andere Naturgefahren schützen.

Die schlechte Nachricht ist: Nur weniger als die Hälfte der Gebäude ist aktuell versichert, eine Hausrat-Elementarschaden-Versicherung hat nur etwa jeder vierte Haushalt und nur fünf Prozent der Landwirte verfügen über eine Dürreversicherung.

Für Elementarschadenversicherungen werben

Dabei ist mehr Selbstschutz angesagt: Anders als noch bei der Elbe-Flut von 2002 will der Staat Betroffenen von Naturkatastrophen nicht mehr finanziell unter die Arme greifen, oder nur noch in Ausnahmefällen. Das haben die Ministerpräsidenten der Länder so verkündet.

Zwar ist der Staat auch weiterhin für Katastrophenschutz zuständig, doch für das Eigenheim empfehlen Experten von Verbraucher- und Versicherungsseite seit Jahren den Abschluss einer Elementarschadenversicherung. Neben einer Versicherung für den Katastrophenfall ist bauliche Prävention ein weiteres wirksames Mittel des Selbstschutzes vor den Folgen des Klimawandels.

Porträtaufnahme von Christian Groß.
Foto: privat

Christian Groß

ist Mitarbeiter im wissen­schaftlichen Stab des Sach­verständigen­rats für Verbraucher­fragen, einem Beratungs­gremium der Bundes­regierung. Zuvor forschte er am Max-Planck-Institut für Ökonomik in Jena und an der Universität Bath in England zur Kopplung von Energie­verbrauch und Wirtschafts­wachstum sowie zu nachhaltigen Lebensstilen.

Die logische Konsequenz: Wenn Vermeidung und Anpassung gleichermaßen weiter vorangetrieben werden sollen, muss Klimapolitik in der politischen Praxis noch breiter verstanden werden, als es das Klimakabinett vorgemacht hat. Die Zuständigkeiten der Ressorts reichen damit weit über die Umweltpolitik hinaus, bis hin zur Justiz- und Verbraucherpolitik, da Versicherungen in diesen Politikbereich fallen.

Möchte die Politik die Situation der Menschen in Deutschland auf dem Gebiet der Elementarschadenversicherung verbessern, so ist es auf jeden Fall notwendig, dass die "Risikokommunikation" verbessert wird. Einschlägige Institutionen, etwa das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK), aber auch die Spitzenverbände der Kommunen, Städte und Landkreise, sollten Informationskampagnen starten, die den Nutzen von Elementarschadenversicherungen breit deutlich machen.

Eine Versicherungspflicht wäre ernsthaft zu erwägen

Es dürften auch Anpassungen im Versicherungsvertragsgesetz sinnvoll sein, um idealerweise alle Hauseigentümer dazu zu bringen, eine Versicherung abzuschließen. Ein ähnlich breit aufgestelltes Programm brauchen wir in den Bereichen Land- und Forstwirtschaft zu Verbreitung der Klimaversicherungsidee.

Möchte die Politik erreichen, dass sinnvolle bauliche Präventionsmaßnahmen zur Pflicht werden, oder überdenken, wo sinnvollerweise gebaut werden darf und wo nicht, wären darüber hinaus Anpassungen im Bauplanungs- beziehungsweise Bauordnungsrecht geboten. Es gibt zahllose weitere Beispiele.

Große Buchstaben, grün angestrahlt:
Foto: Susanne Schwarz

Live von der COP 25

Die 25. UN-Klimakonferenz findet vom 2. bis zum 13. Dezember in Madrid statt. Klimareporter° ist vor Ort und berichtet direkt vom Konferenzparkett.

Mit Blick auf eine erfolgreiche Anpassung an den Klimawandel ist Deutschland also in der komfortablen Situation, dass an Bestehendes angeknüpft werden kann. Aber wir brauchen mehr Risikobewusstsein bei allen Beteiligten und Weiterentwicklungen unseres Rechtsapparats.

Wo es geboten ist, sich selbst vor den Folgen des Klimawandels zu schützen, muss jeder mehr denn je selbst die Initiative ergreifen. Eine Versicherungspflicht sollte ernsthaft erwogen werden. Die Frage, wie sinnvoll exzessiver Konsum ist, muss ohnehin jeder für sich selbst beantworten.

Außerdem müssen Maßnahmen zur Vermeidung des Klimawandels weiter kraftvoll vorangetrieben werden – auch und gerade in Madrid.

Alle Beiträge zur Klimakonferenz in Madrid finden Sie in unserem COP-25-Dossier.

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