Hier ist ein Thermometer zu sehen, es zeigt 40 Grad
Hitze ist ein Risiko – für die Landwirtschaft, aber auch für die Gesundheit. (Foto: Peyesces/Pixabay)

Der Sommer war sehr groß. Das kann man mit Fug und Recht sagen, auch ohne Rilke-Kenner zu sein. Er begann schon im April, steigerte sich enorm bis zur Hitzewelle im August und hielt durch bis Mitte Oktober. Zuletzt schien es, als wolle er sich überhaupt nicht mehr verabschieden und dem Herbst das Feld überlassen.

Erst seit dem Wochenende, dem dritten im Oktober, stellt sich bundesweit das Wetter ein, das eigentlich normal wäre – mit Höchstwerten unter 20 Grad. Zuletzt noch Schlangen an den Eisdielen, die Winzer ernten Spitzentrauben, und die Solaranlagen fahren Rekorderträge ein.

Auch die Fachleute staunen. "Gefühlt dauert der Sommer 2018, der meteorologisch, astronomisch und phänologisch eigentlich längst vorbei ist, scheinbar ewig", hieß es neulich beim Deutschen Wetterdienst (DWD) in Offenbach. Da sah es schon einmal so aus, als komme die Wetterwende. Doch weit gefehlt, auch die vergangene Woche brachte mancherorts noch einmal "Sommertage", wie die Meteorologen sie definieren – nämlich mit Tageshöchsttemperaturen von 25 Grad und mehr.

Die DWD-Statistik zeigt, wie außergewöhnlich der Sommer 2018 war. So brachte es beispielsweise Frankfurt am Main auf satte 108 Sommertage. Damit ist der bisherige Rekord im "Jahrhundertsommer 2003" locker eingestellt, der es auf 96 dieser sehr warmen Tage brachte. Ähnlich ist es in Stuttgart, wo 95 Tage mit 25 Grad oder mehr gemessen wurden, 2003 waren es hier 92 gewesen.

Und auch in Hamburg fiel der Rekord, mit diesmal 64 statt 46 Tagen. An dieser niedrigeren Zahl in der Elbmetropole zeigt sich allerdings auch, dass der Sommer in Norddeutschland zum Teil gar nicht so heiß war wie in den restlichen Landesteilen. Die warme Luft aus den Subtropen, die die Republik sonst ins Schwitzen brachte, erreichte den Norden oft gar nicht.

"Irre warm und super trocken"

Auch die längerfristigen Trends in den drei Großstädten weisen einen Anstieg in der Zahl der 25-plus-Tage auf. Das verwundere angesichts der allgemeinen Klimaerwärmung nicht, sagen die Offenbacher Wetterexperten – in Deutschland liegt die mittlere Temperatur heute um rund 1,4 Grad höher als vor Beginn der Industrialisierung Mitte des 19. Jahrhunderts. In Frankfurt und Stuttgart kann man inzwischen in einem "normalen" Jahr von rund 60 und in Hamburg von rund 35 Sommertagen ausgehen. Das Ausreißer-Jahr 2018 wartete also teils mit über der Hälfte mehr davon auf.

Dass der Oktober warm, sonnig und trocken sein kann, weiß jeder – man spricht schließlich vom "goldenen Oktober" und vom "Altweibersommer". Ein so ausgedehnter und trockener Sommer, der seinen klassischen Drei-Monats-Zeitraum sprengt, ist allerdings ungewöhnlich.

"Es ist einfach irre warm und super trocken", sagt der DWD-Meteorologe Gerhard Lux. Das Ganze passe durchaus zu dem in den letzten 50 Jahren festgestellten Trend, wonach die Sommer in Deutschland trockener (und die Winter feuchter) werden. Darin mache sich der Klimawandel bemerkbar.

Allerdings sei das keine Garantie dafür, dass die nächsten Sommer ähnlich ausfallen werden, so Lux. "Der nächste Sommer ist vielleicht völlig verregnet. Das Wetter ist eben ein chaotisches System."

Denkbar ist es, dass sich das altbekannte deutsche Schmuddelwetter, das die Deutschen bisher zur Flucht nach Mallorca oder Fuerteventura trieb, sogar stärker einnistet. Eine Rolle könnten hier Veränderungen in dem Höhenwindband spielen, das die Wettergebiete rund um die Erde transportiert – im Jetstream.

Ein Sommer mit vielen Verlierern

Dessen Wellenbewegungen, die von den Temperaturunterschieden zwischen dem Nordpol und dem Äquator gesteuert werden, verlieren aufgrund des Klimawandels an Dynamik. Die Unterschiede nehmen nämlich ab, da der Nordpol sich deutlich schneller erwärmt als der Rest der Erde. Die Folge ist: Der Wechsel zwischen Hoch- und Tiefdruckzonen verläuft langsamer, es gibt mehr stehende Wettergebiete.

In diesem Sommer waren die Hochs sehr lange sehr stabil, da der Jetstream sozusagen zu schwach war, um sie wegzuschieben. "Das blockierte die für Deutschland typischen Westwetterlagen, die sonst in regelmäßigen Abständen neue Tiefs vom Atlantik und ausreichend Niederschläge bringen", sagt Lux.

In diesem Jahr, dem Jahr mit dem großen Sommer, dürfen aber natürlich diejenigen nicht vergessen werden, die unter ihm zu leiden hatten und haben. Die Bauern zum Beispiel, denen Getreide und Ackerfrüchte auf dem Feld verdorrten. Waldbesitzer und Stadtverwaltungen, denen die Baum-Neupflanzungen millionenfach vertrocknet sind.

Die Schiffer auf dem Rhein, an dem die Pegel inzwischen an mehreren Messorten auf dem niedrigsten je gemessenen Stand gesunken sind. Und die Windkraftbetreiber, die wegen der lang anhaltenden Flaute deutlich weniger Strom produziert haben. Sie alle hoffen wohl, dass sich der "Jahrhundertsommer" 2018 nicht wiederholt.

Und Rilke? Was sagt er am Ende eines solchen Sommers? "Wer jetzt allein ist, wird es lange bleiben." Aber der Dichter muss ja nicht immer recht haben.