Tausende Wissenschaftler:innen aus mehr als 150 Ländern haben erneut vor "unermesslichem Leid" durch die Klimakrise gewarnt und den Klimanotstand ausgerufen. Ihr Aufruf, in dem sie einen "grundlegenden Wandel" fordern, erschien am heutigen Mittwoch im Fachjournal Bioscience.
Ende 2019 hatten sich mehr als 11.000 Forschende aus 153 Ländern in einer gemeinsamen Erklärung im selben Fachmagazin an die Öffentlichkeit gewandt, um auf "auf sehr beunruhigende Trends und geringe Fortschritte der Menschheit bei der Bekämpfung des Klimawandels" aufmerksam zu machen.
"Wissenschaftler haben die moralische Pflicht, die Menschheit vor drohenden Katastrophen zu warnen und die Dinge beim Namen zu nennen", schrieben sie damals.
Seit 40 Jahren hätten Klimaforscher:innen auf Konferenzen und Gipfeln vor dem Klimawandel gewarnt und trotzdem seien die CO2-Emissionen immer nur gestiegen, hieß es in dem Aufruf. Es sei nun eine "immense Steigerung der Anstrengungen" nötig, um "unsägliches Leiden infolge der Klimakrise" zu vermeiden.
Inzwischen haben mehr als 2.800 weitere Wissenschaftler:innen den Aufruf unterzeichnet, der heute in aktualisierter Form erschien.
Seit Veröffentlichung des ersten Appells sei es zu "einem beispiellosen Anstieg klimabedingter Katastrophen gekommen", heißt es in dem heutigen Aufruf, "darunter verheerende Überschwemmungen in Südamerika und Südostasien, rekordverdächtige Hitzewellen und Waldbrände in Australien und im Westen der USA, eine außergewöhnliche atlantische Hurrikansaison und verheerende Wirbelstürme in Afrika, Südasien und im Westpazifik".
Immer mehr Alarmzeichen
Auch gebe es immer mehr Beweise dafür, "dass wir uns dem Kipppunkt nähern oder ihn bereits überschritten haben, der mit kritischen Teilen des Erdsystems verbunden ist", wie dem Westantarktischen und Grönländischen Eisschild, den Warmwasserkorallenriffen und dem Amazonas-Regenwald.
Alarmierende Zeichen sehen die Forschenden in vielen Bereichen:
- Laut neuen Daten erreichen die drei wichtigen Treibhausgase Kohlendioxid, Methan und Lachgas sowohl 2020 als auch 2021 neue Jahresrekorde bei den atmosphärischen Konzentrationen. Im April 2021 erreichte die Kohlendioxidkonzentration 416 ppm (Teile pro Million), die höchste jemals aufgezeichnete monatliche globale Durchschnittskonzentration.
- Das Jahr 2020 war das zweitwärmste Jahr in den Aufzeichnungen – die fünf wärmsten Jahre traten alle seit 2015 auf.
- Im Jahr 2020 war die minimale sommerliche Meereisausdehnung in der Arktis die zweitkleinste seit Beginn der Aufzeichnungen. Auch die Gletscherdicke erreichte ein neues Allzeittief. Die Gletscher schmelzen viel schneller als bisher angenommen; sie verlieren pro Jahr 31 Prozent mehr Schnee und Eis als noch vor 15 Jahren.
- Sowohl die im Ozean gespeicherte Wärme als auch der Meeresspiegel haben neue Rekorde erreicht. Der pH-Wert des Ozeans erreichte den zweitniedrigsten Durchschnittswert seit Beginn der Aufzeichnungen.
- Der jährliche Waldverlust im brasilianischen Amazonasgebiet nahm 2019 und 2020 zu und erreichte mit 1,11 Millionen zerstörten Hektar ein Zwölf-Jahres-Hoch. Die durch Brände, Dürre, Abholzung und Fragmentierung verursachte Waldzerstörung hat dazu geführt, dass der Regenwald inzwischen eher als CO2-Quelle denn als CO2-Senke fungiert.
"Transformative Systemänderungen erforderlich"
Bislang, kritisieren die Forschenden, betreibe die Menschheit immer noch business as usual. Der Ernst der Lage sei noch nicht erkannt.
Die Corona-Pandemie habe gezeigt, "dass selbst kolossale Reduzierungen von Verkehr und Verbrauch nicht annähernd ausreichen und dass stattdessen transformative Systemänderungen erforderlich sind, die über der Politik stehen müssen".
Mehr denn je sei ein wirklich grundlegender Wandel nötig, "um das Leben auf der Erde zu schützen und so viele planetare Grenzen wie möglich einzuhalten", schließen die Wissenschaftler:innen ihren Aufruf.
"Wir müssen uns jetzt als globale Gemeinschaft mit einem gemeinsamen Sinn für Dringlichkeit, Zusammenarbeit und Gerechtigkeit zusammenschließen."