Tropische Fische über einem Korallenriff im lichtblauen Wasser.
Die tropischen Korallenriffe sind durch den Klimawandel doppelt bedroht. (Foto: Kanenori Miura/​Pixabay)

Das Thema Klimawandel ist in aller Munde. Jeder weiß inzwischen: Das Treibhausgas Kohlendioxid, das vor allem aus der Verbrennung von Kohle, Erdöl und Erdgas sowie aus Waldzerstörung stammt, ist Haupttreiber der Veränderungen im Klimasystem, die zunehmend spürbar werden. Viel weniger bekannt ist ein zweites globales Umweltproblem, das ebenfalls durch die hunderte Milliarden Tonnen CO2 ausgelöst wird, die der Mensch seit der Industrialisierung erzeugt hat und weiter erzeugt: die Versauerung der Meere.

Nicht nur die Atmosphäre, sondern auch die Ozeane und Meere nehmen Kohlendioxid auf. Forscher schätzen, dass rund ein Drittel der CO2-Frachten, die aus Schornsteinen, Auspuffrohren oder durch Brandrodung von Urwäldern zusätzlich emittiert werden, dort gespeichert wird.

Das bleibt nicht folgenlos. Das Gas löst sich im Wasser, wodurch Kohlensäure entsteht und der pH-Wert des Wassers absinkt. Es wird zwar nicht buchstäblich sauer, doch der fallende pH-Wert verändert die Lebensbedingungen vieler Meereslebewesen.

Seit Beginn der industriellen Revolution ist in der obersten Schicht der Ozeane der pH-Wert bereits von 8,2 auf 8,1 gesunken. Das bedeutet, dass der Säuregehalt um 26 Prozent angestiegen ist. Bis zum Jahr 2100 wird erwartet, dass bis zu 105 Prozent hinzukommen. Damit läge der Säuregehalt in dieser Wasserschicht höher als jemals in den vergangenen 50 Millionen Jahren.

Die Meere und Ozeane bedecken rund 70 Prozent der Erdoberfläche und sind damit der größte Lebensraum für Tiere und Pflanzen auf dem Globus. Von der Versauerung sind vor allem die Arten betroffen, die von Kalk abhängig sind – wie Korallen, Schalentiere und Seesterne. Sie bekommen bei niedrigeren pH-Werten Probleme mit dem Aufbau ihrer Skelette und Schalen.

Laut Prognosen könnten so zum Beispiel fast alle tropischen Korallenriffe im Jahr 2050 zerstört sein, wobei neben dem pH-Wert allerdings auch das sich erwärmende Meerwasser und Schadstoffe eine Rolle spielen, die etwa über Flüsse in die Meere eingeleitet werden. In Mitleidenschaft gezogen werden durch die Versauerung zudem besonders Weichtiere (Austern, Muscheln, Flügelschnecken) und deren Larven sowie kalkabhängige Mikroorganismen.

Die Ernährungssicherheit steht auf dem Spiel

Fische sind offenbar grundsätzlich weniger anfällig gegenüber der Versauerung als ortsfeste Organismen – sie sind in der Lage, sinkende pH-Werte in ihrem Blut auszugleichen. Allerdings könnten zukünftig auch Fischpopulationen geschädigt werden, wie Wissenschaftler des deutschen Forschungsverbundes "Bioacid" für die wichtige Speisefischart Dorsch in der Ostsee und in der Barentssee nördlich von Nordeuropa in Tests nachgewiesen haben.

Die Experten untersuchten, was passiert, wenn befruchtete Eier und Larven in Meerwasser bei CO2-Konzentrationen gehalten werden, wie sie voraussichtlich Ende des Jahrhunderts erreicht werden. Ergebnis: Die Sterblichkeitsrate des Fisch-Nachwuchses stieg gegenüber heute deutlich an – mit gravierenden Konsequenzen, denn die Nachwuchsproduktion könnte dadurch laut "Bioacid" auf ein Viertel bis ein Zwölftel des bisherigen Werts sinken.

In einer anderen Untersuchung mit Clownfischen – einer Art, die in Korallenriffen im Pazifik lebt – zeigte sich, dass deren optische Wahrnehmung, Gehör und Geruchssinn durch das saurere Wasser beeinträchtigt werden. Zu ähnlichen Ergebnissen war kürzlich eine britische Studie zum Geruchssinn von Wolfsbarschen gekommen.

Zwar gibt es auch einige Spezies, die mit den niedrigeren pH-Werten gut zurechtkommen – nachgewiesen wurde das etwa für Phytoplankton- und Seegras-Arten, die von der stärkeren Fotosynthese in saureren Gewässer profitieren. Doch insgesamt gehen die Experten davon aus, dass sich viele Meereslebewesen nicht schnell genug an die Veränderungen anpassen können.

Die Untersuchungen machen klar: Die Versauerung bedroht nicht nur die Artenvielfalt in den Weltmeeren, sie kann auch gravierende Folgen für die Welternährung haben. Eine Destabilisierung der marinen Nahrungskette wäre dramatisch, da fast 60 Prozent der derzeit rund 7,6 Milliarden Menschen auf der Erde in küstennahen Regionen leben und in vielen Ländern Fische und andere Meerestiere ein wichtiger Proteinlieferant für die Ernährung sind.

"Größte unerkannte Herausforderung unserer Zeit"

Sehr pessimistisch schätzt die Weltnaturschutzunion IUCN die Situation ein. Erwärmung und Versauerung seien wahrscheinlich "die größte unerkannte Herausforderung unserer Generation", heißt es in einem IUCN-Report von 2016, an dem 80 Wissenschaftler aus zwölf Ländern mitarbeiteten. Die Erwärmung der Ozeane führe zu einer Verarmung der Ökosysteme, warnen die Forscher. Empfindliche Arten drohten auszusterben, während sich widerstandsfähigere auf der ganzen Welt ausbreiteten könnten.

Die Naturschutz-Experten fordern, der Bedrohung der Meere durch den Klimawandel mehr Beachtung zu schenken und Meeresschutzgebiete schneller als bisher auszuweiten – vor allem auch auf hoher See. Das könne helfen, die Ökosystem-Dienstleistungen der Ozeane zu stabilisieren. Es müsse schnell gehandelt werden, mahnt die IUCN.

Die Aufnahmefähigkeit der Meere für CO2, die das Aufheizen der Atmosphäre bisher bremst, droht übrigens stark zurückzugehen. Erwärmung und Versauerung des Wassers reduzieren diesen Effekt. Der Weltklimarat IPCC rechnet damit, dass die "CO2-Senke" Ozean diese Funktion bis zum Ende dieses Jahrhunderts nach und nach verlieren wird.

Die klimaentlastende Wirkung nimmt also kontinuierlich ab – ein weiteres Argument für eine beherzte Klimaschutz-Politik, die den global immer noch steigenden Ausstoß der Treibhausgase schnell auf netto null absenkt.

Anzeige