Wie man ein Atom-Endlager nicht bauen darf, hat Deutschland schon zweimal vorgemacht. Einmal mit dem Bergwerk Asse, in dem die dort abgekippten Fässer mit Strahlenabfall vor sich hin rosten. Und dann am Salzstock Gorleben, der in den 1970er Jahren nicht wegen bester Eignung ausgewählt wurde, sondern weil er in einem toten Winkel an der damaligen innerdeutschen Grenze lag.
Der Bundestag startete die Suche nach einem Endlager für hoch radioaktiven Abfall im Jahr 2013 neu, und nun dürfte es mindestens bis Mitte des Jahrhunderts dauern, bis es betriebsbereit ist. Doch nicht zur hierzulande, sondern weltweit ist das Endlagerproblem auch 70 Jahre nach Einführung der Atomkraft ungelöst, wie der jetzt vorgelegte "World Nuclear Waste Report – Focus Europe" zeigt.
Erarbeitet wurde der Atommüll-Report im Auftrag der Grünen-nahen Heinrich-Böll-Stiftung, des BUND und sechs weiterer Umweltorganisationen. Verfasst wurde er von einem Dutzend internationaler Experten.
Laut dem Bericht hat kein Land der Welt bisher ein Endlager für hoch radioaktiven Müll in Betrieb genommen, obwohl insgesamt 31 Staaten Atomkraftwerke betreiben. Derzeit werden allein in Europa über 60.000 Tonnen abgebrannter Brennstäbe nur in Zwischenlagern "gehortet" – Russland und die Slowakei nicht mitgerechnet, da es hier keine verlässlichen Daten gibt.
Noch am weitesten fortgeschritten beim Bau eines Endlagers ist Finnland, die Fertigstellung ist für 2020 geplant. In Frankreich und Schweden gibt es immerhin Standorte. Die schwach und mittel aktiven Abfälle machen in Europa zusätzlich 2,5 Millionen Kubikmeter Müll aus.
Über die gesamte Lebensdauer gerechnet, produzieren die europäischen AKW rund 6,6 Millionen Kubikmeter Strahlenabfall unterschiedlicher Typen, wovon die Brennstäbe und der Abfall aus der Wiederaufarbeitung den kleinsten, aber gefährlichsten Anteil darstellen.
Vier Länder verantworten dabei den Großteil des Nuklearmülls: Frankreich (30 Prozent), Großbritannien (20), die Ukraine (18) sowie Deutschland (acht Prozent). Schließung und Abriss der AKW nach Ende ihrer Betriebsdauer werden die Mengen an Atommüll laut dem Report weiter erhöhen.
"Die Regierungen unterschätzen die Kosten"
Ein großes Problem stellen neben dem Umstand, für hunderttausend oder – wie in Deutschland geplant – sogar eine Million Jahre sichere Verwahrorte zu finden, die wachsenden Kosten dar. Kein Land könne bisher ein belastbares Finanzierungsmodell für die Zwischenlagerung sowie den Endlagerbau- und -betrieb vorweisen.
"Nationale Regierungen unterschätzen die Kosten für die Stilllegung sowie Lagerung und Atommüll oft erheblich", sagte ein Co-Autor des Berichts, der Ingenieurökonom Ben Wealer von der TU Berlin. Die Regierungen wendeten zudem oft das gesetzlich verankerte Verursacherprinzip nicht konsequent an.
Kein einziges Land in Europa habe ausreichend vorgesorgt, um die Endlager-Kosten zu finanzieren. "Es droht, dass die reellen, massiven Kosten letztendlich von den Steuerzahlern getragen werden", sagte Wealer.
In Deutschland zum Beispiel wird die Sanierung der Asse nach derzeitigem Stand allein bis zur geplanten Rückholung und Umlagerung des Atommülls mindestens 4,35 Milliarden Euro kosten. In das Bergwerk, in dem bis 1978 rund 126.000 Atommüll-Fässer eingelagert wurden, dringt Wasser ein.
Der Schweizer Geologe Marcos Buser, ebenfalls Mitautor des Reports, warnte: "Immer größere Mengen an hoch radioaktivem Müll müssen für immer längere Zeit zwischengelagert werden." Ein Problem dabei sei, dass die Zwischenlager unter Sicherheitsaspekten nicht für die jetzt avisierten Zeiträume konzipiert worden seien.
In Deutschland wurden die Zwischenlager für die Castoren mit hoch aktivem Müll in Gorleben und an den AKW-Standorten ursprünglich für 40 Jahre genehmigt. Heute ist klar, dass diese Zeit bis zur Eröffnung eines Endlagers überschritten wird, zumal in Fachkreisen umstritten ist, ob der geplante Termin 2050 überhaupt zu halten ist.