Der Konflikt um die Wasserkraft hat ein bisschen was von einem kollektiv gelebten Déjà-vu. Alle paar Jahre wieder werden dieselben Argumente an die mediale Oberfläche gespült. Verbände für Wasserkraft und Erneuerbare wetzen die verbalen Klingen mit Umweltgruppen und Fischereiverbänden.
Was fehlt, ist ein differenzierter Blick auf die Wasserkraft.
In Deutschland, überwiegend Süddeutschland, stehen 7.800 kleine Wasserkraftwerke, um die es im Kern dieser Debatte geht. Das Argument: Die kleine Wasserkraft ist mit einem Anteil von weniger als 0,5 Prozent an der gesamten deutschen Stromproduktion im Grunde irrelevant, verursacht aber gleichzeitig enorme ökologische Schäden.
Die Gewässerökologie leidet unter dem ständigen Aufstauen der Fließgewässer und die Kraftwerke hindern Wanderfischarten wie den bedrohten Europäischen Aal, flussauf- und -abwärts zu wandern. Manche Stauseen werden gar zu Methanquellen und könnten somit dem Klima mehr schaden als nutzen.
Die Gegenseite erwidert immer und immer wieder: Die Wasserkraft spielt zwar bundesweit keine große Rolle, wird aber überwiegend regional, also im Alpenraum, verbraucht und ist deshalb regional auch von Bedeutung. Außerdem ist Wasserkraft grundlastfähig. Das heißt: Sie ist, im Gegensatz zu Wind und Sonne, weniger Schwankungen unterworfen. Das ist wichtig für die Netzstabilität.
Wie stark kleine Wasserkraftwerke Wanderfische tatsächlich stören, ist obendrein umstritten. Die kleinen Werke stehen überwiegend an Flussarmen und kleinen Bächen. Die spielen für die Fischwanderung kaum eine Rolle.
Letzten Sommer hätte Robert Habecks "Osterpaket" beinahe ein Ende der Förderung für die kleinen Wasserkraftwerke bedeutet. Im letzten Moment wurde dieser Passus noch aus der Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) gestrichen – zur Erleichterung der Kraftwerksbesitzer:innen und zum Ärger zahlreicher Umweltschützer:innen.
Jetzt, bei der Vorlage der ersten Nationalen Wasserstrategie, liegen alle Argumente wieder auf dem Tisch. Das Forum Umwelt und Entwicklung spricht der Wasserkraft in einem aktuellen Positionspapier ab, nachhaltig, klimafreundlich und grün zu sein.
Nicht nur Kraftwerke zerstückeln die Flüsse
Was in der ganzen Debatte fehlt, sind objektive Kriterien. Ein Staudamm, der zur massiven Methanfreisetzung führt, wie von einigen tropischen Dämmen berichtet wird, hat keine Zukunft in einer klimagerechten Welt. Im Alpenraum ist das hingegen nicht der Fall. Die Temperatur ist dafür zu gering. Und so treffen auch andere Kritikpunkte nicht pauschal auf alle Wasserkraftwerke zu.
Anhand objektiver Kriterien müsste die ökologische Wirkung jedes einzelnen Kraftwerks bewertet werden. Der Nutzen und Schaden eines Kraftwerks unterscheidet sich je nach Standort, Größe, Turbinenart, Fallhöhe und so weiter.
Den deutschen Flüssen geht es schlecht. Da gibt es kein Wenn und Aber. Im Schnitt wird ein Fließgewässer in Deutschland alle zwei Kilometer von einem Querbauwerk durchzogen. Aber auch hier lohnt sich ein Blick über den Tellerrand der Wasserkraft.
Rund 215.000 Querbauwerke zerstückeln die deutschen Fließgewässer, davon sind nur etwa 8.300 Kraftwerke. Zwar sind etwa 80 Prozent dieser Barrieren weitestgehend durchlässig, aber auch die übrigen 40.000 Anlagen gehen überwiegend nicht auf die Kappe der Wasserkraft.
Deutschland muss einen ordentlichen Zahn zulegen, um die Wasserrahmenrichtlinie der EU zu erfüllen. Das Durchkauen der immer gleichen Argumente hilft dabei wenig. Ein einheitlicher Kriterienkatalog ist längst überfällig.
Und zu guter Letzt: Es nutzt wenig, Kraftwerksbetreiber:innen einfach die Förderung zu entziehen. Auch ein stillgelegtes Kraftwerk ist eine Barriere. Es braucht konkrete Pläne, Barrieren zurückzubauen, Flüsse zu renaturieren und damit die deutsche Flussökologie tatsächlich zu stärken.