Sonne und orangeroter Himmel über den Dächern einer Stadt.
In den Innenstädten sind hohe Sommertemperaturen besonders gefährlich. Immer mehr Kommunen passen sich mit Hitzeaktionsplänen an. (Foto: Rogerio Ribeiro/​Pixabay)

Deutschland braucht mehr Bäume in den Städten, mehr Grün auf den Dächern, mehr Raum für die Flüsse und vieles mehr. Und es muss schnell gehen. Deswegen muss die Bundesregierung verlässliche finanzielle und rechtliche Rahmenbedingungen für eine wirksame Klimaanpassung schaffen.

Das ist ein – verkürztes – Zitat von einer Bundesumweltministerin, nicht der amtierenden Steffi Lemke (Grüne), sondern ihrer Vorgängerin Svenja Schulze (SPD).

Die Forderung von Schulze ist fast zwei Jahre alt, von Juni 2021. Damals stellte Schulze die Klimawirkungs- und Risikoanalyse des Bundes vor. Darin heißt es: Bei einem starken Klimawandel könnte Deutschland zu einem Hotspot von Wetterextremen wie Hitze, Dürre und Starkniederschlägen werden.

Ein starker Klimawandel tritt dann ein, wenn die mittlere Temperatur in Deutschland um drei Grad steigt. Davon waren zwei Grad schon letztes Jahr erreicht. Es droht ein starker Klimawandel.

Dennoch ließ der von Ministerin Schulze angekündigte rechtliche Rahmen zwei Jahre auf sich warten. Erst jetzt, Anfang April 2023, legte das Umweltministerium den Entwurf für ein Bundes-Klimaanpassungsgesetz vor. Das soll nach bisheriger Planung vor Ende Mai ins Kabinett.

Vom Bund verlangt der Entwurf, eine vorsorgende Klimaanpassungsstrategie mit "messbaren Zielen" aufzustellen, und zwar bis zum 30. September 2025 – also in zweieinhalb Jahren.

Strategie für den politischen Papierkorb?

Das wäre dann allerdings kurz vor der nächsten Bundestagswahl oder gar mittendrin. Landet die Anpassungsstrategie dann nicht im politischen Papierkorb des Regierungswechsels?

Die Befürchtung hegt das Umweltministerium nicht. Der 30. September 2025 sei das gesetzliche Enddatum, sagt ein Sprecher auf Anfrage. "Mit diesem Datum nehmen wir uns selbst in die Pflicht, die Strategie auch wirklich in dieser Legislaturperiode abzuschließen", beruhigt er.

Tatsächlich erwarte sein Haus, dass die Klimaanpassungsstrategie schon im Laufe des Jahres 2024 per Kabinettsbeschluss verabschiedet werden kann, betont der Sprecher.

Zudem schreibe der Gesetzentwurf vor, die Anpassungsstrategie alle vier Jahre zu überarbeiten. "Solange das Klimaanpassungsgesetz gilt, werden künftige Bundesregierungen also verpflichtet sein, die Klimaanpassungsstrategie umzusetzen und fortzuschreiben."

Auch Sascha Müller-Kraenner stört der späte Termin nicht so sehr. Der Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe (DUH) geht davon aus, dass – unabhängig von der Zusammensetzung der nächsten Regierung – über Legislaturperioden hinaus ein Interesse an einem strategischen Rahmen zur Klimaanpassung besteht.

Müller-Kraenner lobt am Gesetzentwurf die vorgesehene Verpflichtung für die Bundesländer, eigene Anpassungsstrategien und Maßnahmenpakete vorzulegen. Auch das geplante Monitoringprogramm findet seine Zustimmung.

Zeigt das Monitoring, dass die Anpassungsziele verfehlt zu werden drohen, verlangt der Gesetzentwurf, dass das zuständige Ministerium innerhalb eines Jahres ergänzende Maßnahmen vorlegt, um die Ziele zu erreichen. Das lehnt sich erkennbar an eine ähnliche Regelung im Klimaschutzgesetz an.

Länderzuständigkeit erschwert Finanzierung

Verkompliziert wird alles durch das föderale System. Ähnlich wie Naturschutz ist Klimaanpassung derzeit weitgehend Ländersache. Zudem verfügt eine Reihe von Bundesländern schon seit Jahren über eigene Klimaanpassungsgesetze, der Bund ist hier im Nachtrab.

Entsprechend bedient sich der Entwurf hier auch beim Vorzeigeland Nordrhein-Westfalen und übernimmt ausdrücklich das dort geltende Berücksichtigungsgebot. Dieses besagt, dass Projektträger beim Planen und Entscheiden die Klimaanpassung zu berücksichtigen haben, und zwar fachübergreifend und integriert. Dabei sind bereits eingetretene wie auch künftig zu erwartende Auswirkungen des Klimawandels zu berücksichtigen.

Der Gesetzentwurf sieht auch ein sogenanntes Verschlechterungsverbot vor: Träger öffentlicher Aufgaben dürfen die Vulnerabilität – also Verletzlichkeit – von Grundstücken, Bauwerken und regionalen Gebieten durch negative Folgen des Klimawandels nur insoweit erhöhen, als dies unvermeidlich ist.

Was "unvermeidlich" ist, darüber gehen die Positionen bei vielen Projekten weit auseinander. Ist der Parkplatzausbau unvermeidlich oder kann er entfallen? Ist ein Bauverbot in Überflutungsgebieten unvermeidlich oder durch besseres Talsperrenmanagement zu umgehen? Das Verschlechterungsverbot habe nicht zum Ziel, bestimmte Infrastrukturprojekte zu verhindern, schon gar nicht, wenn es keine zumutbaren Alternativen gebe, betont das Umweltministerium.

Rechtlich bindend sei das alles nicht wirklich, räumt Umweltschützer Müller-Kraenner ein. Er hätte die Vulnerabilitäts-Regeln gern konkreter. Für ihn gehören in so ein Gesetz quantitative und verbindliche Ziele etwa zur Flächenentsiegelung, zur Stadtbegrünung und zum urbanen Wassermanagement. "Das wird in Zeiten, in denen die Versiegelung für Wohnungsbau und Verkehrsflächen eher zunimmt, eine harte Auseinandersetzung", sagt Müller-Kraenner aus Erfahrung voraus.

Der Erfolg der Anpassungsstrategie entscheidet sich für ihn auch in der Frage, ob zusätzliche Finanzmittel vor allem für Kommunen zur Verfügung stehen, um die aus der Anpassungsstrategie folgenden Maßnahmen zu bezahlen.

Das Grundgesetz verbietet dem Bund dabei, kommunale Aufgaben wie die Klimaanpassung direkt zu finanzieren. Erlaubt ist derzeit höchstens, Modellprojekte zu unterstützen.

Klimaanpassung bisher keine Gemeinschaftsaufgabe

Um das Hindernis aus dem Weg zu räumen, hat das Umweltbundesamt (UBA) in einem Positionspapier schon 2021 vorgeschlagen, eine neue Gemeinschaftsaufgabe "Anpassung an den Klimawandel" zu schaffen. Der Artikel 91a des Grundgesetzes, in dem auch Agrarstruktur und Küstenschutz als Gemeinschaftsaufgabe geregelt sind, sollte dazu um die Klimaanpassung erweitert werden. Dann könnte der Bund eine umfassende kommunale Klimavorsorge direkt unterstützen, erläutert das UBA.

In den Koalitionsvertrag der Ampel schaffte es die Klimaanpassung als neue Gemeinschaftsaufgabe nicht. Da einigten sich Grüne, SPD und FDP nur darauf, eine gemeinsame Finanzierung von Bund und Ländern zur Klimavorsorge und Klimaanpassung zu verankern und mit genügend Mitteln auszustatten.

Gespräche über die Anpassung der Klimafinanzen laufen gerade zwischen Bund und Ländern, wie zu hören ist. Die Länderumweltminister veranschlagen den Finanzbedarf der Länder und Kommunen für Klimaanpassung, Naturschutz und natürlichen Klimaschutz auf insgesamt 55 Milliarden Euro bis 2030, gaben sie bei ihrer letzten Konferenz im Herbst 2022 zu Protokoll.

Angesichts der Summe verwundert es nicht, dass die Länderminister die neue Gemeinschaftsaufgabe im Grundgesetz für eine gute Sache halten. Auch für Sascha Müller-Kraenner wäre, was die Finanzierung angeht, eine neue grundgesetzliche Aufgabe namens Klimaanpassung ein großer Wurf. Da würden ihm Ministerin Lemke und ihre Vorgängerin wohl gar nicht widersprechen.

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