Abstimmung über EEG am 8. Juli 2016
Kein Klimaschutz mehr vor der Sommerpause? (Foto: Screenshot/​bundestag.de)

"Zwischen den Fraktionen besteht kein Einvernehmen über die Tagesordnung." Der Standardsatz steht im Bundestag so lange über der Tagesordnung des Plenums, bis sich die Fraktionen, meist am Dienstagvormittag, endgültig über den Ablauf der Debatte geeinigt haben.

So soll es, Stand heute, in der kommenden und letzten regulären Sitzungswoche vor der Sommerpause beispielsweise um das Hopfengesetz, um bezahlbare Mobilität und um das Bundeswehr­beschaffungs­beschleunigungs­gesetz gehen.

Auch die Energiewende will die Ampel-Regierung bekanntlich beschleunigen. Anfang April hatte Wirtschafts- und Klimaminister Robert Habeck (Grüne) dazu das sogenannte "Osterpaket" vorgelegt, ein mehrere hundert Seiten dickes Konvolut.

Es enthält unter anderem Neufassungen oder Änderungen des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG), des Windenergie-auf-See-Gesetzes sowie weiterer energiewirtschaftlicher Regelungen. Später wurden noch das Wind-an-Land-Gesetz und begleitende Änderungen am Naturschutzgesetz dazugepackt.

FDP bremst nach wie vor

Das "Osterpaket" sollte eigentlich bis zur Sommerpause vom Bundestag fertig verschnürt und beschlossen werden. In der anbrechenden letzten Sitzungswoche steht bisher nur am Donnerstag das Ersatzkraftwerke-Bereithaltungsgesetz zur Verabschiedung auf der Tagesordnung des Plenums.

 

Dieses Gesetz hat mit dem "Osterpaket" auch eigentlich nichts zu tun. Es beschleunigt die Energiewende nicht, sondern soll Erdgas-Strom durch Strom aus Kohle und Öl ersetzen, damit das immer knapper werdende Gas für den Winter eingespeichert werden kann.

Die Stichworte Windkraft, Naturschutz oder EEG sucht man bisher vergebens auf der Tagesordnung. Hinter den Kulissen soll es heftig rumoren, heißt es, besonders die FDP soll Teile vom "Osterpaket" immer noch blockieren.

Das überrascht nicht wirklich. Die FDP hatte schon Anfang April im Kabinett Teilen des "Osterpakets" nur unter Vorbehalt zugestimmt. Allen Koalitionspartnern sei bewusst, verkündete die FDP-Fraktion damals, dass zentrale Fragen noch im parlamentarischen Verfahren zu klären seien. So halte man das Ziel der EEG-Novelle, den Strom bereits 2035 nahezu vollständig aus Erneuerbaren und unabhängig von fossilen Energieimporten zu erzeugen, "für nicht zielführend".

Nach dem Eindruck von Constantin Zerger, Energie- und Klimaexperte bei der Deutschen Umwelthilfe (DUH), tritt die FDP beim EEG nach wie vor auf die Bremse – aus ideologischen Gründen, wie Zerger meint. "Es ist erschütternd, dass innerhalb der Ampel-Koalition offenbar um Klimapolitik geschachert wird, als ob es sich um Klientelpolitik für eine einzelne Partei handeln würde."

Keine Zeit für Verbändebeteiligung

Aber nicht nur das Verhalten der Freien Demokraten sorgt für Verdruss. Die insgesamt hektische Gesetzgebung verärgert seit Wochen auch der Ampel eigentlich gewogene Lobbyverbände.

Wie früher zu Zeiten der großen Koalition beklagen die Verbände, dass für die Öffentlichkeitsbeteiligung selbst bei komplexen Gesetzesvorhaben kaum Zeit bleibe. Jüngstes Beispiel: die Änderungen am Bundesnaturschutzgesetz, um den Ausbau der Windkraft zu beschleunigen.

Ein "Beteiligungszeitraum von Freitag, 10. Juni, Spätnachmittag bis Montagabend, 13. Juni" werde der Bedeutung des Gesetzesvorhabens für den Erneuerbaren-Ausbau und der Komplexität des Gesetzes keinesfalls gerecht, lässt der Windkraftverband BWE in seiner Stellungnahme zum Gesetzentwurf wissen. Dieses Vorgehen entspreche auch nicht dem zu Amtsbeginn von der Bundesregierung geäußerten Ansinnen einer "guten und intensiven Zusammenarbeit" mit den Energieverbänden, schiebt der BWE nach.

Die Anhörung zu diesem für den Windkraftausbau zentralen Gesetz findet auch erst am morgigen Montagnachmittag statt. Mehr als kosmetische Korrekturen an der Vorlage werden dann nicht mehr drin sein, will man die Vorlage wirklich noch bis Freitag durchbringen.

Dass das gesamte "Osterpaket" vor der Sommerpause verabschiedet wird, ist nach Ansicht von Beobachtern inzwischen recht unwahrscheinlich. "Wenn die Energie- und Klimagesetze noch weiter verschoben werden, ist das kein gutes Omen für diese Regierung", urteilt DUH-Experte Zerger.

Nabu warnt vor "ideologischer" Verkehrspolitik

Ebenfalls kein gutes Omen für die klimapolitische Handlungsfähigkeit der Ampel ist ein anderes Versäumnis: Die Regierung ließ die gesetzliche Frist verstreichen, um dem Bundestag den jährlichen Bericht vorzulegen, der Auskunft darüber gibt, wie stark die prognostizierten CO2-Emissionen für 2030 von den Zielen des Klimaschutzgesetzes abweichen. Der Bericht war eigentlich zum 30. Juni fällig.

Die Verspätung sei inakzeptabel, kritisierte Leif Miller, Geschäftsführer des Naturschutzbundes Nabu. Er vermutet, dass speziell das Verkehrsministerium nicht "geliefert" hat. Dabei weise gerade im Verkehr die Emissionskurve in die falsche Richtung.

Das zuständige Ministerium müsse das für diesen Fall vorgeschriebene Sofortprogramm nutzen, so Miller, um die Verkehrsemissionen in den kommenden Jahren nachweislich zu reduzieren. Zu den nötigen Maßnahmen gehören für den Nabu ein Stopp der Steuerprivilegien für klimaschädliche Dienstwagen und eine stärkere Spreizung der Kfz-Steuer, damit fossile Spritschlucker teurer werden.

Für den Nabu-Geschäftsführer ist die verschleppte Veröffentlichung des Klimaschutzberichtes symptomatisch. "Wenn die verantwortlichen Akteure jetzt aus ideologischen Gründen nicht handeln, ist das angesichts der Dimension der Klimakrise mehr als verantwortungslos", warnte Miller.

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