Die Küstenautobahn A20, deren Bau vor 30 Jahren begann, soll mit geplanten 550 Kilometern die längste Autobahn Deutschlands werden. Inzwischen ist sie wohl auch die am längsten unvollendete Betonpiste. Noch fehlen 200 Kilometer, die durch Schleswig-Holstein und Niedersachsen führen sollen.
Am kommenden Dienstag verhandelt das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig über die Klage gegen den Weiterbau der Autobahn. 2018 hatten der Umweltverband BUND Niedersachsen, das Bündnis der A20-Gegner sowie betroffene Landwirt:innen gegen den Planfeststellungsbeschluss geklagt.
In den Augen der Kläger ist die A20 das klima- und umweltschädlichste Projekt des gesamten Bundesverkehrswegeplans 2030, der festlegt, welche Verkehrsprojekte mit Bundesmitteln realisiert werden. Auch habe der ursprünglich angenommene Nutzen, Skandinavien mit den Beneluxländern zu verbinden, nicht nachgewiesen werden können.
Für Susanne Grube vom Bündnis der A20-Gegner löst die A20 keines der Verkehrsprobleme im Norden: Für eine Hinterlandanbindung führe sie in die falsche Richtung und Engpässe wie in Hamburg oder Bremen beseitige sie nicht. Die Baukosten für die restlichen Kilometer veranschlagen die Kritiker auf mittlerweile über sieben Milliarden Euro.
Zudem führt die noch zu bauende Strecke vielfach über Moorlandschaften und organischen Marschboden – unzerschnittene, sensible Landschaften, die als CO2-Senken dienen und in Zukunft als solche gebraucht werden. Gerade im Hinblick auf die neue Moorschutzstrategie der Bundesregierung sei ein Überbauen der Moorflächen nicht akzeptabel.
Trotz der heraufziehenden Klimakrise hält die Bundesregierung nicht nur bei der A20 an ihrer Verkehrsplanung aus dem Jahr 2016 fest. In jenem Jahr wurde der heute gültige Bundesverkehrswegeplan beschlossen. Er sieht den Neu- oder Ausbau von mehr als 1.300 Straßen bis 2030 vor. Für Kritiker:innen passte das schon damals nicht zu dem 2015 beschlossenen Pariser Klimaabkommen.
In einem am Mittwoch vorgelegten Report erneuert der BUND seine Kritik am Verkehrswegeplan. Für zwölf "unwirtschaftliche, natur- und klimaschädliche" Autobahn- und Schnellstraßenprojekte listet der Verband die Probleme aus seiner Sicht auf und stellt Alternativen vor.
Bei der Vorstellung des Berichts verlangte der BUND-Vorsitzende Olaf Bandt, die Erhaltung und Sanierung der vorhandenen Straßen müsse endlich Vorrang bei der Planung bekommen. Laut dem Bundes-Klimaschutzgesetz muss der Verkehr bis 2030 etwa die Hälfte seiner aktuellen CO2-Emissionen einsparen. Straßenausbau führe jedoch unweigerlich zu mehr Verkehr und damit zu mehr Emissionen, sagte Bandt.
BUND appelliert an Verkehrsminister Wissing
In diesem Jahr steht turnusmäßig die Überprüfung des Verkehrswegeplans an. BUND-Verkehrsexperte Werner Reh forderte dafür eine "Generalrevision der gigantischen Fehlplanungen" und den Einstieg in eine zukunftsfähige Mobilitätsplanung.
Der BUND verlangt ein Moratorium für Planung und Bau neuer Verkehrs-Großprojekte und ein grundsätzliches Umsteuern in der bundesdeutschen Verkehrsplanung und -politik. Dabei eingespartes Geld müsse in die Erhaltung der Straßen und den Ausbau der Schiene investiert werden.
Auch Dirk Jansen vom BUND Nordrhein-Westfalen forderte am Mittwoch, die "Betonpolitik" zugunsten des Automobils zu beenden. "Unsere Straßen zerbröseln, aber unsere Steuern werden in Neubau statt Sanierung versenkt. Der Bestand wird auf Verschleiß gefahren."
Die Umweltschützer:innen wehren sich auch gegen Bestrebungen, geltendes Planungsrecht für Verkehrswege zulasten der Umweltverträglichkeitsprüfung und der Bürgerbeteiligung aufzuweichen, etwa bei Ersatzneubauten.
BUND-Chef Bandt appellierte dabei an Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP). Dieser habe die große Chance, die Verkehrsplanung durch ein grundsätzliches Umdenken in Einklang mit den ökologischen Grenzen, den Klimazielen und dem Biodiversitätsschutz zu bringen.
Am 31. Mai will der Umweltverband öffentlich mit Wissing diskutieren. Auch ein Tempolimit soll dann erneut zur Sprache kommen. Bisher habe es der Verkehrsminister noch nicht geschafft, bestehende Straßenprojekte infrage zu stellen und ernsthaft mit der Umplanung zu beginnen, erläuterte der BUND den Zweck der Debatte. Ziel sei ein Dialogprozess zur Neuplanung der Projekte.