Autos warten an einem Bahnübergang, die Regionalbahn fährt durch.
Auf den Straßen im Land würde sich mit den vorgeschlagenen CO2-Preisen wohl in den nächsten zehn Jahren nicht viel ändern. (Foto: Erich Westendarp/​Pixabay)

Prognosen sind schwierig, besonders wenn sie die Zukunft betreffen. Wer den Spruch geschöpft hat, ist nicht eindeutig geklärt – an ihn fühlt man sich aber erinnert, wenn man sich durch die drei Gutachten zur CO2-Steuer liest, die Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) am Freitag in Berlin vorgestellt hat – eins vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW), eins vom Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung und eins vom Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft (FÖS), einem Thinktank.

Das finanzielle Grundgerüst der drei Papiere ähnelt sich: Ab 2020 soll es in den Bereichen Wärme und Verkehr, die derzeit nicht vom Emissionshandel erfasst werden, einen Preisaufschlag von 35 Euro je Tonne CO2 geben.

Ab 2023 soll der Aufpreis beim DIW dann bei 80 Euro liegen und bis 2030 nicht weiter steigen. Die anderen beiden Gutachten wollen die 35 Euro nach und nach bis 2030 auf 180 Euro heraufsetzen – das ist die Höhe der aktuellen Umweltfolgekosten jeder Tonne CO2, wie sie das Umweltbundesamt angibt.

Privaten Haushalten soll die Steuer beim DIW über einen "Klimabonus" von 80 Euro sowie ab 2021 durch eine Senkung der Stromsteuer und der EEG-Umlage zurückgegeben werden.

Das Böckler-IMK will 100 Euro als "Klimaprämie" zurückzahlen, und – wenn das Aufkommen aus der CO2-Bepreisung, das von den Haushalten getragen wird, die "Klimaprämie" übersteigt – das Mehraufkommen zur einen Hälfte für eine Anhebung der "Klimaprämie" und zur anderen für eine Senkung des Strompreises verwenden.

Auf diese Strompreis-Komponenten verzichten die FÖS-Forscher offenbar. Sie reichen die Steuer vollständig über eine Pauschale von 96 Euro je Person und Jahr zurück. Die zurückfließenden "Prämien" oder "Bonusse" sollen jedenfalls, vom Inflationsausgleich abgesehen, bis 2030 gleich bleiben oder wie beim IMK nur leicht steigen, während der CO2-Preis mal mehr, mal weniger zulegt.

Eigenheim-Pendler bleiben erst mal verschont

Der entscheidende Dreh, um die CO2-Bepreisung dann sozialverträglich hinzubekommen, ist in allen drei Gutachten die jährliche Pro-Kopf-Pauschale. Vereinfacht gesagt: Wer als Vier-Personen-Haushalt im Eigenheim auf dem Land lebt und mit dem Auto in die Stadt zur Arbeit pendelt, wird durch die CO2-Steuer bis 2030 kaum Verluste haben. Das kürzliche Versprechen der Umweltministerin, dass mit einem CO2-Preis die mit dem "dicken SUV" draufzahlen sollen, wird so nicht eingelöst.

Drei Gutachten für einen sozialen CO2-Preis

Gedanken um zusätzliche Lasten durch den CO2-Preis müssen sich, wenn man die Gutachten durchsieht, eher diejenigen machen, die einkommensschwach sind, allein oder nur zu zweit leben und vielleicht auch noch einen vergleichsweise hohen Energieverbrauch haben. Mit der Zeit werden sich zum Beispiel Rentner fragen müssen, ob das eigene Auto nicht eine zu teure Angelegenheit wird – und es vielleicht abschaffen.

Natürlich kann man den "dicken SUV" auch vorsorglich ausmustern und auf CO2-arme Mobilität umsteigen – dann lässt sich dank der Pro-Kopf-Pauschale quasi ein Zusatzeinkommen erwirtschaften. Der soziale Preis durch eine CO2-Steuer kann dadurch oft positiv, aber eben unter Umständen auch negativ sein.

Was "Prämie" und "Bonus" aber nicht werden leisten können, ist, soziale Probleme zu lösen. Wenn die Miete schon jetzt unbezahlbar ist, kann das auch eine Pro-Kopf-Pauschale nicht ändern. Wenn Reisen mit Bahn und ÖPNV schon jetzt ein Luxus ist, wird auch ein sozialverträglicher CO2-Preis da kurzfristig nicht helfen.

Mit dem Versagen des Sozialstaats gegen Umweltsteuern zu argumentieren ist ein beliebtes Muster, das sich schon in den ersten Reaktionen auf die drei Gutachten wiederholte. So verkündete der Linken-Abgeordnete Klaus Ernst nahezu reflexhaft: Wenn fast ein Viertel der Beschäftigten mit Niedriglöhnen über die Runden kommen müsse, sei es für diese nicht akzeptabel, Klimaschutz über eine Erhöhung der Energiepreise zu regeln.

Auch ein hoher CO2-Preis reicht nicht fürs Klimaziel

Tatsächlich steigt der Druck, sich für mehr Klimaschutz zu entscheiden, ja auch gewollterweise mit der Zeit: Wenn der CO2-Preis anzieht und die Pauschale nicht gleichermaßen wächst, werden sich die Haushalte zunehmend fragen, wie sie ihr Budget einsetzen.

Hier wird es aus Klimasicht wirklich interessant: Was werden die Autonutzer tun? Werden die Haushalte ihr Verhalten klimaverträglich ändern oder Mehrkosten in Kauf nehmen – achselzuckend oder gezwungenermaßen, weil Alternativen nicht vorhanden oder zu teuer sind?

Hier kommt die sogenannte Preiselastizität ins Spiel. So kostete der Liter Superbenzin 2018 im Schnitt rund 15 Cent oder zwölf Prozent mehr als 2016 – aber ist deswegen letztes Jahr irgendjemand weniger gefahren? Die anfänglichen 35 Euro je Tonne CO2 würden übrigens Benzin um knapp zehn Cent je Liter verteuern, hat das DIW ausgerechnet – das läge also noch im Bereich üblicher Marktschwankungen.

Was die Zukunft da bringt, lässt sich schwer voraussagen: Selbst bei einem CO2-Preis von 80 Euro hat laut dem DIW die jährliche CO2-Einsparung eine enorme Spannbreite – im Verkehr reicht sie von drei Millionen bis maximal 25 Millionen Tonnen und im Gebäudesektor von acht Millionen bis 20 Millionen Tonnen.

Die FÖS-Forscher veranschlagen ihrerseits die 2030 zu erzielenden Einsparungen – bei einem CO2-Preis von 180 Euro – auf 19 bis 74 Millionen Tonnen.

Was auch immer sich davon bewahrheiten wird – wenn die Steuer denn überhaupt kommt: Selbst eine ambitionierte CO2-Bepreisung dürfte nicht ausreichen, um die Klimaziele für 2030 zu erfüllen, schreibt das DIW. Daher seien gerade im Gebäude- und im Verkehrssektor "zusätzliche ordnungspolitische Maßnahmen notwendig".

Der soziale Preis des CO2 lässt sich eben nicht allein in Geld ausdrücken. Aber das wussten wir ja schon vorher.

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