Kleine Shell-Tankstelle bei Nacht, vergleichsweise sparsam beleuchtet, eine Straßenlaterne spendet auch nur wenig Licht.
Tankstelle in Stuttgart: Der CO2-Preis muss stark steigen, um zu wirken. (Bild: Dennis Gleiss/​Shutterstock)

Klimapolitische "Sorgenkinder" seien der Verkehr und die Gebäude, schreiben deutsche Medien gern. Damit bedienen sie das Bild, die beiden Sektoren könnten ihre Probleme schon in den Griff bekommen, wenn sie nur einfach "erwachsen" würden.

Schaut man genauer auf die Treibhausgas-Bilanzen, die das Umweltbundesamt (UBA) und der Expertenrat für Klimafragen kürzlich vorgelegt haben, müssten Gebäude und Verkehr eher als das schreckliche Paar gelten.

Der Gebäudesektor und vor allem der Verkehr verursachen den größten Teil der fast 200 Millionen Tonnen Treibhausgase, umgerechnet in CO2-Äquivalente, um die Deutschland bis 2030 selbst im besten Fall sein Emissionsbudget überzieht – jedenfalls das Budget, zu dem das Klimaschutzgesetz die Bundesregierungen verpflichtet.

Für sich genommen wäre das aus der Ampel-Perspektive noch nicht so schrecklich. Keine deutsche Regierung tritt zurück oder geht in Sack und Asche, wenn Klimaziele nicht erfüllt werden.

Aber da gibt es noch die Europäische Union. Die hat beschlossen, die CO2-Emissionen bis 2030 um 55 Prozent zu reduzieren. Dazu nutzt die EU vor allem zwei Instrumente. Zum einen den CO2-Emissionshandel, an dem Energiewirtschaft und energieintensive Industrie teilnehmen müssen.

Zum anderen einigten sich die EU-Staaten auf die Lastenteilungsverordnung, englisch Effort Sharing Regulation (ESR). Darunter fallen Verkehr, Gebäude, aber auch Landwirtschaft, Abfall und die sogenannte kleine Industrie.

Die Lastenteilung sieht vor, dass Großemittenten wie Deutschland ihre Emissionen von 2021 bis 2030 um die Hälfte zu senken haben. Dabei gelten jährliche Zwischenziele, die wie ein CO2-Budget wirken.

Gelingt es einem EU-Staat am Ende nicht, die CO2-Emissionen entsprechend zu senken, muss er fehlende Emissionsberechtigungen am Markt zukaufen, sofern verfügbar. Alternativ können Strafzahlungen verhängt werden.

Bei der Lastenteilung zeichnen sowohl der vom Umweltbundesamt vorgelegte Projektionsbericht 2023 als auch die Stellungnahme des Klima-Expertenrats ein ziemliches Schreckensszenario.

Ein CO2-Preis allein baut keine Schienen

So wird Deutschland laut UBA sein ESR-Budget bis 2030 um mindestens 152 Millionen Tonnen CO2 überziehen – selbst dann, wenn die Bundesregierung alle bis Oktober 2022 beschlossenen und geplanten Klimamaßnahmen umsetzt. Auf dem Stand der Klimapolitik im Herbst letzten Jahres baut der Projektionsbericht auf und kalkuliert so beispielsweise mit einem noch nicht verwässerten Heizungsgesetz.

Schätzungen, was Deutschland die vorausgesagten 152 Millionen Tonnen ESR-Überziehung kosten, reichen sehr deutlich in die Milliarden. So veranschlagt das Politikportal Euractiv Summen, die von 7,5 Milliarden Euro bis weit in den zweistelligen Milliardenbereich gehen, vom Schaden für das Klima mal ganz abgesehen.

Da lohnt es sich quasi doppelt, nachzudenken, ob und wie sich die Emissionen in Verkehr und Gebäuden stärker senken lassen. Um die Klimaziele einzuhalten, forderte neben anderen auch UBA-Präsident Dirk Messner anlässlich des Projektionsberichts "zusätzliche Maßnahmen".

In dem Bericht hat das Umweltbundesamt auch die Wirkung solcher "zusätzlichen Maßnahmen" abgeschätzt, darunter eine deutliche Erhöhung des nationalen CO2-Preises für die in Verkehr und Gebäuden eingesetzten Kraft- und Brennstoffe.

Die Ampel-Regierung fährt hier einen Zickzackkurs. Ursprünglich waren für 2024 schon 45 Euro je ausgestoßener Tonne CO2 vorgesehen. Das wurde wegen der Energiekrise ausgesetzt, jetzt geht es kommendes Jahr auf 40 Euro. Der aktuelle Aufschlag verteuert Benzin und Diesel um etwa drei Cent pro Liter. Das rettet die deutsche ESR-Bilanz wie auch die Klimaziele nicht mal ansatzweise.

Die Analysen möglicher "zusätzlicher Maßnahmen" im UBA-Bericht zeigen denn auch, dass es klimapolitisch inzwischen in Wahrheit um einen gewissen Preisschock geht.

So wird in einem Szenario des Berichts ein CO2-Preis von 200 Euro pro Tonne ab 2025 angenommen, in einem anderen sind es 255 Euro ab 2027.

In einem bereits im Juli veröffentlichten Faktenpapier schlägt das UBA zudem vor, den CO2-Preis schon im kommenden Jahr auf 90 Euro und dann 2026 auf 110 bis 130 Euro zu erhöhen. Damit solle ein "böses Erwachen" spätestens 2027 verhindert werden, ist dort zu lesen.

Die Szenarien zeigen bezüglich der Emissionsminderung aber auch: Selbst CO2-Preise jenseits der 200 Euro reichen nicht, um gerade dem Verkehrssektor seinen klimapolitischen Schrecken zu nehmen. Damit ein hoher CO2-Preis wirken könne, brauche es auch gute Alternativen, wird dazu in Fachkreisen erläutert. Ein CO2-Preis allein baue schließlich keine Schienen und verbessere auch nicht das Angebot im öffentlichen Verkehr.

"Alles mit sozialer Flankierung konzipieren"

Der Expertenrat für Klimafragen hält sich, was hohe CO2-Preise angeht, eher bedeckt. Das Gremium schlägt vor, für die deutschen ESR-Emissionen eine "möglichst frühzeitige Durchsetzung der festen Obergrenze" festzulegen. Bisher gilt so eine Obergrenze, ein sogenannter Cap, nur EU-weit.

Eine nationale ESR-Obergrenze würde die politische Aufmerksamkeit viel stärker auf das Problem lenken, ist sich Brigitte Knopf sicher. Die Generalsekretärin der Klima-Denkfabrik MCC ist auch Vizevorsitzende des Klimaexpertenrats. Knopf zufolge besteht teilweise die irrige Annahme, die für 2027 geplante Integration des nationalen Emissionshandels in einen EU-weiten würde Deutschland seiner Pflichten entheben, die ESR-Emissionen zu senken. Das sei nicht der Fall, betont die Klimawissenschaftlerin.

Die nationale Obergrenze bei der ESR sollte auch möglichst schnell eingerichtet werden, fordert Knopf. Die Emissionsminderungen auf später zu verschieben, berge nicht nur die Gefahr, die Klimaziele zu verfehlen, es müssten dann auch sehr viele CO2-Emissionen sehr schnell reduziert werden, warnt sie.

Knopf setzt dabei nicht nur auf Preise und Caps. Es gebe noch sehr viel unausgeschöpftes Einsparpotenzial bei Maßnahmen, die "gleichzeitig wirkungsvoll und nicht radikal sind". Dazu zählt die Klimaexpertin den Abbau klimaschädlicher Subventionen.

Im Verkehr könne man über ein Tempolimit oder eine City-Maut nachdenken, ergänzt Knopf. "Alles sollte aber mit sozialer Flankierung konzipiert werden", betont sie.

Für eine starke soziale Komponente in der Klimapolitik in Gestalt einer Klimaprämie sowie von Förderprogrammen für besonders betroffene Haushalte setzt sich auch das Umweltbundesamt ein. Das sei sogar die Voraussetzung für die klimapolitisch notwendigen höheren CO2-Preise, heißt es beim UBA.

Ein Blick in den politischen Kalender der Ampel zeigt allerdings: Das im Koalitionsvertrag versprochene Klimageld soll es nicht vor 2025 geben. Das wird dann vermutlich eher eine Wohlfühl-Maßnahme für die im Herbst anstehende Bundestagswahl.

Gleichzeitig schockartige Sprünge beim CO2-Preis zu wagen oder anzukündigen, das ist doch eher ein Schreckensszenario für jede auf Wiederwahl hoffende Regierung.