Landstraße mit Abzweigung, ohne Radweg.
Ob in der Schweiz oder hier im Chiemgau: Auf dem Land sind viele auf bezahlbares Autofahren angewiesen. Da reicht es nicht, den CO2-Preis zu erhöhen. (Foto: Manfred Zimmer/​Pixabay)

In der Schweiz ereignete sich am letzten Sonntag ein klimapolitisches Erdbeben. Die Wählerinnen und Wähler haben das neue CO2-Gesetz abgelehnt.

Mit diesem wollte die Schweizer Regierung die Kohlendioxid-Emissionen bis 2030 im Vergleich zum Jahr 1990 halbieren. Dabei sollten drei Viertel der Reduktion im Inland erfolgen, maximal ein Viertel sollte durch Klimaschutzmaßnahmen im Ausland kompensiert werden.

Das Gesetz sah die Einführung eines CO2-Preises von maximal 210 Franken (190 Euro) pro Tonne CO2 auf Heizöl und Erdgas sowie eine Abgabe auf Flugtickets vor.

Zudem hätten die Importeure von Benzin und Diesel einen Teil der Emissionen aus deren Verbrennung kompensieren müssen. Dafür hätten sie einen Zuschlag zum Benzinpreis von maximal zwölf Rappen (elf Cent) pro Liter verlangen können.

Das Gesetz wurde von einer breiten Parteienallianz sowie von Wirtschafts- und Umweltverbänden unterstützt. Letztlich trug es aber die Handschrift der liberalkonservativen Partei FDP, indem es stark auf Marktmechanismen setzte.

Öllobby rückte soziale Folgen ins Zentrum

Gegen dieses Gesetz hatte die rechtspopulistische Partei SVP zusammen mit der Schweizer Erdöl-Vereinigung Avenergy Suisse das Referendum ergriffen, sodass eine Abstimmung erforderlich wurde. Zu den Mitgliedern von Avenergy gehören auch die Staatsfirmen Socar aus Aserbaidschan und Tamoil aus Libyen sowie die Schweizer Zweige von Shell, BP, Total und Eni.

Im Abstimmungskampf argumentierten die Gegner des Gesetzes immer wieder mit falschen oder irreführenden Zahlen und Grafiken. Am Ende wurde das Gesetz mit knapp 52 Prozent abgelehnt.

Betrachtet man die einzelnen Kantone, war die Ablehnung noch deutlicher. Nur Basel, Zürich, Genf, Neuenburg und das Waadtland haben das Gesetz angenommen – die 21 anderen Kantone waren dagegen.

Die Gegner des Gesetzes haben eine sehr emotionale Kampagne geführt mit Slogans wie "Fliegen nur für die Reichen?" Damit ist es ihnen gelungen, die sozialen Folgen in den Vordergrund zu rücken.

Dass zwei Drittel der Einnahmen aus der CO2-Abgabe und mehr als die Hälfte der Einnahmen aus der Abgabe auf Flugtickets nach einem bereits etablierten Pro-Kopf-Ansatz an die Bevölkerung zurückerstattet werden sollten, ging dabei in der Wahrnehmung der Öffentlichkeit unter.

Die Gegner des Gesetzes haben es auch geschafft, die Landbevölkerung gegen die Städter zu mobilisieren. Hier dürfte mit ein Grund gewesen sein, dass parallel zwei weitere Abstimmungen stattfanden: zur "Trinkwasserinitiative" und zur "Pestizidinitiative". Beide Initiativen hatten zum Ziel, den Einsatz von Pestiziden in der Landwirtschaft zu reduzieren, und wurden vom Bauernverband heftig bekämpft.

Warnsignal auch für nächste Bundesregierung

Für die Ablehnung des Gesetzes werden verschiedene Gründe genannt. Das Gesetz wurde zwar von vielen Parteien unterstützt, aber mit wenig Begeisterung. Den eher konservativen Parteien ging es zu weit und dem linken und grünen Lager nicht weit genug.

Kritisiert wurde auch die Kampagne der Unterstützer. Diese war anfangs davon ausgegangen, das Gesetz sei ein Selbstläufer, und wurde vom Erfolg der Gegenkampagne überrascht.

Manche Beobachter halten das gescheiterte CO2-Gesetz auch für überfrachtet, weil in einem einzigen Gesetz die Emissionen aus den Sektoren Energie, Industrie, Gebäude und Verkehr geregelt werden sollten.

Ebenfalls kritisiert wurde, dass nur ein Teil der Einnahmen aus den Lenkungsabgaben nach einem Pro-Kopf-Ansatz an die Bevölkerung zurückverteilt werden sollte.

 

Nach der Gelbwestenbewegung in Frankreich ist die Abstimmung in der Schweiz ein weiteres Warnsignal. Auch in Ländern, in denen Klimaschutz eigentlich populär ist, müssen Klimaschutzmaßnahmen als ausgewogen und gerecht wahrgenommen und gut kommuniziert werden.

Sowohl in Frankreich als auch in der Schweiz kam gerade die Landbevölkerung zu dem Schluss, ihre Interessen würden zu wenig berücksichtigt.

Deutlich zeigte sich der Gegensatz zwischen Stadt und Land auch bei der US-Präsidentenwahl letztes Jahr: Joe Biden gewann die Städte mit großem Vorsprung, Donald Trump die eher ländlichen Gebiete.

Die nächste Bundesregierung sollte diesen Gegensatz daher im Auge behalten – nicht nur in der Klimapolitik.

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