Alexander Bonde steht vor einer Tafel mit der Aufschrift:
Digitalisierung braucht Nachhaltigkeits-Regeln, sagt Alexander Bonde von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt. (Foto: DBU)

Klimareporter°: Herr Bonde, Ihre Stiftung unterstützt ein Projekt, bei dem Schüler lernen, kleinere Reparaturen an ihrem Smartphone oder Laptop selbst zu erledigen. Das Ziel ist ...

Alexander Bonde: ... dass junge Leute wieder das handwerkliche Rüstzeug bekommen, um Dinge des täglichen Gebrauchs zu reparieren. Viele dieser Geräte haben heute nur eine kurze Nutzungsdauer. Das verschwendet enorme Mengen an Ressourcen.

Handys zum Beispiel werden meist schon nach einem Jahr ersetzt, weil der Akku schlappmacht oder die Software veraltet ist. Dieser Zeitraum ließe sich deutlich verlängern.

Wie alt ist denn das Smartphone, das Sie selbst benutzen?

Fast drei Jahre. Funktioniert noch tadellos.

Oft werden die Geräte doch gewechselt, weil es neue Modelle gibt, die noch attraktiver erscheinen.

Richtig, aber meist ist der Unterschied so groß nun doch nicht. Wir vermitteln den jungen Leuten deshalb nicht nur Fertigkeiten beim Reparieren, sondern auch ein Grundwissen über den Ressourcenverbrauch.

Man muss wissen: Die Welt lebt ja bereits von der Substanz. Wir verbrauchen mehr Rohstoffe, als der Globus nachhaltig liefern kann. Der "Earth Overshoot Day" rückt jedes Jahr etwas nach vorne. Inzwischen sind die nachhaltig verfügbaren Jahresressourcen in Deutschland schon Anfang Mai verbraucht.

Zur Person

Alexander Bonde ist Generalsekretär der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) in Osnabrück. Der gebürtige Freiburger war bis 2016 Minister für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz in Baden-Württemberg. Davor war Bonde bis 2011 Bundestagsabgeordneter für die Grünen.

Wir haben deswegen Projekte wie das mit den Jugendlichen gefördert, aber auch andere zu Repair-Cafés oder zu neuen Geschäftsmodellen für Unternehmen, bei denen die Produkte nicht mehr gekauft, sondern nur geleast und dann an den Hersteller zurückgegeben werden.

Die "Sharing"-Idee, in der Wirtschaft breit umgesetzt, würde die Ressourcenlage enorm entspannen. Außerdem: Die jungen Leute aus den Reparatur-Kursen werden vielleicht die Ingenieurinnen und Ingenieure von morgen, die an der Lösung der ökologischen Probleme arbeiten.

Zum Beispiel Handys und Tablets designen, deren Akku man selbst wechseln kann. Viele kaufen sich heute ein neues Gerät nur, weil die Batterie schlappmacht und der Akku-Umbau so teuer ist ...

Eine völlig unnötige Elektroschrott-Quelle. Ich wünsche mir hier die nächste Initiative der EU, so wie sie den Stecker-Wirrwarr bei den Netzteilen für die Kleingeräte beendet hat. Das sind kleine Veränderungen mit großer Wirkung.

Wir haben deswegen auch den Erfinder des "Fairphone", Bas van Abel, mit unserem Deutschen Umweltpreis ausgezeichnet, weil das Fairphone ein Musterbeispiel für nachhaltige Produktion von Elektrogeräten mit fair produzierten Rohstoffen ist. Beim Fairphone können sie den Akku und andere Komponenten selbst austauschen.

Handys waren vor 30 Jahren eine Rarität, heute hat jeder eins – und zwar vernetzt per mobilem Internet. Die Digitalisierung schreitet rasant voran, erfasst immer mehr Bereiche und wirkt als Umweltkiller. Ist sie überhaupt noch steuerbar?

Es steckt eine riesige Chance in der Digitalisierung, aber es gibt auch ökologische Risiken. Technisch ist dadurch im Umweltschutz vieles möglich, wovon man früher nur geträumt hat. Wir können zum Beispiel Energieströme dadurch heute ganz anders steuern. Oder eine echte Kreislaufwirtschaft gestalten, bei der gebrauchte Materialien weitgehend wiederverwendet werden und kein Müll mehr anfällt.

Gleichzeitig müssen wir der Digitalisierung aber einen Rahmen geben, damit sie die Umwelt- und Klimaprobleme nicht noch potenziert. Die Rechenzentren, über die das Internet weltweit läuft, erzeugen inzwischen so viele Emissionen wie der internationale Flugverkehr und selbst ein Nischenprodukt wie die Digitalwährung Bitcoin so viel Energie wie Dänemark. Deswegen beschäftigen wir uns als Stiftung verstärkt mit diesen Fragen.

Sollte man Bitcoin und Co nicht einfach verbieten?

Eine Regulierung ist nötig. Es ist doch frappierend: Eine Bitcoin-Transaktion hat einen 150.000-mal so hohen Stromverbrauch wie eine Kreditkarten-Nutzung – und das bei einer Anwendung, die kaum einen Beitrag zur Lösung unserer heutigen Probleme liefert.

Generell gilt aber: Der Verbrauch fossiler Energien muss einen angemessenen Preis bekommen, der sich am CO2-Ausstoß orientiert. Das ist der Schlüssel, um einerseits Auswüchse zu stoppen und die ja längst vorhandenen klimafreundlichen Innovationen schnell in den Markt zu bekommen. Das Klimaproblem ist so drängend, dass wir nicht so lange warten dürfen, bis die CO2-Bepreisung irgendwann einmal weltweit eingeführt wird. Da ist die Politik auch in Deutschland gefragt, voranzugehen.

In der großen Koalition ist das Thema aber sehr umstritten.

Kanzlerin Merkel schließt eine CO2-Bepreisung in den nicht vom Emissionshandel erfassten Bereichen für die Zukunft nicht mehr aus, das betrifft Gebäude und Verkehr. Ich hoffe, dass die Bundesregierung da nun auch tatsächlich springt. Nicht nur die Ökonomen raten dazu, sondern auch die Praktiker aus der Wirtschaft, die die klimafreundlichen Lösungen in den Markt bringen wollen.

Deutsche Bundesstiftung Umwelt

Die gemeinnützige und unabhängige DBU ist eine der größten Stiftungen Europas. Gegründet 1990, hat sie bisher rund 9.700 Projekte mit fast 1,8 Milliarden Euro unterstützt. Dabei geht es unter anderem um Erforschung, Entwicklung und Nutzung umweltentlastender innovativer Technologien und Produkte mit Modellcharakter.

Einmal jährlich vergibt die Stiftung den renommierten Deutschen Umweltpreis, unter anderem an Wissenschaftler, Entwickler und Unternehmer. Das Gründungskapital der Stiftung von heute gut 2,2 Milliarden Euro stammt aus dem Verkauf des früher bundeseigenen Stahlproduzenten Salzgitter-Werke.

Wir brauchen einen CO2-Preis, weil wir sein Fehlen als Innovationshemmnis erleben und zurzeit bei den jungen Ingenieurinnen und Ingenieuren nicht das Potenzial abgerufen wird, das eigentlich vorhanden ist. Wir müssen diese Innovationsbremse lösen und die Marktöffnung schaffen. Nur so können Unternehmen die Chance nutzen, gutes Geld zu verdienen, wenn sie neue, klimafreundliche Technik entwickeln und verkaufen.

Der CO2-Preis muss aber auch spürbar sein, wenn er als Steuerungsinstrument europaweit taugen soll und wir hier endlich vorankommen wollen. Vor allem: Das so erwirtschaftete Geld darf nicht als zusätzliche allgemeine Einnahmequelle für den Bundeshaushalt zweckentfremdet werden. Es muss an die Bürger zurückfließen und eine soziale Abfederung sicherstellen.

Sie sagen: Die Digitalisierung bietet enorme Chancen zur Umweltentlastung. Wo liegen denn die größten Potenziale?

Zum Beispiel in Sharing-Modellen, der Kreislaufwirtschaft, neuen Geschäftsmodellen in der Mobilität oder in der Steuerung von Produktionsprozessen. Wir haben gerade ein Projekt mit einer Brauerei abgeschlossen, das enorme Einsparungen beim Energie- und Prozesswasser-Verbrauch bringt. Ich sage aus eigener Erfahrung: Das Bier schmeckt genauso gut wie vorher.

Ein anders Feld sind die erneuerbaren Energien. Die Digitalisierung erlaubt es, kleine und mittlere Erzeuger und Abnehmer zu virtuellen Kraftwerken zusammenzuschließen, die verlässlich Strom liefern, aber auch, den Verbrauch so zu steuern, dass er besser an das schwankende Angebot beim Ökostrom angepasst ist und die teuren Stromspitzen wegfallen.

Haben Sie ein digitales Lieblingsprojekt?

Ja, Pflanzenschutz auf den Äckern mit Laserstrahlen statt mit Chemie. Wir unterstützen das Laserzentrum Hannover beim Bau eines Demonstrators, der Nutzpflanzen und ungewünschte Pflanzen unterscheiden kann und letztere dann per Laserstrahl beseitigt.

Das kann die Umweltschäden durch die chemischen Pestizide auf null bringen. Möglich wird das durch die Digitalisierung und enorm verbesserte Sensortechnik. Genau nach solchen Projekten suchen wir – und helfen sie zu realisieren. So etwas fasziniert mich.

Die Digitalisierung birgt auch Risiken. Beispiel Verkehr: Das Fraunhofer-Institut ISI in Karlsruhe sagt voraus, dass das künftige volldigitalisierte, selbstfahrende Auto sogar mehr Verkehr erzeugen wird und Verkehrsanteile von Bussen und Bahnen abziehen kann.

Das Problem gibt es in vielen Bereichen. Das ist der sogenannte Rebound-Effekt: Etwas wird effizienter, dann wird es vermehrt genutzt – und der Umwelt-Vorteil ist perdu. Das liegt aber nicht an der Digitalisierung! Der Verkehr ist bisher das große Sorgenkind der Umwelt- und Klimapolitik. Ökologische Gewinne durch Effizienz sind bisher immer durch schwerere, größere Autos und längere gefahrene Strecken aufgezehrt worden.

Umso mehr kommt es darauf an, diese Entwicklung gut zu steuern. Dann können das selbstfahrende Auto und modernes Carsharing den Verkehrssektor zusammen mit intelligenten Konzepten für den ÖPNV sowie mehr Fahrrad- und Fußverkehr klimafreundlich und sicher machen.

Lesen Sie morgen Teil 2: "Das Klimaproblem zu lösen ist kein Hexenwerk"