Mit 3D-Druckern lässt sich fast alles drucken und so Material, Energie und Treibhausgas einsparen. Jedenfalls theoretisch. (Foto: Christian Reil/​Pixabay)

Es ist ein alter Menschheitstraum: eine neue Technik zu erfinden, die quasi im Handumdrehen die Lösung bringt für viele Probleme, die der Mensch sich selbst geschaffen hat.

Etwa für den gewaltigen Ressourcenverbrauch, mit dem die Welt Jahr für Jahr mehr übernutzt wird.

Oder für die zunehmende Vermüllung von Umwelt und Ozeanen mit Plastikabfall, der nach einer neuen Studie unter dem Einfluss von Sonnenlicht sogar das Klimagas Methan freisetzt.

Für den steigenden Ausstoß von CO2 und anderen Schadstoffen, die mit dem weltweit wachsenden Warenverkehr einhergehen. Genauso wie mit der steigenden globalen Fleischproduktion, die zudem riesige Mengen an Land, Wasser und Energie verschlingt.

Im Prinzip ist der Traum wahr geworden. Es gibt diese Wundertechnik tatsächlich. Mit dem 3D-Druck existiert ein Verfahren, mit dem die genannten Probleme gelöst werden könnten – zumindest potenziell.

Beispiel Ressourcenverbrauch: Anders als bei herkömmlichen Herstellungsweisen fällt beim 3D-Druck praktisch kein Abfall an. Die bisherigen Verfahren sind sozusagen auf den Kopf gestellt. Anstatt Material abzutragen oder zunächst mit großem Aufwand eine Form herzustellen, in der das entworfene Teil durch Gießen entsteht, werden Produkte und Bauteile additiv gefertigt, also Schicht für Schicht aufgebaut. Abfall entsteht zunächst nur bei Fehldrucken.

Beispiel Plastikmüll: Gesammelte Kunststoffabfälle können zerkleinert und zu neuem 3D-Druckmaterial verarbeitet werden. Erste Schritte in diese Richtung gibt es schon, etwa das kanadische Start-up Plastic Bank, das in Entwicklungsländern Altplastik recycelt und als "Social Plastic" weiterverkauft. Die Sammler erhalten für ihr Plastik Geld, Dienstleistungen oder Güter.

Beispiel Warenverkehr: Weil mit 3D-Druckgeräten Waren genau dort hergestellt werden können, wo man sie braucht, müssen weniger Waren um den Globus transportiert werden. Der Ausstoß von Treibhausgasen, der in diesem Sektor bislang ungebremst ansteigt, könnte so erheblich gesenkt werden.

Beispiel Fleisch: 3D-Druck ist auch mit Biomaterial möglich. Aus tierischen Gewebezellen kann so künstliches Fleisch hergestellt werden. Vor fünf Jahren gelang es der Universität Maastricht erstmals, ein verzehrfähiges Stück Fleisch auszudrucken.

Auch hier gibt es inzwischen verschiedene Start-ups, die das "Cultured Meat" zu vermarkten versuchen. Dasselbe gilt für veganes Fleisch; das Druckmaterial ist hier ein pflanzlicher Proteinbrei, aus dem etwa Burger gedruckt werden.

Würde das künstliche Fleisch das echte Fleisch ersetzen, wären die Einspareffekte enorm. Bei der Produktion ist nur halb so viel Energie erforderlich, der Landverbrauch ist um 99 Prozent geringer, der Wasserverbrauch um 96 Prozent. Und die Emission von Treibhausgasen ginge um bis zu 96 Prozent zurück.

Hoher Energiebedarf, geringe Nachfrage

Doch es gibt einen Haken, oder genauer zwei. Zum einen ist der Energiebedarf aller 3D-Druckgeräte sehr hoch. Vor allem wenn der Strom aus Kohlekraftwerken kommt, ist für die Umwelt wenig gewonnen.

Der zweite Punkt ist noch gravierender: Die Möglichkeiten der neuen Technik sind zwar regelrecht traumhaft. Doch dass sie die reale Welt kurz- oder mittelfristig grundlegend verändern und die globale Umweltbilanz deutlich verbessern werden, zeichnet sich bislang nicht ab.

Darauf hat nun das Umweltbundesamt (UBA) in einem ersten großen Trendbericht zur Abschätzung der Umweltwirkungen des 3D-Drucks hingewiesen. Entscheidend ist hier nämlich die Marktentwicklung, die man – auch mehr als 30 Jahre nach Erfindung der Technik – bestenfalls als mau bezeichnen kann. "Auch in absehbarer Zeit wird der 3D-Druck nur einen äußerst kleinen Anteil am weltweiten Maschinenpark umfassen", heißt es in dem Bericht.

Vor allem im industriellen Bereich fristet die Wundertechnik nach wie vor ein Schattendasein. Von den rund 150.000 Geräten, die laut UBA-Bericht im Jahr 2014 weltweit verkauft wurden, waren nur knapp zehn Prozent Geräte zur industriellen Anwendung. Der große Rest waren sogenannte Desktop-Geräte, die relativ preiswert sind und vor allem in kleinen Unternehmen oder von Privatpersonen genutzt werden.

Wie gering die Zahl der verkauften 3D-Drucker zur industriellen Anwendung ist, zeigt der Vergleich mit Industrie-Spritzgießmaschinen. Deren Verfahren ähnelt dem des 3D-Drucks. Während dort im Jahr 2016 mehr als 100.000 Einheiten verkauft wurden, waren es bei Industrie-3D-Druckern lediglich rund 15.000.

"Man kann nicht feststellen, dass der Spritzguss vom 3D-Druck verdrängt würde", heißt es im UBA-Bericht. Stattdessen wird allein beim Kunststoff-Spritzguss von Wachstumsraten von jährlich fünf Prozent ausgegangen.

"Auch in einigen Jahrzehnten wird es noch traditionelle Verfahren geben", sagt denn auch Frank Brückner vom Zentrum Additive Fertigung des Fraunhofer-Instituts für Werkstoff- und Strahltechnik (IWS) in Dresden gegenüber Klimareporter°. Das IWS ist das größte Zentrum für angewandte Forschung in diesem Bereich in Europa.

"Die additive Fertigung ist eine Ergänzung, eine Erweiterung", sagt Brückner. Eine zusätzliche Möglichkeit, aber kein Ersatz. Große Einsparungen von Material, Energie und Emissionen sind so nicht zu erzielen.

Und es gibt noch eine schlechte Nachricht: Mit den vielen verkauften Desktop-Geräten holen sich die Anwender auch ein Umweltproblem ins Haus. Die Drucker für den Hausgebrauch stoßen nämlich Schadstoffe wie Stäube, Rauchgase und Dämpfe aus, die gesundheitsschädlich sind. Hier sieht das UBA umweltpolitischen Handlungsbedarf.

Konsummuster werden verändert

Auch indirekte Effekte versucht das UBA abzuschätzen. Der Bericht sieht hier ebenso Chancen wie Risiken. Durch 3D-Druck könnten zum Beispiel "Konsummuster verändert oder gesellschaftliche Diskurse geprägt werden, in deren Folge dann erst Wirkungen auf die Umwelt entstehen", heißt es in dem Papier.

Neue Märkte und Geschäftsmodelle werden möglich – für lokal angepasste, nachhaltige Lösungen, aber auch für Modetrends, Fun-Artikel oder sogar für Waffen. Eine Herausforderung sieht das UBA in sogenannten Rebound-Effekten (siehe Kasten). Eine weitere Naturentfremdung vor allem bei Lebensmitteln sei ebenso möglich wie eine wachsende Verantwortung für die selbst hergestellten Produkte.

Auch wenn vieles davon Spekulation ist, eines ist sicher: Durch die Demokratisierung von Gestaltung und Herstellung beim 3D-Druck müssen sich Verbraucherinformationen und Siegel grundlegend ändern. Sicherheits- und Umweltstandards sowie Haftungsfragen sind dann ganz neu zu betrachten.

Um den 3D-Druck nachhaltig zu gestalten, fordern die UBA-Autoren nun von der Politik "Initiativen in die Gesellschaft hinein". Dabei reiche die klassische Umweltpolitik nicht mehr aus. Im Sinne einer "transformativen Umweltpolitik" müsse es vor allem über die mittel- ­und langfristigen Auswirkungen des 3D-Drucks eine gesellschaftliche Debatte geben.

 

Rebound-Effekt

Rebound (englisch: zurückprallen) bezeichnet in der Energieökonomie das unerwünschte Phänomen, dass Energieeinsparungen durch Effizienzsteigerung nicht wie erwartet eintreten: Die geplante Einsparung wird nur zum Teil oder gar nicht wirksam. Es kann sogar zu einem Mehrverbrauch kommen. Der Effekt wurde schon 1865 bei der Einführung der Dampfmaschine entdeckt, wird aber erst seit etwa 1980 wissenschaftlich untersucht.

Rebound kann verschiedene Ursachen haben. Am anschaulichsten ist der direkte Rebound-Effekt – ein unmittelbar verändertes Nutzerverhalten: Wenn durch eine Effizienzsteigerung die Kosten für die Anschaffung und Nutzung eines Produkts oder einer Dienstleistung sinken, reagieren die Nutzer mit einer stärkeren Nachfrage.

Beispiel: Weil eine Energiesparlampe weniger Energie als eine herkömmliche Glühbirne verbraucht, lasse ich sie länger brennen oder nehme zusätzliche Leuchten in Betrieb.

Daneben gibt es indirekte Rebound-Effekte, und das gleich auf mehreren Ebenen. Zum Beispiel wird das eingesparte Geld für etwas anderes ausgegeben, das wiederum Energie verbraucht.

Beispiel: Ich habe mein Auto abgeschafft und bin auf Fahrrad, Bus, Bahn und Carsharing umgestiegen. Am Jahresende habe ich ein deutliches Plus in der Haushaltskasse und kann mir eine zusätzliche Winter-Kurzreise mit dem Billigflieger leisten

In Studien wurde sogar ein psychologischer Rebound-Effekt beobachtet: Wer erfolgreich in Energiesparmaßnahmen investiert hat, fühlt sich moralisch auf der richtigen Seite und hält es für gerechtfertigt, an anderer Stelle öfter "unökologisch" zu konsumieren.

Beispiel: Ich habe viel Geld für ein Nullenergiehaus ausgegeben und habe nun einen minimalen häuslichen Energieverbrauch – und keine Gewissensbisse mehr, mir ein repräsentatives, spritfressendes Auto zuzulegen.

Schließlich kommen noch längerfristige gesamtwirtschaftliche Rebound-Effekte hinzu: Wenn neue, energieeffiziente Produkte für viele Menschen Alltag geworden sind, ändern sich die Nachfragemuster und führen zu Anpassungen und Umstellungen in der Produktion, bei der Verteilung, dem Unterhalt und der Entsorgung. Das Ergebnis sind oft neue Produkte und Dienstleistungen und damit ein zusätzlicher Energieverbrauch an anderer Stelle. Mehr Effizienz sorgt so immer auch für mehr Wirtschaftswachstum.

Das Ausmaß der Rebound-Effekte ist unter den Experten stark umstritten. Studien berücksichtigen meist nicht alle Rebound-Formen und kommen auch bei gleicher Fragestellung zu unterschiedlichen Ergebnissen. Nach optimistischen Schätzungen werden Effizienzmaßnahmen zu rund 25 Prozent durch Rebound-Effekte wieder aufgefressen. Eine Studie und ein Praxishandbuch des Umweltbundesamtes untersuchten den Umfang von Rebound-Effekten und ihre Bedeutung für die Umweltpolitik sowie mögliche Gegenmaßnahmen.

Kritische Wissenschaftler nehmen dagegen als Faustregel 50 Prozent Verlust durch Rebound-Effekte an. Sie fordern zusätzlich zur Effizienzpolitik eine Suffizienzpolitik. Aber selbst die "Optimisten", die in den Rebound-Effekten auch positive Wirkungen wie einen höheren Lebensstandard in Entwicklungsländern erkennen, plädieren für flankierende Suffizienzmaßnahmen.

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