Zahlenreihen beim Computer
Digitales "Schürfen" braucht sehr viel Energie: Für eine einzige Bitcoin-Transaktion sind 225 Kilowattstunden Strom nötig. (Foto: Jae Rue/​Pixabay)

Der neueste Skandal kann das Image des Bitcoin kaum noch ruinieren. Denn es ist längst im Keller – seitdem der Wert der Kryptowährung von dem Spitzenwert von mehr als 20.000 US-Dollar, den sie Ende 2017 erreichte, auf inzwischen unter 3.000 Dollar abgestürzt ist. Viele Anleger haben dabei eine Menge Geld verloren.

Auch der immense Energieverbrauch der dahinterstehenden Blockchain-Technologie schürt Zweifel an der Sinnhaftigkeit des Sektors. Ebenso wie die großen Mengen Elektroschrott, die durch nun nicht mehr benutzte Rechner entstehen.

Trotzdem ist die aktuelle Geschichte irre: Die größte kanadische Handelsbörse für Bitcoin und andere Digitalwährungen, Quadriga CX, kommt nach eigenen Angaben nicht mehr an Kundeneinlagen in Höhe von 145 Millionen US-Dollar heran, weil ihr Gründer gestorben ist und niemand sonst das Passwort für diesen Bereich kennt. Es sollen 115.000 Anleger betroffen sein.

Der Chef von Quadriga CX, Gerald Cotten, starb überraschend mit nur 30 Jahren während eines Aufenthalts in Indien, wird berichtet. Auf der Homepage informiert der Aufsichtsrat der Börse über einen Antrag auf Gläubigerschutz, den Cottens Witwe Jennifer Robertson gestellt hat, ansonsten ist sie offline.

Zweifel an der Version des Unternehmens

Das Geld der Anleger war den Angaben zufolge in einer "Cold Wallet" (kalte Brieftasche) gesichert, die nur mit einem speziellen, verschlüsselten Passwort geöffnet werden kann – und dieses Geheimnis hat Cotten nun angeblich mit ins Grab genommen.

So lautete jedenfalls Robertsons Zeugenaussage vor einem Gericht in Kanada. Die "Private Keys" zu dem virtuellen Geldspeicher seien verloren gegangen. Experten hätten versucht, sich Zugang zu Computern und Handy des Firmengründers zu verschaffen – doch erfolglos, was das Passwort angeht.

Bitcoin und Co

... werden nicht wie normales Geld von Notenbanken ausgegeben, sondern digital erschaffen, im Digi-Sprech "geschürft", und dann börsenähnlich gehandelt. Das Geld entsteht, in dem die "Schürfer" (miners) die Bitcoins über ein mathematisches Konstrukt generieren. Sie müssen dafür die gesamte Kette der bisherigen Transaktionen dokumentieren, wodurch der Aufwand mit jedem neu geschaffenen Bitcoin höher wird. Damit wird immer mehr Rechenleistung eingesetzt, die Anforderungen an die Hardware steigen – und auch der Stromverbrauch.

Das weltweite Bitcoin-Computernetzwerk verwaltet die Konstrukte in der sogenannten Blockchain. Bereits für eine einzige Bitcoin-Transaktion, von der täglich rund 300.000 stattfinden, sind nach Berechnungen des Digiconomist-Experten Alex de Vries 225 Kilowattstunden Strom nötig. Damit lässt sich ein Kühlschrank zwei Jahre lang betreiben.

Inzwischen mehren sich die Zweifel an diesen Angaben. Analysten der Szene wollen herausgefunden haben, dass es eine "Cold Wallet" für das gebunkerte Geld nie gegeben hat. Tatsächlich habe Quadriga CX auch den Zugang zu den Bitcoin-Beständen nie verloren.

Die Betreiber hätten Auszahlungen zuletzt immer nur aus dem Zufluss neuer Einzahlungen bedient. So entstand der Verdacht, Cottens Tod sei nur vorgetäuscht worden, der Mann habe sich mit dem Geld seiner Kunden abgesetzt. Seine Witwe hat zwar einen Totenschein vorgelegt, doch schon wurde spekuliert, die Urkunde sei gefälscht.

Ein weiterer Verdacht lautet: Weitere Personen bei Quadriga CX könnten den Wallet-Schlüssel kennen, dies aber verheimlichen und so Millionen für sich abgezweigt haben.

Ob der Fall nun aufgeklärt wird oder nicht, klar ist schon jetzt: Das Stück aus Kanada wird das Vertrauen in Internetwährungen wie Bitcoin, Litecoin oder Ether weiter schwinden lassen. Der Hype um das Kryptogeld hat wegen des starken Kursrutsches ja ohnehin stark nachgelassen – im vergangenen Monat ging es für den Bitcoin noch einmal um 500 US-Dollar bergab.

Für die Umwelt gut und schlecht

Entsprechend sanken auch die Handelsvolumina. Für die Umwelt ist das gut und schlecht. Denn einerseits sank der Energieverbrauch, der für das digitale "Schürfen" (Mining) der Kryptowährungen in großen Rechenzentren benötigt wird, die vor allem in China stehen.

Der Analysedienst Digiconimist schätzt, dass der jährliche Verbrauch von 73 auf 47 Milliarden Kilowattstunden gesunken ist. Das ist freilich immer noch eine Strommenge, mit der man rund 4,3 Millionen US-Haushalte versorgen kann, und so viel, wie ganz Singapur verbraucht.

Andererseits wird durch den Rückgang beim Handel auf einen Schlag ein großer Teil der Bitcoin-Rechner für die Betreiber unwirtschaftlich. Die Geräte werden ausgemustert und landen auf dem Elektroschrott.

Die Rechner einfach nur abzuschalten, bis die Nachfrage wieder anzieht, kommt für die Betreiber meist nicht infrage, erläutert der Berliner Energieexperte Fabian Reetz. Die übliche Lebensdauer der Geräte sei so kurz, dass bei einer Wiederaufnahme des Betriebs ohnehin wieder neue, schnellere "Miner-Generationen" verwendet würden.

Weiteres Problem: Für die Spezialcomputer gibt es weder andere Einsatzzwecke noch Gebrauchtmärkte. Quasi über Nacht entstehen so riesige Mengen Elektroschrott, und zwar vor allem in China. Dort findet wegen niedriger Strompreise nämlich ein Großteil des digitalen Schürfens statt – in der Südprovinz Sichuan, wo Wasserkraftwerke Elektrizität liefern, und nahe den Kohlekraftwerken in der Inneren Mongolei.

Bisher geht die Rechnerhochrüstung für die Kryptowährungen weiter. Vor allem chinesische Firmen stellen fast wöchentlich neue Modelle vor, die die komplexen Rechenaufgaben noch schneller als die Vorgängermodelle erledigen können.

Energieaufwand könnte theoretisch viel geringer sein

Wer von den Betreibern der Rechenzentren langfristig konkurrenzfähig bleiben will, muss seinen Computerpark also ständig erneuern. Die meisten der Spezialrechner werden daher kaum mehr als ein Jahr lang genutzt. Doch dass die Altrechner in China und anderen Mining-Ländern ordnungsgemäß verwertet werden, wird von Fachleuten infrage gestellt.

Bitcoin-Kritiker wie der Wirtschafts-Nobelpreisträger Joseph Stiglitz haben sogar ein Verbot der Kryptowährungen gefordert, als die Kursexplosion von 2017 eine wahre Goldgräberstimmung unter Anlegern auslöste. Der US-Amerikaner sagte zur Begründung, Bitcoin und Co hätten "keinerlei sinnvolle soziale Funktion".

Tatsächlich ist das Hauptproblem bei den derzeitigen Blockchain-Anwendungen, dass sie einen extrem aufwendigen Sicherheitsmechanismus verwenden, der "Proof of Work" (PoW) genannt wird. Hier gibt es längst weniger komplexe Alternativen wie "Proof of Stake", die ohne den bei PoW anfallenden Rechenaufwand auskommen, also deutlich energiesparender sind.

Eine Umstellung darauf bei Bitcoin und Co ist allerdings nur theoretisch denkbar – es gibt in dem hierarchielosen System ja niemanden, der es anordnen könnte. Und dass alle Miner dies freiwillig tun, ist höchst unwahrscheinlich. Sie haben schließlich Millionen in ihre Rechenzentren investiert.

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