Eine Person kauft mit dem Smartphone ein.
Smartphones veralten viel schneller als andere Produkte. Das ist Absicht, wird aber ökonomisch belohnt. (Foto: Hannes Edinger/​Pixabay)

Jede Sekunde sieben Stück. Im Jahr rund 210 Millionen. So viele Smartphones werden in der EU verkauft, in Deutschland allein 25 Millionen.

Gigantische Zahlen. Hersteller wie Apple, Samsung und Google bringen im Jahrestakt neue Modelle in den Markt, die zum Neukauf und Ausmustern des Altgeräts anreizen. Doch die Umwelt- und Klimafolgen dieser Ex-und-hopp-Strategie werden immer offensichtlicher.

Eine neue Initiative fordert nun eine Umkehr beim Produktdesign – ein "Zehn-Jahres-Smartphone". Kennzeichen: leicht zu reparieren, Akku selbst wechseln in fünf Sekunden, Software-Unterstützung für ein ganzes Jahrzehnt.

Hinter der grünen Smartphone-Kampagne steht ein Zusammenschluss von Verbraucherschützern, Umweltexpertinnen und Pro-Reparatur-Aktivisten aus 18 EU-Ländern, der sich Right to Repair Europe nennt. Die Recht-auf-Reparatur-Koalition prangert die Folgen des bisherigen Handy-Umgangs an. Für jedes Gerät entstehen danach bereits bei der Herstellung große CO2-Mengen.

Außerdem gingen durch den schnellen Austausch und geringe Recyclingraten viele wertvolle Rohstoffe verloren: "Wo landen die Altgeräte? Die Antwort ist: im Mülleimer." Vom Elektronikmüll würden generell nur 17 Prozent ordentlich recycelt. Die Aktivisten spitzen die Sache zu: "Einfach gesagt: Wir verschwenden Ressourcen und kochen uns selbst."

Bis Ende des Monats will die Kampagne "10 Year Smartphone" eine Petition an die EU-Kommission schicken, unterzeichnet von möglichst vielen Unterstützern. Damit will sie Einfluss auf die "Kreislauf-Elektronik-Initiative" der Kommission nehmen, die ein paar Wochen später vorgestellt werden soll.

Auch Brüssel hat erkannt, dass gerade der Elektroniksektor noch besonders weit von einer Kreislaufwirtschaft entfernt ist. Erst jüngst machten Pläne der Kommission Schlagzeilen, den Stecker-Wirrwarr bei den Netzteilen der tragbaren Geräte zu beenden – bereits das ein Aufreger, obwohl nur ein kleiner Aspekt des Gesamtproblems.

"Die EU muss das vorschreiben"

Tatsächlich bietet sich das Smartphone, das längst zum täglicher Begleiter für die große Mehrheit der Bürger geworden ist, idealtypisch an, um die negativen Folgen des Elektronik-Konsums zu verdeutlichen. Laut einer Bilanz des "Global E-Waste Monitor" produziert jeder Bundesbürger pro Jahr fast 20 Kilogramm Elektroschrott.

Zudem endlagern viele Zeitgenossen ihre mobilen Altgeräte irgendwo zu Hause, statt sie ordnungsgemäß zu entsorgen. Der Digitalwirtschaftsverband Bitkom schätzt, dass zum Beispiel hierzulande über 200 Millionen ausgediente Handys in Schubladen herumliegen. Nicht wenige Geräte dürften auch im Müll und damit in der Verbrennungsanlage gelandet sein.

Dabei gehen große Mengen Rohstoffe wie Kupfer, Nickel, Tantal, Seltenerdmetalle und sogar Silber und Gold verloren. Darunter sind sieben Materialien, deren Verfügbarkeit die EU-Kommission als "kritisch" ansieht, die also immer knapper werden. Dabei können nach Angaben von Experten schon heute rund 80 Prozent eines Handys wiederverwertet werden.

Wichtigster Hebel, um die Umwelt- und Klimabelastung durch Handys zu senken, ist die Verlängerung der Nutzungszeit. "Die Herstellung kostet ungleich mehr Energie als die Nutzung der Geräte", erläutert Elektronikexperte Jens Gröger vom Öko-Institut in Berlin.

Entsprechend gestaltet sich der Klima-Fußabdruck. Bei einem Smartphone inklusive Netzteil schlägt die Produktion laut einer Studie des Instituts mit im Schnitt rund 100 Kilogramm CO2 zu Buche, der Strom zum Aufladen hingegen nur mit etwa fünf Kilo. Wird das Gerät, wie heute üblich, nur rund zweieinhalb Jahre genutzt, fallen pro Jahr 45 Kilo CO2 an, bei fünf Jahren aber nur 25. Und auch der Rohstoff-Bedarf sinkt entsprechend.

Gröger kritisiert: "Die großen Hersteller konzipieren ihre Geräte als Wegwerfprodukt, um immer wieder neue Modelle verkaufen zu können. Das ist ihr Geschäftsmodell." Meist seien Reparaturen zu teuer, und selbst der Akkuwechsel könne nicht mehr selbst gemacht werden, so, wie das früher bei Handys noch ging. Hinzu komme, dass ältere Geräte ausgemustert werden müssen, weil aktuelle Apps nicht mehr darauf laufen.

Alternative Hersteller wie Fairphone und Shiftphone zeigen Gröger zufolge, dass es anders geht. Um wirklich Wirkung zu zeigen, komme es jedoch darauf an, dass auch Apple und Co ihre Ex-und-hopp-Produktphilosophie ändern – und das sei offenbar nur mit politischem Druck möglich. "Die EU muss Dinge wie Reparaturfreundlichkeit, leichten Akkuwechsel und längere Software-Unterstützung vorschreiben."

Wiederaufarbeitung rechnet sich

Freilich gibt es auch jetzt schon einige Ansätze, um den Smartphone-Kosmos umweltverträglicher zu machen. So haben sich eine ganze Reihe Dienstleister etabliert, die ausgemusterte Geräte wiederaufarbeiten. Sie machen die Smartphones, angeboten als "refurbished", "renewed" oder "generalüberholt", für Zweit- oder Drittnutzer attraktiv, die keine 500, 600 oder gar über 1.000 Euro für ein Handy ausgeben wollen, und verlängern so die Gesamt-Lebensdauer ganz beträchtlich.

Die Ressourceneinsparung dabei ist erheblich. Das gemeinnützige Dürener Unternehmen AfB social & green IT, das nicht nur Handys, sondern auch andere mobile Geräte und PCs wiederverwertet, hat das vom Klima-Dienstleister Myclimate berechnen lassen. Bei 472.000 bearbeiteten IT- und Mobilgeräten waren es 2020 rund 170.000 Kilowattstunden Energie, 24.700 Tonnen Rohstoffe und 300 Millionen Liter Wasser, die sonst bei der Produktion neuer Geräte verbraucht worden wären.

Das Reparieren unter anderem von Smartphones zu fördern, steht auch hinter einem Pilotversuch, den das Bundesland Thüringen gestartet hat. Hier kann jeder Haushalt seit Juni einen "Reparaturbonus" von bis zu 100 Euro pro Jahr beantragen. Der Zuschuss halbiert die Kosten für Reparaturen, die sonst vielleicht unterblieben wären.

Das Angebot wird gut angenommen, rund die Hälfte des Budgets von 150.000 Euro ist schon verteilt. In Österreich gibt es ein ähnliches Programm, das ebenfalls gut läuft. Ob das Thüringer Programm verlängert wird oder auf andere Bundesländer ausgeweitet werden kann, ist noch offen.

Einen anderen Ansatz, um die Wegwerf-Elektronik einzudämmen, hatte die Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) kürzlich ins Gespräch gebracht. In einer Umfrage für die Stiftung sprachen sich 87 Prozent dafür aus, Smartphones nur noch mit einem Pfand zu verkaufen.

Die DBU verbindet damit die Hoffnung, dass Altgeräte und die in ihnen verbauten Rohstoffe künftig nicht mehr in Schubladen endgelagert werden, sondern im Recycling landen. Dass die Bürger das Problem so klar erkannt hätten, sei doch ein "Weckruf an den Gesetzgeber", hier etwas zu tun, meinte DBU-Chef Alexander Bonde.

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