Tesla-Werk in Fremont (Kalifornien)
Brauchen viele Ressourcen und sehr viel Platz: Elektroautos, hier am Tesla-Werk im kalifornischen Fremont. (Foto: Screenshot/​Youtube/​Electrek)

Am 12. November 2019 verkündet Tesla-Chef Elon Musk, in Brandenburg seine vierte "Gigafactory" für Elektroautos bauen zu wollen. Von zunächst 3.000 Arbeitsplätzen ist die Rede und von einer halben Million Autos, die hier pro Jahr produziert werden sollen.

Geplant ist die Montage des Kompakt-SUV Model Y und des Model 3, mit dem der Durchbruch auf dem Massenmarkt gelingen soll. Schon im Juli 2021 soll es losgehen.

Der Bundeswirtschaftsminister ist begeistert und die neue Landesregierung aus SPD, CDU und Grünen bietet sofort günstige Konditionen: Tesla soll ein rund 300 Hektar großes Waldgebiet in Grünheide bei Berlin für knapp 41 Millionen Euro erhalten. Ein Kaufpreis von 13,50 Euro pro Quadratmeter, während im angrenzenden Gewerbegebiet Freienbrink der Richtwert bei 40 Euro liegt.

Die Linke in Brandenburg befürchtet, dass ein Pokerspiel stattfindet zwischen Tesla und der Landesregierung, bei dem am Ende die Menschen in Brandenburg verlieren könnten, und schlägt vor, die Flächen nicht zu verkaufen, sondern über Erbpacht zu reden.

Ohne Baugenehmigung wurden bereits die Kiefern gerodet – der Umweltverband Grüne Liga scheiterte mit einer Klage. Für Tesla werden zack, zack Tatsachen geschaffen – vielleicht auch ein Präzedenzfall. Spitzenpersonal der Grünen wirft sich genauso wie CDU-Wirtschaftsminister ins Zeug für diese "Zukunftsinvestition", die "von großer Bedeutung für mehr Klimaschutz" sei.

Mit Elon Musk ökologisch wirtschaften?

Es mutet absurd an, wenn "Gigafactorys" als Heilsbringer zur Versöhnung von Ökologie und Ökonomie gepriesen werden, obwohl die Wachstumsversprechen kapitalistischer Massenproduktion ihre Schattenseiten längst offenbaren.

Lassen wir außer Acht, dass Tesla-Chef Elon Musk eine Marktwirtschaft der speziellen Art praktiziert, die mit öffentlichen Förderungen und Vorauszahlungen der Kunden Profite generiert.

Lassen wir außer Acht, dass Tesla die weltgrößte Batteriefabrik in den Sand der Wüste Nevadas setzt und mehr Lithium-Ionen-Akkus produzieren will als alle anderen zusammen. Lassen wir außer Acht, dass die dort angepeilten Produktionszahlen 126.000 Tonnen Graphit brauchen – was die Nachfrage nach Graphit in batterietauglicher Qualität auf einen Schlag auf das Zweieinhalbfache steigen ließe.

Porträtaufnahme von Sabine Leidig.
Foto: privat

Sabine Leidig

ist seit 2009 Bundes­tags­abgeordnete für die Linke und Mitglied im Verkehrs­ausschuss. Die Laborantin und Personal­rätin arbeitete zuvor ehren- und haupt­amtlich in Gewerkschafts­einrichtungen und als Geschäfts­führerin von Attac Deutschland.

Lassen wir auch noch außer Acht, dass entweder die Zahl der Pkw weiter steigt oder die Arbeitsplätze bei Tesla zulasten der Arbeitsplätze an anderen Produktionsstandorten gehen ... und dass die IG Metall Gründe hat zur Befürchtung, dass Tesla Mitbestimmungsrechte umgeht und auf billige, willige Arbeitskräfte aus dem nahen Polen schielt.

Lassen wir schließlich außer Acht, dass das US-Wirtschaftsmagazin Forbes davon träumt, dass die Börsenkurse weiter explodieren, wenn die Google-Holding Alphabet Tesla kauft und das Ganze mit 2.500 Milliarden Dollar etwa so viel wert wäre wie Amazon und Apple plus ein halbes Microsoft zusammen (und fragen wir nicht, wem das nützt).

Nehmen wir nur dieses in den Blick:

Kein Auto ist gut für Umwelt und Klima

Ein großer Teil der Umweltzerstörung durch das Auto passiert vor dem ersten gefahrenen Kilometer. 1,3 Tonnen Metall und andere Rohstoffe stecken in einem Mittelklassewagen.

Für viele dieser Rohstoffe bezahlen die Armen, bezahlen die Arbeiter:innen in den Erzeugerländern – mit der Zerstörung ihrer Umwelt und ihrer Gesundheit, mit Kinderarbeit und mit Menschenleben. Der "Fluch der Rohstoffe" bezieht sich nicht nur auf Erdöl. Er ist Ergebnis und Ausdruck tiefer sozialer Ungerechtigkeit, ohne die die Autogesellschaft nicht möglich ist.

Wie die Umweltorganisation Powershift unlängst aufdeckte, werden für den Ausbau einer Bauxit-Mine in Guinea 80.000 Menschen umgesiedelt, verlieren fruchtbares Land und den Zugang zu Trinkwasser. Entschädigungen erhalten sie nicht.

Die Bundesregierung gab eine Kreditbürgschaft dafür, obwohl sie um die Menschenrechtsverletzungen weiß. Das Bauxit aus Guinea landet in Deutschland als Aluminium in Autos. Im Jahr 2017 kamen 93 Prozent der deutschen Bauxit-Importe aus Guinea.

Im Jahr 2017 veröffentlichte die Wirtschaftswoche eine eindrucksvolle Dokumentation mit dem Titel "Für dein Auto". Ein journalistisches Team hat dort zusammengetragen, welche Verheerungen die Automobilproduktion für Menschen und Natur in verschiedenen Teilen der Welt bewirkt: Vertreibung und Zerstörung für Kupfer in Peru, vergiftete Flüsse für Eisenerz in Brasilien, tote Arbeiter für Platin in Südafrika, schlimmste Kinderarbeit für Kobalt im Kongo, Krankheit und Siechtum für Graphit in China.

Ein VW Golf hat heute 1,4 Tonnen Gewicht. Für seine Herstellung wurden vier Tonnen Luft verschmutzt, 19 Tonnen Abraumgestein verursacht und 232 Tonnen Wasser verbraucht. Das Tesla-Flaggschiff S wiegt über zwei Tonnen.

Über das neue Modell aus Brandenburg schreibt eine Fachzeitschrift: "Das Modell Long Range mit Allradantrieb und der Top-Reichweite von maximal 505 Kilometern nach WLTP zum Preis von 58.620 Euro ist zunächst der günstigste Einstieg in die deutsche Model-Y-Welt. In dieser Ausführung beschleunigt das Elektro-SUV innerhalb von 5,1 Sekunden aus dem Stand auf Tempo 100 und fährt maximal 217 km/h schnell". Ein Leichtgewicht ist es nicht.

"Das ist Ressourcenverschwendung"

Und wie steht es um die CO2-Emissionen? Volkswagen gab vor einigen Jahren in einer kleinen Grafik die Emissionen von E-Golf und klassischem Golf an. Dort ließ sich ablesen, dass der klassische Golf 1.6 vier Tonnen CO2 bei der Produktion emittierte. Als Durchschnittswert für alle seine Fahrzeuge nennt VW 6,5 Tonnen.

Der Verkehrsclub Österreich geht für den Golf von 5,3 Tonnen aus, das Institut für Energie- und Umweltforschung Heidelberg (Ifeu) von ähnlichen Werten. Beim E-Auto – ohne Akku betrachtet – sind es etwa 20 Prozent weniger, weil ein Teil des Innenlebens wie Tank, Anlasser und Auspuff wegfällt.

Gehen wir von durchschnittlich 4,5 Tonnen Produktions-Emissionen pro Fahrzeug aus. (Die Energiewende macht jeden Produktionsschritt sauberer). Beim E-Auto ohne Akku sind es entsprechend vier Tonnen.

Zum Vergleich: Durchschnittliche Berufspendler:innen fahren arbeitstäglich knapp zehn Kilometer. Mit einem Diesel, der sieben Liter verbraucht und 16,5 Kilogramm CO2 pro 100 Kilometer ausstößt, kommen dabei vier Tonnen CO2 in zehn Jahren zusammen.

Oder: Wenn Tesla 500.000 neue Autos im Jahr produziert, bedeutet das zwei Millionen Tonnen CO2 – ganz egal, wie klimafreundlich das Fahren ist.

Wolfgang Lohbeck arbeitete viele Jahre lang für Greenpeace. Im Interview mit der Süddeutschen Zeitung antwortete er auf die Frage nach Tesla: "Was diese Firma herstellt, ist die dümmste und obszönste Variante der Elektromobilität. Einen Drei-Tonnen-Wagen zu bewegen, noch dazu mit extremen Beschleunigungswerten, das kann nicht ökologisch sein ... das ist Energieverschwendung, das ist Ressourcenverschwendung, das ist Platzverschwendung, und das ist asozial." Genauso ist es.

Emissionsfreie und klimagerechte Mobilität findet zu Fuß oder mit dem Fahrrad statt. Und dazu wäre der Ausbau von (O-)Bus und Bahn dran – als gerechte Elektromobilität. Viele Tausend sinnvolle Arbeitsplätze gibt es dort allemal. 

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