Porträtaufnahme von Andreas Knie.
Andreas Knie. (Foto: David Außerhofer)

Immer wieder sonntags: Die Mitglieder unseres Herausgeberrats erzählen im Wechsel, was in der vergangenen Woche wichtig für sie war. Heute: Professor Andreas Knie, Sozialwissenschaftler mit den Schwerpunkten Wissenschaftsforschung, Technikforschung und Mobilitätsforschung. Sein Steckenpferd ist das Verkehrswesen von morgen.

Klimareporter°: Herr Knie, der Dieselpreis erreichte in dieser Woche ein Allzeithoch im bundesweiten Schnitt mit 1,555 Euro pro Liter. Die Forderungen nach einer Deckelung der Kraftstoffpreise oder einer Absenkung der staatlichen Abgaben auf Kraftstoffe sowie einer Erhöhung der Pendlerpauschale mehren sich. Für wie brisant halten Sie die Preisentwicklung?

Andreas Knie: Autofahren wurde bisher von allen Bundesregierungen sozusagen künstlich verbilligt, aber hiervon profitieren vor allen Dingen die Menschen mit mittleren und hohen Einkommen. Der jetzige CO2-Preis hat da noch überhaupt keine Lenkungswirkung. Das bedeutet, dass der Spritpreis noch weiter steigen müsste, um die Prozesse des Umdenkens und Neuorientierens anzuschieben.

In Haushalten mit niedrigem Einkommen befinden sich dagegen weniger Fahrzeuge, die noch dazu auch deutlich weniger Kilometer absolvieren. Hier könnte ein Klima- oder Bürgergeld die Mehrkosten steigender Spritpreise mehr als kompensieren.

Am Donnerstag begannen SPD, FDP und Grüne mit Koalitionsverhandlungen. Die Klimabewegung forderte schon einmal ein festes CO2-Budget, den Ausstieg aus Kohle bis 2030 und aus Erdgas bis 2035, das Ende aller fossilen Subventionen und der Ausbaubremsen für Erneuerbare, den Abschied vom Verbrennungsmotor ab 2025, keine neuen Autobahnen sowie jährlich 14 Milliarden Euro für die globale Klimafinanzierung. Wie sehen Ihre Vorschläge aus, auf die sich die künftigen Koalitionäre einigen sollten?

Um klimapolitisch auch im Verkehr weiterzukommen, sind eine Reihe von Subventionstatbeständen abzubauen und Regulierungen zu modifizieren.

Im Einzelnen: sofortiges Moratorium beim Fernstraßenbau, Abschaffung der Pendlerpauschale, Abschaffung des Dienstwagenprivilegs, Abschaffung der Dieselpreissubventionierung, Verbot von Verbrennungsmotoren für Pkw-Neuwagen ab 2025. Außerdem ist das Parken als Gemeingebrauch aus der Straßenverkehrsordnung herauszunehmen und Inlandsflüge sind zu verbieten.

Ziel ist es, kein einzelnes Verkehrsmittel mehr zu bevorzugen, sondern eine gerechte Verteilung des öffentlichen Raumes zu erreichen.

Mittelfristig wird man um eine Nutzerfinanzierung der Infrastruktur nicht herumkommen, weil hier umwelt- und sozialpolitische Vorstellengen gleichermaßen realisiert werden können: Große Autos müssen mehr zahlen als kleine Autos, geringe Einkommen können von der Gebühr ganz befreit werden.

Ein Knackpunkt der Verhandlungen scheint die Bildung eines Klimaministeriums zu sein. Für wie sinnvoll halten Sie ein solches "Superministerium" und welche Bereiche sollten da hinein?

Ein solches Ministerium hat nur Sinn, wenn es ein substanzielles Vetorecht eingeräumt bekommt, um Maßnahmen der anderen Ressorts dann stoppen zu können, wenn diese nicht klimagerecht sind.

Es ist sehr fraglich, ob dies gelingt. Die bisherigen Erfahrungen mit dem Umweltministerium stimmen da nicht hoffnungsfroh, weil immer erst dann eingeschritten und korrigiert werden kann, wenn es in der Regel schon zu spät ist.

Es scheint klüger zu sein, das Problem an der Wurzel anzugehen und in den einzelnen Häusern die Standards für eine klimafreundliche Politik zu formulieren.

Und was war Ihre Überraschung der Woche?

Die Überraschung der Woche war sicherlich der sehr schnelle Verzicht auf ein generelles Tempolimit. Wenn die Grünen also eine solche Maßnahme gleich vom Start an aufgeben, dann bestimmt nur, um noch viel klimawirksamere Ziele verfolgen zu können. Leider ist beim jetzigen Stand der Dinge überhaupt nicht klar, welche das wohl sein könnten.

Während SPD und FDP ihre Wünsche glasklar definiert und festgelegt haben, bleiben die Vorstellungen der Grünen sehr vage. Aber da wird sicherlich noch der ganze große Wurf kommen, denn sonst könnte man sich den Verzicht auf einen sofort wirksamen und längst überfälligen Schritt wie die Tempobegrenzung auf Autobahnen überhaupt nicht erklären.

Fragen: Jörg Staude

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