Carsharing
Ein paar Carsharing-freundliche Zusatzschilder ändern noch nichts an der Privilegierung der Privatautos. (Foto: BCS)

Carsharing gibt es tatsächlich schon seit 1988. Anfangs ging es allerdings nur schleppend voran. Bis zum Jahr 2002 verzeichnete man knapp eine Viertelmillion eingetragene Nutzer. Angesichts von damals bereits über 40 Millionen zugelassener Pkw in Deutschland stellte das eine eher kleine Gruppe dar, deren gefahrene Kilometerleistung praktisch unterhalb der statistischen Nachweisgrenze lag.

Mit dem Eintritt der Deutschen Bahn 2002 in den Carsharing-Markt erhielt die Branche nicht nur erstmals eine bundesweit durchgängige Buchungsplattform, sondern sozusagen auch den Ritterschlag zu einer ernstzunehmenden Mobilitätsalternative. Dennoch blieb die Zahl der tatsächlichen Nutzer auch noch zehn Jahre nach dem Eintritt des Bahnkonzerns klein und kletterte nur auf eine halbe Million.

Mit dem Auftritt von Sharing-Unternehmen wie Car2go von Daimler, später dann auch Drivenow von BMW und weiteren Akteuren wuchs der Kundenzuspruch. Obwohl nur in den großen Metropolen angeboten, sind derzeit rund 2,5 Millionen Menschen bei verschiedenen Carsharing-Anbietern registriert. Die insgesamt 35.000 Sharing-Autos repräsentieren rund ein Prozent der bundesweiten Personenkilometerleistung.

Das ist noch immer nicht wirklich viel. Die meisten Sharing-Fahrzeuge stehen in Berlin, insgesamt sind es in der Hauptstadt mehr als 36.000. Die Mehrzahl davon sind elektrische Tretroller und Bikes, aber immerhin auch 18.000 Pkw, die im klassischen stationsbasierten oder im flexiblen Free-Floating-Modus angeboten werden.

Rechnung geht nicht auf

Aber wie lange bleibt diese, in Relation zu den 1,2 Millionen in Berlin zugelassenen Pkw immer noch sehr bescheidene Menge noch erhalten?

Das Paradoxe am modernen Carsharing ist, dass das stationsbasierte Modell durchaus ein solides Wirtschaften ermöglicht und den Anbietern mehr Erträge als Ausgaben verschafft. Aber der Markt ist sehr, sehr klein und wächst nur langsam. Schätzungen zufolge wird beim stationsbasierten Modell ein Euro Umsatz mit Ausgaben von rund 90 Cent erwirtschaftet.

Andreas Knie
Foto: Sebastian Knoth

Andreas Knie

Der Sozialwissenschaftler mit den Schwerpunkten Wissenschaftsforschung, Technikforschung und Mobilitätsforschung lehrt an der TU Berlin und leitet die Forschungsgruppe Wissenschaftspolitik am Wissenschaftszentrum Berlin. Seit 2018 ist er wissenschaftlicher Chefberater des Nürnberger Mobilitätsanbieters Choice. Er ist Mitglied im Klimareporter°-Kuratorium.

Das flexible Carsharing hingegen besitzt zwar mit mehr als zwei Millionen Kunden eine große Nutzerbasis, dafür aber wird ein Euro Umsatz im Schnitt mit Kosten von rund 1,50 Euro "erkauft".

Noch krasser sieht es bei der Nutzung von E-Autos im Carsharing aus. Bei rein batterieelektrischen Fahrzeugen können die Einnahmen auch mal nur rund 25 Prozent der Ausgaben decken. Das kann kein Anbieter lange durchhalten.

Die Zeichen sind daher eindeutig: Die Mehrzahl der Anbieter flexibler Sharing-Systeme hat bereits den Rückzug eingeleitet. Jüngstes Beispiel: die Ankündigung der Bosch-Tochter Coup, komplett aus dem E-Roller-Sharing auszusteigen.

Bei den erst in diesem Sommer erschienenen E-Tretroller-Anbietern sind zwar noch ausreichend Investorengelder verfügbar, aber die Geldverbrennung ist enorm. Die Einnahmen aus den Fahrten decken hier nicht einmal ein Drittel der Kosten.

Doch je teurer die Vermögensgegenstände, umso drängender stellt sich die Frage, wie die hohen Kosten für Beschaffung, Wartung und Logistik – besonders bei Autos – wieder hereingeholt werden können. Vom bloßen Versprechen der Politik, Sharing sei die Zukunft der Mobilität, kann am Ende des Tages keiner leben.

Droht schon das Aus fürs Carsharing?

Die Branche leckt ihre Wunden, denkt aber zu wenig politisch. Solange in Deutschland das private Auto als Objekt der politischen Förderung weiter so privilegiert wird, so lange kann sich Carsharing nicht zum Massenmarkt entwickeln.

Bestes Beispiel ist auch hier die Bundeshauptstadt. In Berlin sind nicht einmal zehn Prozent des Parkraums überhaupt bewirtschaftet. Und selbst als Anwohner zahlt man lediglich rund zehn Euro im Jahr für einen Anwohnerparkausweis. Kurzum: Man parkt gratis.

 

Carsharing-Anbieter hingegen müssen in der Regel rund 85 Euro pro Monat und Fahrzeug hinblättern. Die Straßenverkehrsordnung ist in Deutschland immer noch sehr eindeutig: Das private Automobil kann im öffentlichen Raum abgestellt werden – und das darf praktisch nichts kosten. Wenn der öffentliche Raum aber für gewerbliche Aktivitäten genutzt wird, dann muss gezahlt werden.

Das hat in Deutschland Tradition. Deutsche Verkehrspolitik ist seit 1934 der Förderung des Privat-Kfz verpflichtet. Die Straßenverkehrsordnung bildet hierfür die Grundlage. Und mit dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts von 1966 ist auch das Abstellen privater Autos am Straßenland, das sogenannte "Laternenparken", höchstrichterlich abgesichert.

Carsharing kommt dagegen rechtlich de facto nicht vor. Seit zwei Jahren gibt es ein Bundesgesetz, das von den Ländern adaptiert werden muss und es Kommunen erlaubt, Stellflächen für Carsharing auszuweisen. Bislang haben dieses Gesetz aber nur wenige Bundesländer überhaupt übernommen. 

Festgefahren im vorigen Jahrhundert

Das Straßenverkehrsrecht und die Straßenverkehrsordnung in Deutschland sind bis heute auf die Förderung des privaten Pkw ausgelegt. Die Gesetze schreiben damit den Geist der Fünfziger- und Sechzigerjahre des vergangenen Jahrhunderts fort, obwohl wir längst neue Herausforderungen und ganz andere Verhältnisse haben.

Tacheles!

In unserer Kolumne "Tacheles!" kommentieren Mitglieder unseres Kuratoriums in loser Folge aktuelle politische Ereignisse und gesellschaftliche Entwicklungen.

Ohne eine Veränderung der verkehrspolitischen Grundordnung wird aus dem flexiblen Carsharing kein nachhaltiges, tragfähiges Geschäftsmodell werden.

Bisher war die gesamte Branche viel zu naiv und zu sehr darauf bedacht, die Nische gut zu auszufüllen. In Zukunft muss das Teilen von Fahrzeugen die Regel, der Privatbesitz nur noch die Ausnahme sein. Ein erster Schritt wäre die Forderung, dass zukünftig das Dauerparken von privaten Autos auf öffentlichen Flächen verboten ist. So wie es auch schon vor 1966 der Fall war.