Niklas Höhne vom New Climate Institute in Köln.
Der Physiker Niklas Höhne ist Professor für Klimaschutz an der Universität Wageningen und Mitgründer des New Climate Institute in Köln. (Foto: New Climate Institute)

Herr Höhne, derzeit wird heiß um die CO2-Bepreisung diskutiert. Gerade in Ländern, die noch stark auf fossile Energien setzen, müsste, um die jahrelangen Versäumnisse aufzuholen, ein CO2-Preis in einer Höhe eingeführt werden, die wirklich "wehtut". So berechtigt das klimapolitisch ist: Führt es nicht zu unguten Verwerfungen?

Niklas Höhne: Ein CO2-Preis ist ein notwendiges, aber kein hinreichendes Instrument. Jeder Sektor reagiert anders auf einen CO2-Preis. In der Elektrizitätswirtschaft würde einer von 40 Euro für die Tonne CO2 schon sehr viel Lenkungswirkung entfalten.

Im Verkehrsbereich ist das aber anders, da haben wir zum Beispiel in Deutschland schon die Mineralölsteuer und die Ökosteuer – rechnet man die um, haben wir bei Kraftstoffen schon einen effektiven CO2-Preis von rund 200 Euro je Tonne. Bei so einem Steuerniveau auf Kraftstoffe hilft ein Extra-Aufschlag mit einer speziellen CO2-Steuer nur wenig.

Wie das?

Es gibt eben Bereiche, die reagieren nicht direkt auf eine CO2-Steuer. Die Leute scheinen gern große Autos fahren zu wollen. Die Preissensibilität ist sehr gering. Deswegen sind hier andere, flankierende Maßnahmen nötig wie Emissionsstandards oder regulatorische Maßnahmen.

Das gilt auch für den Gebäudebereich. Auch hier rentiert es sich jetzt schon, die Häuser flächendeckend energetisch zu sanieren, aber es wird nicht gemacht. Was soll ein Extra-CO2-Preis daran ändern? Da gibt es andere Barrieren.

Für einen CO2-Preis spricht hier aber, dass man dann über Ressourcen verfügt, mit der man solche Barrieren überwinden kann. Möglich wäre zum Beispiel ein neues Gebäudesanierungsprogramm.

Auch soziale Verwerfungen ließen sich mit Geldern aus einer CO2-Steuer ausgleichen und diejenigen entlasten, die am meisten betroffen sind. Nur in der Kombination mit einer Entlastung der Einkommensschwachen hat ein CO2-Preis Sinn.

Als positiv für den Klimaschutz sehen Sie, dass die Erneuerbaren, deren Kosten enorm gesunken sind, besonders die Kohle aus dem Energiemarkt drängen, vor allem aus dem Strommarkt. In Deutschland erleben wir aber de facto eine Ko-Existenz von preiswertem Öko- und billigem Kohlestrom. Muss man nicht doch ordnungsrechtlich eingreifen und Kohlekraftwerke abschalten?

Langfristig wird es so sein, dass die Erneuerbaren Kohle und andere fossile Energien aus dem Markt drängen. Der Grund: Erneuerbare produzieren ja immer zu Nullkosten. Steht die Windanlage einmal da, kann sie den Strom für sehr, sehr wenig Geld erzeugen. Bei den Kohlekraftwerken geht das nicht, da muss man die Kohle immer fördern oder kaufen.

Dieses Herausdrängen der Fossilen passiert jetzt schon in Regionen der Welt, wo sehr viel Sonne scheint und sehr viel Wind weht – wie in Südafrika oder in großen Teilen Australiens oder Amerikas. In Deutschland geschieht das leider noch nicht. Da scheint die Sonne einfach weniger und deswegen ist der Photovoltaik-Strom ein bisschen teurer.

Dazu kommt: Strom aus Gas ist noch teurer und deswegen drängen die Erneuerbaren das Gas und nicht die Kohle aus dem Markt. Das ist kontraproduktiv. Deswegen benötigten wir in Deutschland zurzeit ein wirklich funktionierendes Emissionshandelssystem oder einen anderen Preis auf CO2. Dann wäre auch das Problem gelöst.

Die Windkraftbranche sagt, dass sie für Strom aus abgeschriebenen Anlagen, die nach 2020 keine EEG-Förderung mehr erhalten, mindestens vier Cent pro Kilowattstunde bekommen muss, damit sich der Weiterbetrieb rentiert. Der Neubau von Kraftwerksanlagen lohnt sich in Deutschland ab sechs Cent, egal ob erneuerbar oder fossil, sagen Experten. Es gibt hier sogar Neubauprojekte von Kohlekraftwerken. Braucht man nicht doch eine politische Entscheidung gegen die Kohle?

Eine ordnungsrechtliche Entscheidung ist notwendig für die Planungssicherheit. Wenn die Erneuerbaren oder ein anderes System gewinnen und die konventionellen Kraftwerke in Schwierigkeiten geraten, dann ist das auch keine gute Situation.

In einigen Ländern fangen Regierungen jetzt an, Kohlekraftwerke finanziell zu stützen, damit sie überhaupt noch am Netz bleiben und es nicht zu einer Katastrophe kommt. Südafrika ist so ein Fall. Neue fossile Subventionen – das ist absurd. Insofern muss man langfristig planen und ordnungsrechtlich beschließen, wann abgeschaltet werden soll, damit sich alle darauf einstellen können.

In den USA verliert die Kohle ja nicht so sehr gegenüber den Erneuerbaren, sondern vor allem gegenüber dem Fracking-Gas. Auch die deutsche Gaswirtschaft möchte klimapolitisch gern eine größere Rolle spielen und weist darauf hin, dass Erdgas nur ein Drittel der CO2-Emissionen der Braunkohle hat. Was halten Sie davon?

Klimapolitisch ist ein Ausbau von Gas sicher nicht der richtige Weg. Wir müssen weg von fossilen Energieträgern und hin zu hundert Prozent Erneuerbaren.

Was man machen kann, ist Strom in Gas zu wandeln – als Power-to-Gas, sofern wir viel erneuerbaren Strom haben und das grüne Gas dann auch als Speichermedium nutzen. Dafür reicht aber die vorhandene Infrastruktur bei Weitem aus.

Langfristig braucht Deutschland aber so viel grünes Gas, dass es unmöglich allein mit dem im Land erzeugten Ökostrom hergestellt werden kann. Mancher träumt schon von großen Power-to-Gas-Windfarmen in der Ukraine oder Nordafrika. Soll Deutschland statt Erdgas künftig grünes Gas in rauen Mengen importieren?

Die Gesamtlösung ist das sicher nicht. Ihr Vorteil wäre aber: Sie gäbe den Ländern, die derzeit vom Export fossiler Kraftstoffe abhängig sind – wie Südafrika, Australien oder in der Golfregion – eine Möglichkeit, sich auf die Ausfuhr anderer Energien umzustellen. Eine solche Perspektive für diese Länder ist positiv zu sehen, es wird zwar ein Nischenmarkt bleiben, aber es hilft bei der Umstellung des Landes auf Klimaneutralität.