Zwei Kohlezüge mit zahlreichen offenen Wagen fahren durch eine Mondlandschaft.
Kohlezüge in der größten Kohlegrube der Welt, der North Antelope Rochelle Mine im US-Bundesstaat Wyoming. (Foto: Kimon Berlin/​Flickr)

Den "Krieg gegen die Kohle" wolle er beenden, versprach US-Präsident Donald Trump im Wahlkampf. Dieses Versprechen beruhte auf der Annahme, die Politik drücke absichtlich die Kohle aus dem Markt. Mittlerweile ist jedoch klar, dass der Markt selbst dafür sorgt, dass immer weniger Kohle verstromt wird. In den USA ist die Stromerzeugung mit neuen Wind- und Solaranlagen billiger als in alten und voll amortisierten Kohlekraftwerken. Dadurch beschleunigt sich unter Trump der US-Kohleausstieg.

Die Chicagoer Beratungsfirma Navigant schätzt, dass in den nächsten zehn Jahren Kohleblöcke mit einer Kapazität von insgesamt 73.000 Megawatt vom Netz gehen – ein Viertel der US-Kohlekraftwerke. "Das ist mehr als doppelt so viel wie in unserer Schätzung aus dem letzten Jahr", sagt Bruce Hamilton von Navigant.

Dabei ist Navigant noch konservativ: Max Cohen von der Beratungsfirma IHS Markit schätzt, dass rund 100.000 Megawatt abgeschaltet werden. "Das ist etwa ein Drittel der Flotte." Ökonomisch wäre das sinnvoll. Die Energiemarktspezialisten des Thinktanks Bloomberg New Energy Finance gehen davon aus, dass die Hälfte aller Kohle- und Atomkraftwerke in den USA ihre laufenden Kosten nicht decken kann.

Kohlestrom-Pflichtanteil für die nationale Sicherheit

Letzte Woche instruierte Trump daher seinen Energieminister Rick Perry, "sofortige Schritte zu unternehmen, um den Verlust dieser Ressourcen zu stoppen". Wie das gehen könnte, erklärt ein 41-Seiten-Dokument aus Perrys Ministerium. Darin heißt es, das US-Stromnetz sei zuverlässig, aber "Zuverlässigkeit im herkömmlichen Sinn ist nicht ausreichend". Das Netz müsse auch in Notsituationen funktionieren, und das sei nur mit Anlagen zu gewährleisten, die "einen sicheren Brennstoffvorrat vor Ort haben, inklusive Atom- und Kohlekraftwerken".

Aus diesem Grund soll eine "Strategische Stromerzeugungsreserve" geschaffen werden, "um die nationale Verteidigung zu stärken". Praktisch handelt es sich dabei um eine Liste von Kraftwerken, deren Abschaltung verhindert werden soll. Dafür sollen Stromnetzbetreiber gezwungen werden, den Anlagen genug Strom abzukaufen, damit sie rentabel betrieben werden können. Zunächst soll dieser Zwangskauf auf zwei Jahre beschränkt werden, in denen das Energieministerium einen langfristigen Plan erarbeitet.

Für einen derart radikalen Eingriff in den Markt bedarf es einer gesetzlichen Grundlage. Das Energieministerium scheint sich aber nicht sicher zu sein, ob das US-Energiegesetz, der Federal Power Act, dafür ausreicht. Dieses setzt einen "Notfall" voraus, um in den Strommarkt einzugreifen. Außerdem hat Perry schon im Januar dieses Jahres versucht, aufgrund dieses Gesetzes eine Subvention für Atom- und Kohlekraftwerke durchzusetzen und ist damit an der Regulierungsbehörde FERC gescheitert.

Daher setzen Perrys Juristen zusätzlich auf ein zweites Gesetz: den Defense Production Act aus dem Jahr 1950. Dieses Gesetz ermöglicht weitreichende Markteingriffe im Namen der "nationalen Sicherheit". Dabei räumt es dem US-Präsidenten einen großen Ermessensspielraum ein, "nationale Sicherheit" zu definieren. Es gleicht damit der Rechtsgrundlage für die US-Stahl- und Aluminiumzölle. Ironischerweise enthält der Defense Production Act aber auch einen Paragrafen zu erneuerbaren Energien: "Die heimische Energieversorgung sollte im größtmöglichen Umfang durch die Nutzung erneuerbarer Energiequellen verstärkt werden."

"Subventionssystem wie in der Sowjetunion"

Wenn unrentable Atom- und Kohleblöcke künstlich geschützt werden, hat das Konsequenzen für den ganzen Strommarkt, warnt Jon Wellinghoff, ein ehemaliger FERC-Chef. "Was Trump macht, ist die Rückkehr zu einem System wie in der Sowjetunion", sagte Wellinghoff der Fachpublikation Utility Dive. Eine so große Zahl subventionierter Kraftwerke führe zu einem substanziellen Verfall der Marktpreise. "Während ein Marktsegment gestützt wird, könnte deshalb ein anderes Marktsegment in Konkurs gehen."

Wer dann am Ende die Zeche zahlt, ist für Wellinghoff klar: "Wenn man von einem marktbasierten System zu einem nicht marktbasierten System wechselt, steigen die Strompreise." Wie schon die Stahl- und Aluminiumzölle werde dies die Wettbewerbsfähigkeit der US-Industrie verschlechtern.

Warum sich dadurch die nationale Sicherheit verbessern soll, bleibt unklar. Vermutlich geht es also um etwas anderes bei der "Operation Industriemuseum".

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