Die weltweit erste Anlage, in der Methanol mit grüner Energie aus Kohlendioxid und Wasserstoff hergestellt wird, steht in Island. (Bild: Hanno Böck)

Im Jahr 2005 schrieb der Chemiker George Olah einen wissenschaftlichen Fachartikel und später ein gleichnamiges Buch mit dem Titel "Beyond Oil and Gas: The Methanol Economy", in dem er von einer Methanol-Ökonomie sprach – als eine Möglichkeit der Energieversorgung nach dem Öl und Gas. Olah sah darin eine Alternative zur damals schon diskutierten Nutzung von Wasserstoff als Energiespeicher.

Methanol ist ein Alkohol und die einfachste flüssige Kohlenstoffverbindung. Es dient bereits heute als wichtiger Rohstoff in der chemischen Industrie. Allerdings wird Methanol bisher üblicherweise aus Erdgas oder – vor allem in China – aus Kohle hergestellt. Es handelt sich also um einen fossilen Rohstoff.

George Olah hatte die Vision, Methanol aus Kohlendioxid und Wasserstoff herzustellen, und sprach bereits davon, dass man das CO2 irgendwann aus der Luft filtern könnte.

Er diskutierte dabei auch Ideen, die heute teilweise obskur erscheinen. So erwähnte er etwa die Möglichkeit, Mobiltelefone oder Computer mit Methanolbrennstoffzellen zu betreiben. Doch manches ist nach wie vor relevant und Methanol könnte in einer künftigen klimaneutralen Wirtschaft eine wichtige Rolle spielen.

Die Methanol-Ökonomie inspirierte ein isländisches Start-up

Die Ideen von George Olah, der 2017 starb, waren Inspiration für die Gründung des Unternehmens Carbon Recycling International in Island. Die Firma machte sich auf, die Idee vom grünen Methanol in die Praxis umzusetzen, und nahm 2011 die erste Anlage in Betrieb, in der aus grünem Wasserstoff und Kohlendioxid Methanol hergestellt wird.

Die Pilotanlage zur grünen Methanolproduktion, die nach ihrem Ideengeber George Olah benannt wurde, befindet sich neben dem Geothermiekraftwerk Svartsengi. Das Kraftwerk liefert der Methanolfabrik neben günstigem Strom auch direkt Wärmeenergie – und Kohlendioxid.

 

Geothermie gilt gemeinhin als grüne und erneuerbare Energieform, aber auch sie kommt nicht komplett ohne Emissionen aus. Zusammen mit dem heißen Wasser aus der Tiefe werden Gase mitbefördert – neben Schwefelwasserstoff auch Kohlendioxid.

Die CO2-Emissionen der Geothermie sind verglichen mit fossilen Energieträgern gering, doch sie reichen, um die Methanolfabrik von Carbon Recycling International mit dem Rohstoff zu versorgen.

5.000 Tonnen Methanol kann die Fabrik in Island pro Jahr produzieren. Das sind verglichen mit den Anlagen der fossilen Chemieindustrie geringe Mengen. Industrielle Anlagen, die Methanol aus Erdgas herstellen, haben oft Kapazitäten von mehreren Hunderttausend Tonnen.

Doch inzwischen hat Carbon Recycling International eine erste Anlage in deutlich größerer Dimension in Betrieb genommen. Knapp über 100.000 Tonnen Kapazität hat eine Fabrik in Anyang in China.

Wirklich grünes Methanol wird dort allerdings nicht produziert. Die Anlage steht neben einer Koksfabrik, aus den Abgasen der Koksproduktion werden Wasserstoff und Kohlendioxid extrahiert.

Ómar Sigurbjörnsson von Carbon Recycling International spricht dennoch von einem Fortschritt. Üblicherweise wird Methanol in China aus Kohlevergasung gewonnen, was mit deutlich höheren Emissionen einhergeht. Die Anlage in China hat es Carbon Recycling International erlaubt, die Technologie zum ersten Mal in größerem Maßstab aufzubauen.

Maersk setzt auf grünes Methanol als Schiffstreibstoff

Bisher ist grünes Methanol ein Nischenprodukt, doch in der Branche ist viel Bewegung und Carbon Recycling International ist längst nicht mehr der einzige Akteur. So baut der dänische Windkraftriese Ørsted eine große Produktionsanlage für grünes Methanol in Schweden.

Neben der Möglichkeit, Methanol aus CO2 und Wasserstoff zu erzeugen, gibt es auch verschiedene Wege, auf denen Methanol aus Biomasse oder aus gemischten Abfällen gewonnen werden kann. Bei Letzterem kann man allerdings darüber streiten, ob es sich wirklich um grünes Methanol handelt – schließlich stammen die Abfälle selbst zum Teil aus fossilen Rohstoffen.

Ein Treiber für das gestiegene Interesse an grünem Methanol ist die Schiffsbranche. Zumindest bei Schiffen, die europäische Häfen ansteuern, besteht ein gewisser Handlungsdruck: Der Schiffsverkehr wird in den nächsten Jahren in den europäischen Emissionshandel aufgenommen, für den CO2-Ausstoß müssen also Emissionszertifikate gekauft werden. Vermeiden können das die Reedereien, indem sie auf grüne Kraftstoffe setzen.

Grünes Methanol oder Ammoniak statt Schiffsdiesel, LNG oder Schweröl

Bisher fahren fast alle Schiffe entweder mit Schweröl, Diesel oder verflüssigtem Erdgas – alles fossile Rohstoffe, die sich bei den CO2-Emissionen nur geringfügig unterscheiden. Als Alternativen werden zwei Varianten diskutiert: grünes Ammoniak – oder grünes Methanol.

Ammoniak wäre wohl etwas effizienter und benötigt für die Produktion kein Kohlendioxid – Ammoniak besteht nur aus Stickstoff und Wasserstoff. Aber es hat andere Nachteile, es ist zum Beispiel extrem giftig. Welcher Treibstoff künftig die Oberhand behält, ist noch offen.

Eine Firma, die stark auf Methanol als Schiffstreibstoff setzt, ist die dänische Reederei Maersk. Der Konzern hat inzwischen mehrere Schiffe in Auftrag gegeben, deren Motoren mit Methanol betrieben werden können. Zudem hat Maersk in eine ganze Reihe von Start-ups investiert, welche die grüne Methanolproduktion voranbringen wollen. Bis zum Jahr 2030 erwartet die Reederei, jährlich sechs Millionen Tonnen grünes Methanol zu benötigen. Für Abnehmer des Treibstoffs ist also vorerst gesorgt.

Doch Methanol könnte in Zukunft nicht nur in der Schifffahrt eine wichtige Rolle spielen, sondern auch als chemischer Rohstoff. Bereits heute ist Methanol ein wichtiger Basisrohstoff für die Produktion weiterer Chemikalien wie Formaldehyd.

Man könnte Methanol auch als Ausgangsmaterial für die Produktion von Plastik verwenden. In China geschieht das bereits teilweise. Die Grundstoffe für die Produktion von Plastik sind Ethen und Propen, die sogenannten Olefine. In Europa werden diese üblicherweise aus Ölprodukten hergestellt.

In China gibt es Methanol-zu-Olefin-Anlagen, die Methanol aus der Kohlevergasung nutzen. Hier könnte also ausgerechnet die besonders schmutzige Kohlevergasung einen Weg ebnen, um künftig klimaneutral Kunststoffe herzustellen. Die weltweit größte Methanol-zu-Olefin-Anlage steht in Lianyungang in China.

Dort finden bereits erste Schritte in Richtung einer grüneren Methanolproduktion statt: Carbon Recycling International baut auch hier zurzeit in Kooperation mit dem Betreiber Jiangsu Sailboat eine Anlage, die Methanol aus Wasserstoff und CO2 herstellt – und einen Teil des aus Kohlevergasung hergestellten Methanols ersetzen wird.

Die Produktion ist energieintensiv und benötigt CO2

Doch auch wenn Methanol viele Vorteile hat, ist der Weg zu einer Methanol-Ökonomie kein einfacher. Jede Umwandlung von Chemikalien führt unweigerlich zu einem Verlust an Energie. Schon die Produktion von Wasserstoff wird oft dafür kritisiert, dass sie ineffizient ist. Wenn man aus dem Wasserstoff anschließend komplexere Chemikalien wie Methanol erzeugt, kommt ein weiterer Umwandlungsschritt hinzu, was noch höhere Verluste und eine noch geringere Effizienz bedeutet.

Ein weiteres Problem ist die Herkunft des Kohlendioxids. Wenn Methanol in Zukunft in großen Mengen klimafreundlich hergestellt werden soll, wird man davon erhebliche Mengen benötigen – und in einer CO2-neutralen Wirtschaft kommen dafür nur wenige Optionen infrage.

Natürlich kann man vorerst Kohlendioxid aus Industrieanlagen oder Kraftwerken nutzen. Doch wenn man das dort gewonnene CO2 in Methanol umwandelt und dieses dann als Kraftstoff in Schiffen nutzt, kann man zwar von einer Doppelnutzung von CO2 sprechen – in die Atmosphäre entweicht es aber letztendlich trotzdem.

Je mehr andere Industrien auf klimaneutrale Verfahren setzen, umso weniger Kohlendioxidquellen stehen zur Verfügung. Langfristig muss das CO2 entweder aus Biomasse stammen – oder, wie es die Vision von George Olah war, mit Direct-Air-Capture-Technologie direkt aus der Luft gefiltert werden.

Die Technik für Direct Air Capture ist inzwischen vorhanden, die weltweit größte Anlage befindet sich ebenfalls in Island. Doch das Verfahren benötigt extrem viel Energie, die Mengen an CO2, die bisher damit extrahiert werden, sind verschwindend gering.

Eine umfangreiche Methanol-Ökonomie, wie sie sich George Olah vorgestellt hat, in dem Sinne, dass Methanol in großem Stil Öl und Gas ersetzt, wird es wohl auch in Zukunft nicht geben. Dennoch spricht viel dafür, dass grünes Methanol in einigen Bereichen künftig ein wichtiger Rohstoff und Energieträger sein wird.