Die Internationale Energieagentur IEA sorgte beim Klimagipfel in Glasgow mit einer Nachricht für gute Stimmung. Ihr Chef Fatih Birol schrieb vorige Woche, die globale Erwärmung könne auf 1,8 Grad begrenzt werden, wenn die Staaten ihre Zusagen zur Klimaneutralität einhalten und das neue Abkommen zur Reduktion des Methan-Ausstoßes wirkt.
Allerdings gibt es Zweifel an dieser optimistischen Prognose. Denn: Die Staaten müssen vor allem ihre kurzfristigen Ziele für 2030 noch stark verbessern, um das erreichen zu können.
Und ohne die Entfernung von CO2 aus der Atmosphäre wird die Klimakrise wohl auch nicht beherrschbar bleiben. Eine neue Studie liefert Daten dazu.
Die IEA hatte als erste wichtige Institution aus dem Sektor Klima/Energie eine Prognose von unter zwei Grad gestellt. Allerdings ging sie dabei offenbar davon aus, dass die Staaten ihre CO2-Emissionen von jetzt an linear absenken, bis sie ihr Netto-Null-Ziel um 2050 wie die EU und die USA, 2060 wie China oder 2070 wie Indien erreichen.
Andere Experten haben Zweifel, dass das realistisch ist. Zumindest nach heutigem Stand.
"Kein einziges Land hat genügend kurzfristige Maßnahmen umgesetzt, um sich tatsächlich auf einen solchen Pfad zu begeben", kommentierte der Klimaforscher Niklas Höhne. Der Professor von der Universität Wageningen in den Niederlanden leitet die Forschungsinitiative Climate Action Tracker. Die bisher vorliegenden nationalen CO2-Ziele für 2030 laufen auf eine Erwärmung um 2,7 Grad hinaus.
Im Paris-Abkommen von 2015 wird eine Temperaturspanne von 1,5 bis zwei Grad angepeilt. Der Weltklimarat IPCC hält inzwischen ein Limit von 1,5 Grad für notwendig, um das Kippen wichtiger Elemente des Klimasystems zu verhindern.
"Direct Air Capture" braucht viel zusätzlichen Ökostrom
Erreichbar wird das selbst bei einem radikalen Kurs zur Minderung des Treibhausgas-Ausstoßes nur, wenn auch Maßnahmen wie Wiederaufforstung und Renaturierung entwässerter Moore in großem Stil umgesetzt werden, aber auch die technische Absorption von CO2 aus der Luft.
Eine neue Untersuchung, an der der Berliner Klima-Thinktank MCC beteiligt war, liefert nun erstmals eine komplette Lebenszyklus-Analyse zum Energie- und Ressourcenverbrauch der dazu genutzten "Direct Air Capture"-Anlagen (DAC).
Sie zeigt: Der Energieverbrauch ist hoch, und nur wenn Ökoenergie in ausreichender Menge vorhanden ist und genutzt wird, können sie laut MCC "einen effizienten Klimaschutz-Beitrag leisten".
Für die Analyse wurden zwei Verfahren zugrunde gelegt: die sogenannte TSA-Technik, die von dem Schweizer Unternehmen Climeworks bereits seit 2017 in einer Pilotanlage in der Gemeinde Hinwil bei Zürich genutzt wird, und das HAT-Aq-Verfahren der kanadischen Firma Carbon Engineering.
Um mit der Climeworks-Technik eine Tonne CO2 aus der Luft zu filtern, sind laut der Studie 1.000 Kilowattstunden Energie nötig. Werden die Luftfilter konventionell mit Energie aus Erdgas betrieben, sind sie ineffizient, denn für eine Tonne herausgefiltertes CO2 werden gleichzeitig wieder 0,3 Tonnen Treibhausgase emittiert. Das kanadische Verfahren schneidet mit 0,58 Tonnen sogar noch schlechter ab.
Energiebedarf so hoch wie für Verkehrs- und Wärmewende
Werden Strom und Wärme CO2-arm bereitgestellt, halbiert sich der Wert auf 0,15 respektive 0,26 Tonnen. Hinzu kommen in der Ökobilanz noch weitere Faktoren, darunter der Verbrauch des für die Filterung nötigen Sorptionsmittels und anderer Rohstoffe sowie die Emission von Feinstaub.
Beim MCC hält man den hohen Energieaufwand für vertretbar, da der dafür nötige zusätzliche Ökostrom-Bedarf bei der Verkehrs- und Wärmewende "in der gleichen Größenordnung" liege. "Die Luftfilter schaffen viel Klimaschutz auf besonders wenig Platz, das ist angesichts der weltweit knappen Ressource Land ein großer Pluspunkt", meinte der Co-Autor der Studie, Felix Creutzig vom MCC.
Das Forschungsteam warnt allerdings vor der Hoffnung, damit schnell in großem Stil eine Klimaentlastung bewirken zu können. "Die Gefahr ist groß, dass die Technologie der Luftfilter noch nicht in ausreichender Größenordnung einsatzbereit ist, wenn sie in ein oder zwei Jahrzehnten gebraucht wird", sagte die Hauptautorin der Studie, Kavya Madhu von der Universität Freiburg.
In den nächsten Jahren sei es kosteneffektiver, den Ausstoß von CO2 zu vermeiden, statt das Gas nachträglich wieder aus der Atmosphäre zu entfernen, etwa durch Umstellung auf E-Mobilität und auf elektrische Wärmepumpen bei der Hausheizung.
Erst mit fortschreitender Dekarbonisierung der Wirtschaft könne auch diese Option einen effizienten Beitrag zum Klimaschutz leisten, sagte Creutzig. Ergo: Um die wichtige Klimaschutz-Etappe 2030 zu schaffen, wird DAC kaum eine Hilfe sein.