Metallschrank mit mehreren, übereinander angeordneten Wasserstoff-Elektrolyse-Modulen, von außen nur als weiße Kästen mit einigen Schaltern erkennbar.
Mit seinen modular aufgebauten, einfach zu bedienenden Wasserstoffanlagen zielt Enapter vor allem auf autarke Anwender. (Foto: Enapter)

Klimareporter°: Herr Schmidt, Ihr Unternehmen Enapter will mit seinen Modulen "Wasserstoff für jedermann" anbieten und fossile Energieträger ablösen. Mit dem Beschluss der EU, bis 2050 klimaneutral zu werden, sind die Tage von Kohle, Öl oder Gas aber doch gezählt. Ist der eigentliche Konkurrent für Ihren Wasserstoff nicht der Direkteinsatz von Ökostrom samt Speicher?

Sebastian-Justus Schmidt: Unser größter Gegner ist die Zeit, der Klimawandel. Der ist sehr real und findet heute, nicht erst übermorgen statt. Als Unternehmen begrüßen wir, dass auch andere Lösungen entwickeln, die uns den gesetzten Klimazielen näher bringen.

Wir als Enapter haben ein einziges Ziel, und dem wird alles untergeordnet: Wir wollen Technologien entwickeln, die CO2-vermindernd sind und die so günstig werden, dass es keine sinnvolle Alternative zu ihnen gibt.

Ich wohne nicht in Deutschland, sondern in Thailand. Dort entstand die Idee zu unseren Wasserstoff-Modulen. Diese Idee war dort noch naheliegender als hier in Deutschland. Wenn ich Interessenten in Thailand erzählt habe, dass ich zu Hause Wasserstoff nutze, haben sie die Kosten ihrer Generatoren überprüft und die Preise verglichen.

Schauen wir zum Beispiel auf die Betreiber von Mobilfunkmasten. In Deutschland werden diese Masten von den Telekommunikationsfirmen selbst unterhalten, weltweit übernehmen dies meist Servicefirmen, die für den benötigten Strom Hunderttausende schmutziger Dieselaggregate laufen lassen.

Gemeinsam mit diesen Unternehmen habe ich ausgerechnet, ab welchem Preis sie Wasserstoff einsetzen würden. Und wir kamen auf 1,50 Euro je Kilogramm Wasserstoff. Deshalb haben wir uns zum Ziel gesetzt, diesen Preis bis Ende 2022, Anfang 2023 zu erreichen.

Könnten sich die Mobilfunkdienstleister nicht auch eine größere Solaranlage samt Speicher zulegen? Das wäre – verglichen mit Wasserstoff – doch deutlich effizienter. Wir müssen doch jetzt überlegen, wie das künftige erneuerbare Energiesystem insgesamt aussehen soll ...

Wenn dafür viele alternative technologische Angebote mit ins Spiel kommen, freue ich mich. Wir halten es für elementar wichtig, dass auch diese Alternativen bezahlbar bleiben. Hier haben die fossilen Energieträger noch, sicherlich auch dank ihrer Subventionen, einen unschlagbaren preislichen Vorteil. Den müssen wir ihnen nehmen.

Um dies zu erreichen, nutzen wir das Konzept der modularen Elektrolyse, die effektiv skaliert werden kann. Dieses Prinzip haben wir der IT-Welt entlehnt. Dort waren kleine System-Module in der Lage, durch Skalierung die großen Rechner abzuschaffen. Rechner sind heute modular, herausnehmbar, einfach zu bedienen und laufen 24 Stunden, rund um die Uhr. Genau solche Systeme bauen wir auch für die Erzeugung von Wasserstoff.

Gegen günstigen Wasserstoff ist ja nichts einzuwenden – zu seiner Herstellung wird aber jede Menge Ökostrom verbraucht, der künftig ein knappes Produkt sein wird. Da stellt sich schon die Frage, ob es nicht angebracht ist, Wasserstoff nur dort zuzulassen, wo es für ihn und für daraus erzeugte Synthetic Fuels kaum Alternativen gibt – also beim Fliegen, in der Schifffahrt und in der Industrie.

Erstes Ziel ist auch für mich, Ökostrom direkt einzusetzen. Das zweite Ziel ist, erneuerbaren Überschussstrom, der in unseren Netzen existiert, für grünen Wasserstoff zu nutzen.

Natürlich stellt sich bei jeder Technologie die Frage, wohin sie sich mittel- bis langfristig entwickelt. Auch für Wasserstoff kann man viele Fragen heute noch nicht abschließend beantworten. Ich weiß jedoch, was man auf dem Weg dahin erreichen kann. Und das sind kurzfristige Ziele, die sich positiv auf die Umwelt auswirken.

Überschussstrom aus abgeregelten Windrädern zu nutzen, ist derzeit das beliebteste Argument, um den Einsatz von Ökostrom für grünen Wasserstoff zu rechtfertigen. Tatsache ist aber, dass man allein mit Überschussstrom nicht auf die nötige Zahl von Betriebsstunden kommt, um eine Elektrolyse wirtschaftlich betreiben zu können.

Absolut, ausschließlich Überschussstrom zu nutzen reicht nicht. Wir müssen deswegen deutlich mehr tun, um mehr Ökostrom zu erzeugen – wir brauchen mehr Solarpaneele und mehr Windkraftanlagen. Dabei sollte man nicht nur nach Nordafrika schauen, sondern vielleicht eher nach Südeuropa.

Mit Ihrem modularen System wollen Sie auch normale Einfamilienhäuser ausstatten. Ist so eine technische Aufrüstung sinnvoll, wenn wir gerade dort Ökostrom über Stromspeicher und Wärmepumpen viel besser nutzen können?

Porträtaufnahme von Sebastian-Justus Schmidt.
Foto: Enapter

Sebastian-Justus Schmidt

Der Gründer und Vorstands­chef von Enapter ist in der Erneuerbaren-Branche quasi ein später Seiteneinsteiger, der aber mit seiner Vision vom Wasser­stoff für alle die Märkte und Investoren geradezu elektrisiert. Ob sich das Geschäfts­modell bewährt, wird sich wohl erst in den kommenden Jahren zeigen. Dann soll die Massen­fertigung der Wasser­stoff­module in einer neuen Fabrik in Deutschland hochlaufen. Enapter entstand vor einigen Jahren in Italien und hat auch Standorte in Russland, Thailand und weiteren Ländern.

Es passt in eine nachhaltige Zukunftsgesellschaft, wenn wir versuchen, Abfall zu vermeiden und eine möglichst umfassende Kreislaufgesellschaft zu etablieren. Bei großen Batterien haben wir erhebliche ungelöste Recyclingprobleme.

Mit dem Ausbau der E-Mobilität wird darüber hinaus der Lithiumbedarf enorm steigen. Davon sollte man möglichst wenig in Pkw einsetzen und beim Langstrecken- und Schwerlast-Verkehr eher Wasserstoff nutzen.

Sicher – bei grünem Wasserstoff gibt es Effizienzverluste. Doch es gibt gute Gründe, auch in Einfamilienhäusern auf Wasserstoff zu setzen. In Thailand haben wir zwar über ein halbes Jahr lang viel Sonne, in der Regenzeit jedoch fehlt sie schon einmal zwei Wochen lang. Verglichen mit Batterien ist Wasserstoff da einfach die günstigere Alternative. Das zeigt auch unser Projekt in den französischen Alpen.

Bei Ihrem Alpen-Projekt wird eine Skihütte auf 2.600 Metern Höhe mit Ihrer modularen Wasserstoff-Lösung energieautark gestaltet. Wer braucht so eine Lösung aber in Deutschland, wo über den Daumen gepeilt sicher 99,9 Prozent der Gebäude einen Stromanschluss haben?

Ich wäre mit den 0,1 Prozent des Marktes schon sehr zufrieden. Wir sehen aber eine schnelle Entwicklung in diesem Marktsegment.

Vergessen wir aber auch nicht die Wärme! Wir haben zum Beispiel ein erstes Pilotprojekt in den Niederlanden, wo unsere Module Wohnhäusern mit Wärme versorgen. Hier sind sich die Leute sicher, dass sie bald kein Erdgas mehr nutzen werden, und sie setzen auf Wasserstoff.

Es gibt weltweit viele Inseln ohne Netzanschluss. Schauen Sie nach Alaska, wo der Diesel für die Stromversorgung der Mobilfunkanlagen mit Hubschraubern eingeflogen werden muss. Allein in Südostasien gibt es 250.000 Dieselaggregate, die nichts weiter tun als den Strom zu erzeugen, den die Menschen für den Mobilfunk benötigen. In Indien werden zehn Prozent des gesamten Strombedarfs noch über Dieselstromaggregate gedeckt. Das ist erschreckend.

Heute erzielen wir weniger als 30 Prozent unseres Umsatzes in Deutschland. Mit unseren Lösungen richten wir uns an den Weltmarkt. Und dort sind sie bei einem Preis von 1,50 Euro pro Kilo Wasserstoff mit den fossilen Energieträgern konkurrenzfähig.

Batteriespeicher in Autos schleppen einen ordentlichen ökologischen Rucksack mit sich herum und müssen mehrere zehntausend Kilometer fahren, um – verglichen mit einem Verbrenner – CO2-Emissionen zu sparen. Wie sieht es da bei Ihren Modulen aus?

Wir gehen davon aus, dass wir keinen derartigen ökologischen Rucksack mit uns herumschleppen müssen. Dies berechnen wir gerade im Rahmen einer Studie. Unsere Module werden noch kleiner und leistungsfähiger und zukünftig umfassend recycelt. Darüber hinaus wird unser geplantes Werk in Deutschland komplett mit grüner Energie betrieben werden.

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