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Solarkraftwerk in der nordafrikanischen Wüste: Grüner Wasserstoff für Deutschland soll nicht zulasten einer grünen Elektrifizierung in Entwicklungsländern gehen. (Foto: Jens Steingässer/​KfW-Bildarchiv)

Grüner, mit erneuerbaren Energien hergestellter Wasserstoff bleibt auf absehbare Zeit ein knappes und teures Gut. Seine Herstellung ist energieaufwändig und deutlich ineffizienter als die direkte Nutzung von Ökostrom.

Damit sich der grüne Wasserstoff in der Klimabilanz positiv auswirkt, müssen die für ihn benötigten enormen Mengen an Strom aus zusätzlichen erneuerbaren Quellen gedeckt werden. Doch der Erneuerbaren-Ausbau in Deutschland stockt.

Nach monatelangem Streit soll der Photovoltaik-Deckel nun endlich fallen. Das ist zu begrüßen, kommt aber reichlich spät, zumal die von der Koalition verkündete Einigung auch noch rechtlich umgesetzt werden muss. Auch die nun vereinbarte Opt-in-Regel, nach der die Bundesländer am Ende doch noch eine 1.000-Meter-Abstandsregelung für Windkraft an Land einführen können, wäre verzichtbar gewesen.

Das Risiko bleibt bestehen, dass sich die für Windkraft ausgewiesenen Gebiete weiter verkleinern. Verantwortlich dafür sind Teile der Union, die monatelang blockiert haben und so sichere Arbeitsplätze in der Erneuerbaren-Branche gefährden

Die Klima-Allianz Deutschland, ein Bündnis aus mehr als 130 Organisationen, begrüßt die geplante Verabschiedung einer nationalen Wasserstoffstrategie. Eine Einigung ist auch hier längst überfällig. Doch grüner Wasserstoff ist kein Allheilmittel. Er darf verschleppte Klimaschutzbemühungen nicht ersetzen oder diesen gar entgegenlaufen.

Anwendbar in Industrie, Luft- und Schifffahrt

Die Herstellung des Ökowasserstoffs muss an strikte Nachhaltigkeitskriterien geknüpft sein und die Anwendungsbereiche sind klar zu bestimmen. Grüner Wasserstoff darf nur dort angewendet werden, wo eine echte Klimaschutzwirkung erzielt werden kann.

Porträtaufnahme von Christiane Averbeck.
Foto: Klima-Allianz

Christiane Averbeck

ist Geschäfts­führerin der Klima-Allianz Deutschland, eines breiten Bündnisses von rund 130 Organisationen aus allen Bereichen der Zivil­gesellschaft. Die promovierte Biologin arbeitete zuvor in Projekten der Entwicklungs­zusammen­arbeit in Ghana, Uganda und Simbabwe, forschte zur Umwelt­verschmutzung in der Nordsee, war beim Rat für Nachhaltige Entwicklung tätig und engagierte sich in einem Trainings­programm zur Bildung für nachhaltige Entwicklung.

Ein nachhaltiger Ausbau von grünem Wasserstoff wird nur dann gelingen, wenn man sich auf wenige Anwendungen beschränkt, in denen die direkte Elektrifizierung nicht möglich ist. Dafür kommen vor allem Teile der Industrie sowie die Schifffahrt und die Luftfahrt auf der Langstrecke infrage.

Aber auch hier kann der Einsatz synthetischer Kraftstoffe nur ein letztes ergänzendes Mittel zur Emissionsminderung sein – wenn zuvor alle Potenziale der Bedarfsreduktion und Effizienzsteigerung ausgeschöpft wurden.

Im Pkw-Bereich muss der Einsatz synthetischer Kraftstoffe konsequent ausgeschlossen werden. Batterie-elektrische Antriebe sind hier deutlich effizienter. Der Schwerpunkt muss ohnehin auf einer umfassenden Verkehrswende mit Verkehrsvermeidung und dem Ausbau von Schiene und öffentlichem Verkehr liegen.

Gleiches gilt für den Wärmesektor: Statt Wasserstoff müssen elektrische Wärmepumpen und Wärmedämmung im Vordergrund stehen.

Der sogenannte blaue Wasserstoff aus fossilem Erdgas in Kombination mit der Speicherung von CO2 per CCS-Technologie darf nicht öffentlich gefördert werden. Klimaschädliche fossile Energieträger haben im Energiesystem der Zukunft keinen Platz mehr.

Abhängigkeit von Energieimporten würde steigen

Eine Ausweitung der inländischen Elektrolysekapazitäten ist dringend nötig. Deutschland müsste, geht es nach dem bisher vorliegenden Entwurf der Nationalen Wasserstoffstrategie mit einer Elektrolyseleistung von 3.000 bis 5.000 Megawatt, mindestens 85 Prozent seines benötigten grünen Wasserstoffs aus dem Ausland importieren.

Altmaier geht auf SPD zu

Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) geht bei der Nationalen Wasserstoffstrategie offenbar auf den Koalitionspartner SPD zu. Im aktuellen Strategieentwurf, der Klimareporter° vorliegt, wurde das bisher vom Wirtschaftsministerium angestrebte Ziel, bis 2030 mindestens 3.000 und möglichst 5.000 Megawatt "grünen" Wasserstoff zu produzieren, deutlich erhöht. Nun heißt es in dem Strategieentwurf, dass "weitere deutsche Elektrolyseleistung" von bis zu 5.000 Megawatt aufgebaut werden soll – insgesamt also bis zu 10.000 Megawatt. Genau diese Kapazität hatte die SPD in ihrem Papier zur Wasserstoffstrategie Mitte Mai gefordert.

2030 würde dann nur grüner Wasserstoff mit einem Energiegehalt von 14 Milliarden Kilowattstunden in Deutschland selbst erzeugt werden – bei einem geschätzten Bedarf von 90 bis 110 Milliarden Kilowattstunden.

Heute decken Energieimporte im Schnitt 64 Prozent des deutschen Bedarfs ab – in einer Wasserstoff-Ökonomie würde diese Importabhängigkeit sogar noch zunehmen.

Auch nötige Importe grünen Wasserstoffs müssen an klare Nachhaltigkeitskriterien geknüpft sein, um sicherzustellen, dass die lokale Bevölkerung in den Herstellungsländern, besonders im globalen Süden, davon profitiert.

Dazu gehört unter anderem, den Zugang zu Energie und Wasser vorrangig sicherzustellen, vor Ort Arbeitsplätze zu schaffen, die Zivilgesellschaft in die Wasserstoff-Planungen einzubeziehen und Landnutzungsrechte zu beachten.

Auch in den Exportländern muss der Energiebedarf für den grünen Wasserstoff aus zusätzlichen Kapazitäten an erneuerbaren Energien gedeckt werden. Diese müssen über den Ausbau hinausgehen, der für die Dekarbonisierung der eigenen Energieversorgung nötig ist.

Wenn Kohlekraftwerke in Afrika oder Australien länger laufen, weil erneuerbare Energien für den Export von grünem Wasserstoffs genutzt werden, ist das kontraproduktiv für den Klimaschutz und für die regionale Entwicklung. Die Bundesregierung hat eine globale Verantwortung und darf den eigenen Ausbau erneuerbarer Energien nicht in andere Weltregionen auslagern, wenn das dort zulasten einer nachhaltigen Entwicklung geht.

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