Hy4 Brennstoffzellen-Flugzeug DLR
Das HY4-Brennstoffzellenflugzeug des DLR. (Foto: DLR)

Acht Jahre ist das schon her: Im Juli 2011 präsentierte das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) erstmals ein mit Brennstoffzellen angetriebenes Bugrad, eingebaut ins DLR-Forschungsflugzeug A320 Atra.

Eine Brennstoffzelle erzeugt aus Wasserstoff und Sauerstoff elektrischen Strom, der zwei Elektromotoren speist, die dann das Bugrad und mit ihm den 47 Tonnen schweren Airbus in Bewegung setzen.

Das ist effizienter und, wenn aus Ökostrom hergestellter Wasserstoff genutzt wird, auch klimafreundlicher, als wenn Flugzeugturbinen die Jets über die Rollbahn schieben.

Würden zum Beispiel alle Flugzeuge, die im Airport Frankfurt am Main übers Rollfeld schleichen, dabei ihre Turbinen abstellen und aufs Brennstoffzellen-Bugrad umsteigen, ließen sich mehr als 40 Tonnen Kerosin sparen, warb das DLR schon 2011. Die entsprechenden CO2-Emissionen am Boden würden um mehr als 120 Tonnen zurückgehen.

Bis heute allerdings blieb das ökoelektrische Bugrad am DLR-Flugzeug das einzige seiner Art. Kerosin ist einfach viel zu billig, erklärte Josef Kallo, Leiter der Forschungsgruppe Energiesystemintegration bei der DLR in Stuttgart, kürzlich bei einer Medienpräsentation das fehlende Interesse der Fluggesellschaften.

Kallo und das DLR arbeiten intensiv daran, Wasserstoff als Flugzeugtreibstoff praxisreif zu machen. So startete vor drei Jahren, im September 2016, mit dem HY4 das erste viersitzige Passagierflugzeug zum Erstflug, das allein durch ein Wasserstoffbrennstoffzellen-Batterie-System angetrieben wird.

"Die Physik ist nicht gegen uns"

In zehn Jahren, so Kallos Prognose, könnten Regionaljets mit bis zu 80 Passagieren an Bord so bis zu 800 Kilometer weit fliegen – und ohne aufzutanken wieder zurück. Den Treibstoff dafür – hochkomprimierten grünen Wasserstoff – führen sie in einem Tank im hinteren Flugzeugteil mit.

"Alles, was wir im Labor und bei den Tests im Flugzeug sehen, ist, dass die Physik nicht gegen uns ist und die Wasserstoff-Technologie funktionieren kann", sagt Kallo.

Technisch besteht eine der Herausforderungen darin, die Brennstoffzellen in großer Höhe mit dünner Luft und wenig Sauerstoff genauso zuverlässig arbeiten zu lassen wie in allen anderen Höhen und auch am Boden. Mit so einem Problem schlagen sich Autobauer nicht herum. Auch müssen die Brennstoffzellen in der Höhe ausreichend gekühlt werden.

Flugzeugen, die die Energie in einer Batterie mit sich führen, sagt der Forschungschef keine große Zukunft voraus. "Die Batterie ist nicht geeignet, um Flugzeuge jeglicher Größe zum Fliegen zu bringen, außer vielleicht spezielle Segelflugzeuge", ist der DLR-Koordinator sicher.

Er untermauert das auch mit Zahlen. So sei mit Batterien bisher im besten Fall eine Energiedichte von 180 Wattstunden pro Kilogramm möglich. Damit komme man fliegend höchstens 200 Kilometer weit – zu wenig für einen sinnvollen Linienverkehr.

Zum Vergleich: Handelsübliche Akkus für E-Autos haben derzeit eine Kapazität von 140 Wattstunden pro Kilogramm, sogenannte Top-End-Batterien kommen auf 250 Wattstunden. Start-ups werben schon mit Energiedichten von 280 bis 300 Wattstunden pro Kilo und halten 500 für möglich – ob diese Batterien den Belastungen eines realen Flugbetriebs standhalten, ist aber nicht bekannt.

H2-Fliegen zunächst in Bahn-Entfernung

Mit Wasserstoff sind derzeit laut DLR jedoch 630 Wattstunden je Kilo Brennstoffzelle möglich, künftig sogar 1.200 Wattstunden. Damit kämen Jets 1.700 bis 1.800 Kilometer weit.

Damit nicht auf jedem Airport gleich die nötige Wasserstoff-Infrastruktur vorhanden sein muss, bewirbt der DLR-Experte seine Vision mit einem Beispiel, bei dem ein Regionalflieger bei einem Flugtempo von 400 bis 550 Stundenkilometern bis zu 800 Kilometer und wieder zurück fliegt und dann noch immer eine Sicherheitsreserve hat.

Über den Markt für Wasserstoff-Mittelstreckenflüge hat sich Kallo auch Gedanken gemacht. So wird das Drehkreuz Frankfurt am Main jedes Jahr von 20 Millionen Passagieren aus weniger als 800 Kilometern Entfernung angeflogen. Alle Flüge bis 800 Kilometer weltweit emissionsfrei zu machen, das sei erreichbar, gibt sich Kallo optimistisch.

Der Frage, ob man solche mittleren Entfernungen, zumindest in Deutschland oder Europa, nicht besser mit der Bahn als dem Flieger zurücklegen sollte, weicht Kallo aus. In Deutschland könne ein Wasserstoff-Regionalflugverkehr nicht für jeden interessant sein, räumt er nur ein.

Über die Kosten, so etwas nur im Inland in die Lüfte zu bringen, gibt es naturgemäß nicht einmal Schätzungen. Kallo plädiert für eine realistische Sicht auf die fliegende Zukunft. Man solle nicht die Vorstellung haben, dass "wir morgen alle mit Airtaxis und emissionsfrei nach Tokio fliegen".

Sehr viel mehr Ökostrom notwendig

Den Weg nach Tokio schafft man, das machte der Ingenieur auch klar, nicht mehr mit Wasserstoff. Da muss synthetisches Kerosin her. Soll das klimapolitisch Sinn haben, muss dieser Flugtreibstoff ebenfalls weitgehend mithilfe von Ökostrom hergestellt werden. Kallo: "Es wird nur dann funktionieren, wenn wir Wasserstoff CO2-frei oder -reduziert bereitstellen. Gelingt uns das, haben wir ein sehr großes CO2-Reduktionspotenzial."

Derzeit werden, so der DLR-Experte, in Deutschland jedes Jahr knapp neun Millionen Tonnen Kerosin in die Flugzeugtanks gefüllt. Das entspreche einem Energiegehalt von 105 Milliarden Kilowattstunden. Wegen der Umwandlungsverluste muss man jedoch die doppelte bis dreifache Menge Ökostrom einsetzen, um Kerosin künstlich zu erzeugen.

Im Jahr 2030 soll – laut dem Klimaschutzprogramm 2030 der Bundesregierung – die gesamte erneuerbare Stromerzeugung in Deutschland bei 370 Milliarden Kilowattstunden liegen. Das dürfte gerade reichen, um den Strombedarf fürs Ökokerosin und die künftige E-Autoflotte abzudecken – für grünen Strom an sich bliebe nichts übrig.

"Wir brauchen eine industrielle Wasserstoffbereitstellungsindustrie nur für die Luftfahrt", forderte Kallo denn auch – und steht den bisherigen Anstrengungen der Bundesregierung beim Ausbau der Erneuerbaren kritisch gegenüber. Hier werde "definitiv" mehr Leistung gebraucht, sagte er – mindestens um den Faktor zwei bis drei.

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