Der noch im Bau befindliche Bürgerwindpark Wewelsburg
Windstrom statt Erdgas – indirekt ist das auch kurzfristig eine Option, langfristig ohnehin. (Foto: Energieagentur NRW/​Flickr)

Jede Kilowattstunde hilft, meint Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck, gerade dann, wenn Russland den Gashahn ganz zudreht. Mit dem kürzlich geänderten Energiesicherungsgesetz kann der Bund den Energieunternehmen künftig nicht nur Preise vorschreiben oder Finanzhilfen geben. Möglich ist auch, eine Zeitlang Vorschriften wie Immissions- oder Umweltauflagen abzuschwächen oder aufzuheben.

Warum soll das nur für Anlagen gelten, die fossile Brennstoffe oder Abfälle einsetzen, fragt sich da die Windkraftbranche. Zu den Auflagen, die per Energiesicherungsgesetz gelockert werden können, gehören beispielsweise auch Lärmschutz- oder Artenschutz-Vorschriften.

Angesichts einer krisenhaften Lage bei der Energieversorgung kann sich der Windkraftverband BWE eine "begrenzte Aussetzung" von Genehmigungsauflagen vorstellen, erklärte Verbandsgeschäftsführer Wolfram Axthelm Ende letzter Woche bei einem Briefing.

Damit könnte im Winter zwar kein Erdgas direkt ersetzt, aber dafür gesorgt werden, dass ausreichend Strom bereitsteht, damit Deutschland neben der Gaskrise nicht auch noch eine Stromkrise bekomme, so Axthelm. Zeitweilige Lockerungen beim Schall- und beim Artenschutz könnten zwei bis sechs Prozent mehr Windstrom erbringen, schätzt der Verband.

Mit dem bisherigen Windkraftausbau in diesem Jahr ist die Branche nicht zufrieden. Von Januar bis Juni wurden an Land 238 neue Windanlagen mit zusammen 977 Megawatt Nennleistung installiert, so eine jetzt veröffentlichte Analyse der Beratungsfirma Deutsche Windguard. Der Ausbau bewege sich damit fast auf dem gleichen Niveau wie im selben Zeitraum des Vorjahres.

Die Zahlen seien nicht so gut wie gedacht, räumte auch BWE-Geschäftsführer Axthelm ein. Das liege auch an den Lieferketten, es gebe Probleme bei der Umsetzung laufender Projekte. Für die zweite Jahreshälfte hoffe der Verband nun auf einen "kleinen Sprint", sagte er.

Vervielfachung des Ausbautempos nicht in Sicht

Ob der Sprint gelingt, ist fraglich. Besonders bei der Genehmigung neuer Windprojekte gibt es Axthelm zufolge eine "sehr negative Situation". Dabei würden in diesem Jahr noch 2.500 Megawatt Wind an Land ausgeschrieben. Dieses Volumen müsse erst noch ausgefüllt werden. Axthelm appellierte an die Bundesländer, über den Sommer noch jede Menge Genehmigungen zu erteilen.

 

Für 2022 sagt die Windguard-Analyse einen Zubau von 2.400 bis 3.000 Megawatt voraus. Das wäre das Doppelte bis Dreifache des Ausbautempos der letzten Jahre. Um das Klimaschutzgesetz einzuhalten, wird für die 2020er Jahre bei Wind an Land allerdings ein jährlicher Zubau um die 10.000 Megawatt angestrebt.

Dabei lobt die Branche das jüngst verabschiedete "Osterpaket" als das ehrgeizigste Gesetzeswerk zur Energiewende, das es in Deutschland je gab. Einige Regelungen seien "bahnbrechend", wie das erstmals gesetzlich verankerte Flächenziel für Windkraft an Land von bundesweit zwei Prozent.

Allerdings nehme die jetzt von der Ampel noch vorgenommene Verschiebung des Zwischenziels bei der Flächenbereitstellung von Ende 2026 auf Ende 2027 deutlich Druck von den Ländern weg, bemängelte Axthelm.

Kritisch sieht der BWE auch, dass die Länder jetzt sogar bis zu 50 Prozent ihrer jeweiligen Wind-Flächenvorgabe durch Flächentausch mit anderen Bundesländern erfüllen können. Die Ausweisung von Flächen drohe so noch Schleifen zu drehen, meinte Axthelm.

In dem Zusammenhang bedauerte Axthelm auch, dass die Ampel-Koalition auf den letzten Metern das Ziel eines treibhausgasneutralen Stromsystems für 2035 aus dem Osterpaket gestrichen hat.

Weiterhin kritisiert der Windverband, dass der Kohleausstieg und das Ende der EEG-Förderung miteinander verknüpft werden. "So einfach kann man sich das nicht machen", betonte Axthelm. Hier müsse es ein Umdenken geben.

Wenig kann der Windverband auch der mit dem Gesetzespaket beschlossenen Regelung abgewinnen, dass die Bundesnetzagentur das Ausbauvolumen der Windkraft je nach Entwicklungsstand der Erneuerbaren-Technologien um 30 Prozent nach unten oder oben anpassen kann. Das atme noch ein wenig den planwirtschaftlichen Ansatz der Vorvorgängerregierung, meinte Axthelm.