Gemeinheiten in Gesetzen verstecken sich gern in unscheinbaren Paragrafen. Zum Beispiel auf Seite 11 im Klimareporter° vorliegenden Referentenentwurf des mehr als 150 Seiten starken Energiesammelgesetzes. Dort steht, dass in Paragraf 48 Absatz 2 Nummer 3 des geltenden Erneuerbare-Energien-Gesetzes die "11,09 Cent pro Kilowattstunde" durch 8,33 Cent ersetzt werden sollen.
Der originale Paragraf 48 Absatz 2 Nummer 3 des EEG gewährt "Strom aus Solaranlagen, die ausschließlich auf, an oder in einem Gebäude oder einer Lärmschutzwand angebracht sind", bei einer Leistung von 40 bis 750 Kilowatt eine Vergütung von 11,09 Cent. Die soll nun per Sammelgesetz ab Anfang 2019 plötzlich auf 8,33 Cent gesenkt werden – also um mehr als 20 Prozent.
Die Solarbranche ist entsetzt. Das sei ein "Anschlag auf die Energiewende", beschwert sich Carsten Körnig vom Bundesverband Solarwirtschaft (BSW-Solar). "Eine so hohe Förderkürzung mit so kurzer Vorwarnung greift tief in die Planungssicherheit der Handwerksbetriebe ein. Viele Vertragsverpflichtungen und Finanzierungen werden sich nicht mehr erfüllen lassen. Das könnte in Einzelfällen sogar bis zur Insolvenz von Installationsbetrieben führen", warnt Körnig.
Rund die Hälfte der jährlich neu installierten Solarstromanlagen ist nach Branchenangaben von der geplanten Förderkürzung betroffen. Der Solarverband fordert, diese wenigstens zeitlich zu strecken.
Die Kürzung zieht zudem einen Kollateralschaden nach sich: Der EEG-Zuschlag für große Mieterstromanlagen würde um bis zu 50 Prozent sinken, kritisiert Robert Busch vom Bundesverband Neue Energiewirtschaft.
Ein Punkt in dem Entwurf erfreut immerhin die Solarbranche: dass die nunmehr für die Jahre 2019 bis 2021 vorgesehenen Sonderausschreibungen von 4.000 Megawatt Solarstrom nicht auf den Förderdeckel von 52.000 Megawatt angerechnet werden. Wenn diese Solar-Kapazität in Deutschland erreicht ist, soll es keine EEG-Förderung mehr für neue Anlagen geben. Nach Einschätzung von BSW-Geschäftsführer Körnig dürfte das spätestens im Verlauf des Jahres 2020 der Fall sein.
Windbranche hat viel Detailkritik
Auch die Windbranche hadert mit dem Gesetzentwurf. Es sei gut, dass sich der energiepolitische Stillstand offensichtlich dem Ende nähere, meint Hermann Albers, Präsident des Bundesverbandes Windenergie (BWE). Zugleich seien aber viele Fragen offen.
Zwar werden nun auch für Windprojekte an Land für 2019 bis 2021 die 4.000 Megawatt Sonderausschreibungen auf den Weg gebracht – 1.000 Megawatt 2019, 1.400 Megawatt 2020 und 1.600 Megawatt 2021. Die Koalition wolle aber erst im Herbst 2019 darüber sprechen, wie sich der Ausbau bis 2030 entwickeln muss, um das Ziel von 65 Prozent Ökostrom bis 2030 zu erreichen, kritisiert Albers. "Dies ist angesichts von Planungszeiten von mindestens drei bis fünf Jahren sehr spät." Auch sei die Offshore-Windenergie offenbar ganz vergessen worden.
Im Gesetzentwurf finden sich auch die sogenannten Innovations-Ausschreibungen wieder. Um diese speziellen Ausschreibungen mit zusammen 1.050 Megawatt können sich sowohl Wind- als auch Solarstromprojekte bewerben. Erprobt werden dabei nach dem Willen der Bundesregierung neue Preismechanismen, die zu mehr Wettbewerb führen und die Erneuerbaren flexibler und netzdienlicher machen.
Die Windbranche habe diese Art Ausschreibungen immer gefordert, betont der BWE, bemängelt allerdings, dass die 1.050 Megawatt nicht zusätzlich sind, sondern auf die bestehenden bundesweiten Ziele beim Wind- und Solarausbau angerechnet werden. Zudem störten "restriktive Ausschreibungsregeln".
Für Lisa Badum von der Grünen-Fraktion im Bundestag ist der Entwurf des Energiesammelgesetzes bislang weder geeignet, das Wegbrechen der Erneuerbaren wirklich zu stoppen, noch könne damit das 65-Prozent-Ziel für 2030 erreicht werden. Badum weist auch darauf hin, dass Nordrhein-Westfalen und Brandenburg im Bundesrat "widersinnige Anträge" eingebracht haben, die den Neubau von Windrädern nach Ansicht der Grünen komplett stoppen würden.
Ende der Dauerbeleuchtung von Windparks
Aus dem rot-rot regierten Brandenburg kommt noch eine weitere Forderung, mit der sich die Windbranche im Energiesammelgesetz konfrontiert sieht und die auf den ersten Blick befremdlich wirkt. Laut dem Entwurf soll den Windanlagen an Land und auf See künftig eine "bedarfsgerechte Nachtkennzeichnung" vorgeschrieben werden. Das soll ab 2020 für Neu- und ab 2021 für Bestandsanlagen gelten, ausgenommen sind nur kleinere Windparks.
Der Hintergrund: Wegen der Luftsicherheit müssen Windanlagen in Deutschland gekennzeichnet werden. Tagsüber genügen eine farbliche Markierung oder ein weiß blinkendes Tagesfeuer, nachts müssen rote Blinklichter und ab 150 Metern Höhe eine dauerhaft rote Turmbeleuchtung her. Besonders die Nachtkennzeichnung werde von vielen als störend empfunden, schreibt selbst die Fachagentur Windenergie, eine Einrichtung von Bund, Ländern, Kommunen, Unternehmen und Umweltverbänden, in einem Hintergrundpapier. Studien hätten vor allem den Wunsch nach einer "bedarfsorientierten Befeuerung" gezeigt.
Bei dieser werden die Warnlichter einer Anlage erst aktiviert, wenn sich ein Flugzeug nähert. Dadurch kann laut Fachagentur ein Windpark im Schnitt 90 Prozent seiner Betriebszeit unbeleuchtet bleiben. Allerdings könne die Bedarfsbeleuchtung bis zu 750.000 Euro kosten.
Mit dem Ärger um den sogenannten "Disko-Effekt" sah sich, wie zu hören war, öfter auch Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) konfrontiert. Regelmäßig sollen Einwohner Brandenburgs, die an der Grenze zu Mecklenburg-Vorpommern wohnen, dem Landeschef vorgeführt haben, wie die brandenburgischen Windparks in voller "Disko-Beleuchtung" erstrahlen, während der Windpark wenige hundert Meter hinter der Landesgrenze unsichtbar im Dunkeln steht. Dort ist die "bedarfsgerechte Nachtkennzeichnung" nämlich bereits vorgeschrieben. Auch Brandenburg wollte sie jetzt in die Landesbauordnung aufnehmen.
Das wird nun mit dem Energiesammelgesetz nicht mehr nötig sein. Die Windbranche selbst sieht zwar auch die akzeptanzsteigernde Wirkung des Lichtabschaltens, ist aber mit den Fristen unzufrieden. Diese seien zu kurz, denn nach der nötigen Genehmigung der Nachtkennzeichnung durch die Flugsicherung dauere die Installation des Systems weitere zwölf Monate. Hier müsse die Politik noch nachbessern.
Kurz sind auch die Fristen, in denen das Sammelgesetz durchs Parlament gebracht werden soll. Nächsten Mittwoch soll sich das Kabinett damit befassen, obwohl die Ressortabstimmung noch läuft, und Ende des Monats schon der Bundestag zustimmen. Bisher hat das Gesetzesprojekt aber alle gesetzten Fristen gesprengt.
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