Ein Monteur befestigt Solarmodule auf einem Dach.
Auf Eigenheimen wurden wieder mehr Photovoltaik-Anlagen installiert. Doch bei Gewerbedächern geht der Ausbau zu langsam voran. (Foto: Alex Csiki/​Pixabay)

Der Ausbau der Solarenergie hat im ersten Halbjahr um 22 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum zugelegt. Insgesamt wurden neue Photovoltaik-Kapazitäten im Umfang von 2.755 Megawatt installiert.

Das geht aus Zahlen der Bundesnetzagentur hervor, die der Branchenverband BSW Solar ausgewertet hat. Im ersten Halbjahr 2020 waren demnach neue Anlagen mit einer Kapazität von insgesamt 2.257 Megawatt gebaut worden.

Deutlich stärker war der Zuwachs bei den großen Freiflächenanlagen mit einer Spitzenleistung über 750 Kilowatt. Insgesamt wurden hier von Januar bis Juni 2021 Anlagen mit einer Kapazität von 692 Megawatt neu errichtet. Das sind 107 Prozent mehr als im Vergleichszeitraum des Vorjahres.

"Das Wachstum bei den Freiflächenanlagen allein kann nicht den Markt tragen", dämpft BSW-Geschäftsführer Carsten Körnig den Optimismus. "Wir brauchen alle Segmente."

In den einzelnen Bereichen ist die Entwicklung recht unterschiedlich. Auch bei sehr kleinen Anlagen, wie sie Eigenheimbesitzer:innen oder Kleingewerbetreibende typischerweise installieren, gab es ein Zubauplus – wenn auch nicht so deutlich wie bei den großen Freiflächenanlagen.

Einen deutlichen Einbruch beim Solaranlagenausbau registrierte der Branchenverband auf mittelgroßen Gewerbedächern. Im ersten Halbjahr kamen 661 Megawatt hinzu, 14 Prozent weniger als im Frühlingshalbjahr 2020.

"Anlagen dieses Typs waren in den vergangenen zehn bis 15 Jahren ein sehr wichtiger Treiber beim Solarausbau", sagt Körnig gegenüber Klimareporter°. "Aber bei diesem mittleren Gewerbebereich sehen wir gerade in den letzten zwei Monaten eine stark rückläufige Entwicklung." Hier nehme die Investitionsbereitschaft der Gewerbetreibenden ab, obwohl sie grundsätzlich für Solarprojekte aufgeschlossen seien.

Ursächlich für das gesunkene Interesse sind aus Sicht des Solarverbands die zu geringen Ausbauziele für die Photovoltaik sowie der sogenannte atmende Deckel für Solaranlagen, den die Bundesregierung 2014 im Erneuerbare-Energien-Gesetz verankert hat.

Die Deckelung soll verhindern, dass die Vergütung für neue Ökostromanlagen zu schnell steigt. Nach der Regelung sinkt die Einspeisevergütung geringfügig, wenn der Ausbau in einem vorgeschriebenen Korridor bleibt. Liegt der tatsächliche Ausbau über dem gesetzlichen Rahmen, wird die Einspeisevergütung deutlich stärker abgesenkt.

Derzeit sinkt die Marktprämie, die für jede eingespeiste Kilowattstunde gezahlt wird, laut BSW Solar jeden Monat um 1,4 Prozent. Der Mechanismus erweise sich damit als "Rentabilitätskiller", so der Verband.

Im vergangenen Jahr hatten Forschende der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin (HTW) in einer Studie gewarnt, dass der atmende Deckel die Vergütung drastisch sinken lassen werde. Solarstromanlagen, die in erster Linie mit den Einnahmen aus der Marktprämie rechnen, könnten dann ihre Kosten nicht mehr decken.

Wissenschaftsprominenz appelliert an Kanzlerin

Insgesamt ist Branchenvertreter Körnig mit der Entwicklung nicht zufrieden, trotz des gestiegenen Solarausbaus. "Wir haben vor zehn, fünfzehn Jahren schon unter Beweis gestellt, dass wir sehr viel mehr Kapazitäten realisieren können", sagt Körnig. Man müsse sich schon fragen, warum diese Potenziale nicht genutzt werden – schließlich zähle Solarstrom zu den preiswertesten Energieformen.

Mit dem derzeitigen Tempo ließen sich die Klimaziele nicht erreichen, der Ausbau müsse auf das Drei- oder Vierfache anwachsen. Auch Fachleute von der Denkfabrik Agora Energiewende oder dem Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme (ISE) halten eine solche Steigerung für notwendig.

Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom April, wonach das Klimaschutzgesetz in Teilen verfassungswidrig ist, haben sich zwar Politiker:innen diverser Parteien für mehr Klimaschutz ausgesprochen. Doch mehr als eine abstrakte Erhöhung der Klimaziele wollte die große Koalition nicht gesetzlich festschreiben.

Dabei hätte der Spruch aus Karlsruhe nach Ansicht des Solarverbands genug Anlass gegeben, eine Taskforce zu bilden, um den Ausbau der erneuerbaren Energien wieder voranzubringen. Öffentliche Konsultationen mit Interessenvertretern habe es aber gar nicht gegeben, sagt Körnig, "weder mit uns noch mit anderen Technologieverbänden".

Statt mit der Verschärfung der Klimaziele auch die dafür notwendige Maßnahme – eben einen stärkeren Erneuerbaren-Ausbau – zu beschließen, sei wertvolle Zeit durch politische Untätigkeit verloren gegangen. Der Verband fordert nun ein Solar-Beschleunigungsgesetz, das unmittelbar nach der Bundestagswahl beschlossen werden müsse.

Auch 50 prominente Wissenschaftler:innen fordern, die Energiewende-Barrieren zu beseitigen. Die Fachleute aus unterschiedlichen Disziplinen beklagen in einem offenen Brief an Bundeskanzlerin Angela Merkel, dass die Umstellung der Wirtschaft auf CO2-neutrale Energien viel zu langsam angelaufen sei. Mit einem solchen Tempo des Handelns ließen sich die Folgen der menschengemachten Klimakrise nicht vermeiden.

Initiiert wurde der offene Brief vom ehemaligen Leiter des Fraunhofer ISE Eicke Weber. Unterzeichnet haben unter anderem der HTW-Energieforscher Volker Quaschning und der Energiewende-Pionier und Chef der Energy Watch Group Hans-Josef Fell. Die Unterzeichnenden fordern Merkel auf mitzuhelfen, Wirtschaft und Energiesystem bis 2035 auf 100 Prozent Erneuerbare umzustellen.

Wieder deutlich mehr Windräder – aber nur im Norden

Die Forderung aus der Wissenschaft dürfte auch in der Windbranche auf offene Ohren stoßen. In der vergangenen Woche hat die Branche die Ausbauzahlen für das erste Halbjahr 2021 vorgelegt. Zwischen Januar und Juni wurden demnach neue Windräder mit einer Kapazität von zusammen 971 Megawatt aufgestellt. Das sind 62 Prozent mehr als im Corona-Frühling 2020 – und sogar mehr als im gesamten Jahr 2019.

Der Bundesverband Windenergie (BWE) zeigt sich ob der Entwicklung vorsichtig optimistisch. "Die Talsohle ist durchschritten", sagte BWE-Präsident Hermann Albers. Die Genehmigungslage habe sich weiter verbessert. "Vor uns liegt allerdings immer noch ein steiniger Weg, den es jetzt dringend zu ebnen gilt."

Albers mahnte zu mehr Einsatz: "Um die ambitionierten Klimaziele auf europäischer und nationaler Ebene zu erreichen, müssen jetzt politische Weichen gestellt werden." Vor allem bei den bereitgestellten Flächen und bei den Genehmigungen soll die Politik ansetzen.

Die meisten Windräder wurden laut BWE in Norddeutschland aufgestellt. Vor allem in Niedersachsen, Brandenburg, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein entstanden im ersten Halbjahr neue Windparks.

Im unterversorgten Süden hingegen stagniert nach wie vor der Ausbau. In Bayern und Hessen wurden jeweils sieben neue Windräder gebaut, im Saarland und in Sachsen gar keine. In Baden-Württemberg wurden 21 neue Anlagen in Betrieb genommen.

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