Jeweils mehrere dreibeinige Jacket-Gründungen für Offshore-Windräder stehen auf einigen schwimmenden Transportuntersätzen.
Jacket-Gründungen für Offshore-Windräder: Der Windkraft-Ausbau auf See steht vor einer mehrjährigen Flaute. (Foto: Bildagentur Zoonar/​Shutterstock)

Wer eine Branche beobachten wollte, die sehenden Auges auf Jahre in ein Loch fällt, aber nicht alarmistisch jammern will, war am heutigen Donnerstag bei der deutschen Offshore-Windkraft ganz richtig.

Im vergangenen Jahr brachte die Branche 1.111 Megawatt Wind auf See neu ans Netz – die drittgrößte Jahresmenge, seit 2010 die ersten deutschen Windparks ans Netz gingen, wie Dennis Kruse von der Deutschen Windguard in Berlin die positive Seite der Bilanz hervorhob.

Alles in allem gibt es jetzt in der deutschen Nord- und Ostsee knapp 1.500 Offshore-Windanlagen mit einer Kapazität von rund 7.700 Megawatt. Sie deckten letztes Jahr vier Prozent des hiesigen Stromverbrauchs ab, 2018 waren es drei Prozent.

Doch nun wird die Erfolgsstory ziemlich abrupt enden. Für dieses und die beiden kommenden Jahre kündigt sich eine "massive Ausbaulücke" an, erklärte Andreas Wagner, Geschäftsführer der Stiftung Offshore-Windenergie, am Donnerstag in Berlin. Für 2020 gibt es keine belastbare Ausbau-Prognose, für 2021 und 2022 rechnet man mit vielleicht jeweils 500 Megawatt. "Der Fadenriss lässt sich auch nicht mehr heilen, weil die Vorlaufzeiten für Offshore so lange sind, aber man kann die Folgen abmildern", sagte Wagner.

Wichtigstes Ziel der Branche ist es, etwa ab Mitte der zwanziger Jahre den Ausbau wieder in Fahrt zu bringen. Offiziell gilt noch das alte EEG-Ziel, bis 2030 insgesamt 15.000 Megawatt Windkraft auf See zu installieren. Davon ist mit den jetzigen 7.700 die Hälfte geschafft. In der Pipeline bis 2030 sind weitere 7.300 Megawatt, bei denen die Ausschreibungen entweder bereits abgeschlossen oder für die kommenden fünf Jahre fest eingeplant sind.

Hoffen auf höhere Ausbauziele

Allerdings rechnet die Bundesregierung in ihrem Klimaschutzprogramm 2030 inzwischen mit einem Offshore-Ausbau auf 20.000 Megawatt. Dieses Ziel war eine Zeitlang auch im Kohleausstiegsgesetz verankert gewesen, flog dort aber im November raus. "Wir warten bis heute darauf, dass die Bundesregierung und der Bundestag dieses Ziel von 20.000 Megawatt gesetzlich verankern", so Offshore-Geschäftsführer Wagner.

Wie die zusätzlichen 5.000 Megawatt geschafft werden sollen, da gibt es in der Branche nur ungefähre Vorstellungen. So hätten die Netzbetreiber signalisiert, es gebe freie Kapazitäten, um bis Mitte der zwanziger Jahre weitere 2.000 Megawatt zusätzlich anzuschließen. Die Branche sieht besonders in der Ostsee relativ schnell zu erschließende zusätzliche Flächen für etwas mehr als 1.000 Megawatt Windkraft.

Wagner gab sich heute noch der Hoffnung hin, die Windkraftziele würden wieder ins Ausstiegsgesetz aufgenommen – im Gesetzentwurf, den das Wirtschaftsministerium am Dienstag in die Ressortabstimmung gegeben hat und der nächste Woche ins Kabinett soll, findet sich zu Windstrom allerdings kein Sterbenswörtchen.

Ersatzweise orientiert sich die Offshore-Branche nun auf die für Mitte des Jahres vorgesehene EEG-Novelle oder eine Anpassung des Wind-auf-See-Gesetzes. Bis zur Sommerpause müsse hier die Gesetzgebung auf dem Wege sein, forderte Wagner.

Gesamte Windbranche lehnt Kohleausstiegsplan ab

Die Windbranche teilt übrigens die heftige Kritik der acht ehemaligen Kohlekommissions-Mitglieder aus Umweltverbänden und Wissenschaft an der Bund-Länder-Einigung zum Kohleausstieg. Auch Hermann Albers, Präsident des Bundesverbands Windenergie (BWE), lehnt die nunmehr festgelegten späten Abschalttermine für die Braunkohle in den Jahren 2028/29 sowie 2037/38 ab.

"Bei diesem Ausstiegsplan kann es nicht bleiben", stellte Albers heute in Berlin klar. Es sei ein "Hemmnis", wenn erst ab 2035 umfangreiche Kohlekapazitäten aus dem Markt genommen werden sollen. Der BWE-Präsident setzt sich weiter für den ursprünglichen Plan der Kohlekommission ein, der eine kontinuierlichere Abschaltung vorsieht.

Albers zweifelte in diesem Zusammenhang die Prognosen des Wirtschaftsministeriums zum künftigen Strombedarf an. Das Haus von Minister Peter Altmaier (CDU) geht bisher davon aus, dass Deutschland im Jahr 2030 mit rund 580 Milliarden Kilowattstunden einen geringeren Verbrauch als heute hat.

"Diese Annahme ist falsch und nicht zu halten", sagte Albers und bezog sich auf Studien des Energiewirtschaftlichen Instituts in Köln wie auch der Erneuerbaren-Branche selbst, die den Strombedarf für 2030 auf knapp 750 beziehungsweise 740 Milliarden Kilowattstunden veranschlagen.

Der BWE-Chef verwies dazu unter anderem auf den zusätzlichen Bedarf an Ökostrom für Gebäudewärme sowie für Elektromobilität und die Wasserstoffstrategie. Allein die deutschen Stahlwerke hätten einen Bedarf von 150 Milliarden Kilowattstunden Ökostrom zur Dekarbonisierung signalisiert.

Anzeige