Dampfendes Kohlekraftwerk Niederaußem in Bergheim bei Köln
Besonders Kohlekraftwerke werden von der Energiepreiskrise profitieren, wenn nicht schnell gegengesteuert wird. (Foto: Dirk Jansen/​Wikimedia Commons)

Im August 2022 kostete Strom auf dem Spotmarkt – dort läuft der Handel für die nächsten 24 Stunden – im Schnitt 35 Cent pro Kilowattstunde. Innerhalb eines Jahres hat sich der Preis damit mehr als versechsfacht. In der gleichen Zeit sind die Betriebskosten für die meisten Kraftwerksbetreiber weit weniger gestiegen.

Im deutschen Spotmarkt gilt jedoch für alle Marktteilnehmer aufgrund der sogenannten Merit Order stets derselbe Preis. Viele Betreiber verdienen daher aktuell viel Geld.

Und die Preisrally geht weiter: Die Futures für Strom im Jahr 2023, also Stromlieferungen im kommenden Jahr, wurden im August im Mittel für mehr als 54 Cent in der Grundlast (base) und fast 80 Cent in der Spitzenlast (peak) gehandelt. Immerhin hat zu diesen Preisen eine Strommenge, die rund fünf Prozent des deutschen Bruttostromverbrauchs entspricht, im August den Besitzer gewechselt.

Der für 2023 prognostizierte Preis für Importkohle liegt hingegen nur knapp über dem heutigen Niveau. Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien kennt keine nennenswerte Kostensteigerung. Die Gewinnspannen der Betreiber werden weiter steigen.

Solche "Übergewinne" werden in der öffentlichen Diskussion vor allem den erneuerbaren Energien Wind und Sonne zugeschrieben, mittlerweile immerhin in der etwas ungewohnten Gesellschaft der Kohle. Grund genug, genauer zu fragen, wie es sich mit den Mehrerlösen, Mehrkosten und Mehrgewinnen im Strommarkt verhält.

Um es vorwegzunehmen: Die größten Preis-Profiteure sind genau die Energieformen, die wir loswerden wollen und müssen: allen voran die Kohle, aber auch Erdgas und Atomkraft – falls sie im nächsten Jahr weiterbetrieben wird.

"Übergewinne" entstehen auch bei den erneuerbaren Energien, vor allem bei der Windkraft. Allerdings kommt bei den Erneuerbaren ein großer Teil quasi automatisch der Allgemeinheit zugute in Form eines überquellenden EEG-Umlagekontos. Aber der Reihe nach.

Erneuerbare Mehrgewinne kommen sofort, konventionelle später

Die Preise, zu denen Strom an den Börsen gehandelt wird, sind offen zugänglich, ebenso die stündlichen Produktionsdaten aller Kraftwerke, bei Großkraftwerken sogar blockscharf.

Letztlich können so durchschnittliche Marktwerte aller Energieträger berechnet werden, die zur Stromproduktion eingesetzt werden – von A wie Atom bis W wie Wasserkraft. Auch deren Brennstoffkosten lassen sich abbilden, und für CO2-Zertifikate gibt es transparente Marktpreise.

Alles zusammengenommen lässt sich also abschätzen, welche Energieträger besonders von der langfristig anhaltenden europaweiten Mangellage beim Strom profitieren. Die Betonung liegt dabei auf "langfristig" – denn der Stromhandel erfolgt vorrangig über mittel- und langfristige Verträge.

Aus diesem Grund schlagen die aktuell extremen Strompreise, die im 24-Stunden-Spotmarkt vorherrschen, nur sehr gedämpft und verzögert bei vielen Stromkunden auf. Nicht jede jetzt produzierte Kilowattstunde wird tatsächlich zum aktuellen Börsenpreis verkauft. Zum überwiegenden Teil geschieht das noch zu geringeren Preisen aus älteren Termingeschäften.

Tim Meyer

hat Elektro­technik studiert und am Fraunhofer-Institut für Solare Energie­systeme (ISE) promoviert. Nach Tätigkeiten in der Fraunhofer-Gesellschaft, der Industrie und als Gründer im Solar­strom­markt war er zuletzt Vorstand bei der Natur­strom AG. Heute ist er als Berater und Interims­manager für Energie­unter­nehmen tätig.

Der Spotmarkt zeigt eben nur die Preise für bisher offen gebliebene Produktions- oder Handelsvolumina, die – vereinfacht gesagt – als Teile der gängigen Handelsstrategien bewusst noch nicht gedeckt wurden oder für die aufgrund von kurzfristigen Produktions- und Laständerungen noch Mengen beschafft oder verkauft werden müssen.

Mit der Zeit wird aber der Anteil der tatsächlich zu den jetzigen hohen Preisen gehandelten Mengen größer, da neue Mittel- und Langfristverträge sich an den aktuellen, ebenfalls sehr hohen Future-Preisen für die Folgejahre orientieren.

Anders ist dies lediglich bei erneuerbarem Strom gemäß dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG). Dieser wird größtenteils Teil über den Spotmarkt veräußert, sodass die jeweiligen Marktwerte bereits heute für den Löwenanteil des produzierten erneuerbaren Stroms auch tatsächlich erzielt werden.

Übersetzt heißt das: Für Strom aus erneuerbaren Energien gemäß EEG fallen Übergewinne kurzfristig entsprechend dem aktuellen Spotmarkt-Preis an. Für Strom aus konventionellen Energien gilt dies nur für einen Teil der Produktion – für den Rest baut sich über die Terminmärkte aber gleichzeitig eine umso gewaltigere Gewinnwelle für die kommenden Jahre auf.

Mit diesen Einschränkungen lassen sich auf Grundlage der ermittelten aktuellen Marktwerte die Größenordnungen der erzielbaren Übergewinne beim Strom und ihre Verteilung zwischen allen Energieformen ermitteln. Die in der untenstehenden Tabelle dargestellten Zahlen beziehen sich dabei nur auf das erste Halbjahr 2022 und den Vergleich mit dem ersten Halbjahr 2021.

Da sich die Dramatik der Preisentwicklung seit Juli weiter verschärft hat, sind in der Tabelle auch die aktuellen Monatswerte für August 2022 und der Vergleich zum August des Vorjahres angegeben. In der Energiewirtschaft ist dabei die Einheit Euro pro Megawattstunde (€/MWh) gebräuchlich. Zehn Euro pro Megawattstunde sind umgerechnet ein Cent pro Kilowattstunde.

  Marktwert
€/MWh
direkte Kosten Brenn­stoff + CO2
€/MWh
Steigerung Rohertrag
€/MWh

Menge
TWh

zusätzlicher Wert
Mrd. €
1. Hj. 2021 1. Hj. 2022 Aug. 2022 1. Hj. 2021 1. Hj. 2022 Aug. 2022 1. Hj./​1. Hj Aug./​Aug. 1. Hj. 2021 1. Hj. 2022 Aug. 2022 1. Hj./​1. Hj Aug./​Aug.
 Braunkohle  59 200 362 58 105 115 94 245 46,6 50,2 4,0 4,7 1,0
 Steinkohle 61 211 369 42 130 137 61 213 21,0 29,7 2,3 1,8 0,5
 Erdgas 59 211 392 32 119 227 64 137 29,9 25,9 1,3 1,7 0,2
 Atomenergie 55 187 358 10 10 10 132 303 32,1 15,9 1,3 2,1 0,4
 Wasserkraft 57 186 358       129 301 6,8 5,4 0,4 0,7 0,1
 Biomasse* 55 187 381       133 326 19,8 17,9 1,0 2,4/0,0 0,3
 Windkraft* 44 140  361       96 317 25,2 29,5 3,9 2,8/1,5  1,2
 Solarenergie* 51 169 301       119 251 19,8 17,9  1,0 2,1/0,5  0,3
   Δ Marktwert – Δ direkte Kosten = Δ Rohertrag      
       Δ Rohertrag × Menge = Mehrerlös
Übersicht der Analyseergebnisse. (Daten: Energy Charts, ENTSO-E, EEX)
* Durch Abweichungen der gemeldeten Mengen zwischen ENTSO-E und den Rohdaten der deutschen Übertragungsnetzbetreiber kommt es zu kleinen Abweichungen bei den Marktwerten für die erneuerbaren Energien gegenüber den auf der Transparenzplattform gemeldeten Werten.
Kursive Zahlen: Die zusätzlich erlösten Werte von Erneuerbaren-Strom kommen zum großen Teil automatisch der Allgemeinheit zugute. Bei hohen Marktwerten werden keine EEG-Förderungen mehr ausgezahlt, was das EEG-Konto entlastet. Gleichzeitig fließen die Vermarktungserlöse des Stroms aus Anlagen mit fester Einspeisevergütung auf das EEG-Konto. Bei der Photovoltaik betrifft dies 63 Prozent der Anlagen. Lediglich für Erneuerbaren-Anlagen in der Vermarktungsform "Marktprämie" werden nennenswert Zusatzerlöse bei Betreibern oder Vermarktern realisiert. In der Tabelle ist daher hinter dem unmittelbaren zusätzlichen Marktwert auch eine Abschätzung angegeben, wie viel davon in der Privatwirtschaft verbleiben dürfte und nicht automatisch über den EEG-Mechanismus der Allgemeinheit zugutekommt.

Größter Krisengewinner ist wohl die Braunkohle

Vermutlich größter Gewinner der aktuellen Energiepreiskrise ist die Braunkohle. Im ersten Halbjahr dieses Jahres konnten die Kraftwerksbetreiber für noch nicht verkaufte Strommengen 20 Cent pro Kilowattstunde erlösen und damit 14 Cent mehr als im ersten Halbjahr des Vorjahres.

Natürlich stiegen von 2021 zu 2022 auch die Kosten der Braunkohleverstromung. Auf die Kosten des Brennstoffs aus den Tagebauen der Kraftwerksbetreiber dürfte dies allerdings nur geringfügig zutreffen. Die nötigen CO2-Zertifikate hingegen verteuerten sich bei tagesaktueller Beschaffung um etwa 3,7 Cent pro Kilowattstunde.

Von den 14 Cent Mehrerlös im ersten Halbjahr 2022 bleiben so um die neun Cent pro Kilowattstunde für die Betreiber übrig – als Gewinnsteigerung. Wäre der gesamte Braunkohlestrom im ersten Halbjahr über den Spotmarkt verkauft worden, ergäben die auf Braunkohlebasis erzeugten 50 Milliarden Kilowattstunden einen Mehrerlös von rund 4,7 Milliarden Euro. Allein im August 2022 wäre ein Mehrerlös von einer Milliarde angefallen.

Und tatsächlich wurde die Braunkohleverstromung seit dem zweiten Quartal um etwa 20 Prozent hochgefahren. Es gab also in diesem Jahr bei der Braunkohle bereits nennenswerte freie Strommengen, die sich zu den hohen Spotmarktpreisen losschlagen ließen.

Die mit aktuellen Spotmarktpreisen bewerteten 4,7 Milliarden Euro Übergewinn sind im ersten Halbjahr wohl nicht realisiert worden. Gleichzeitig können sich aber die Kraftwerksbetreiber über den Terminmarkt für ihre Erzeugung für den Zeitraum 2023 bis 2025 deutlich größere Übergewinne für die Zukunft sichern.

Die Zeit drängt also, zügig Regelungen zum Abschöpfen von Übergewinnen zu finden, denn ein Eingriff in bereits für die Zukunft getätigte Handelsgeschäfte könnte schwer werden.

Strom aus Steinkohle hatte im ersten Halbjahr 2022 einen Marktwert von rund 21 Cent je Kilowattstunde, das sind 15 Cent mehr als im ersten Halbjahr 2021.

Der Preis für den Brennstoff hat sich gemäß Coal Index im Vergleichszeitraum zwar ebenfalls verdreifacht und dürfte statt der früher üblichen rund drei Cent bei zehn Cent je Kilowattstunde gelegen haben. Dazu kommen Mehrkosten für CO2-Zertifikate von rund 1,4 Cent je Kilowattstunde. Als Gewinnsteigerung bleiben so gut sechs Cent je Kilowattstunde übrig.

Wäre die gesamte Steinkohleverstromung im ersten Halbjahr zu Spotmarkt-Preisen verkauft worden, hätten sich rund 1,8 Milliarden Euro Zusatzgewinn ergeben.

Tatsächlich wurde die Steinkohleverstromung auch massiv hochgefahren, im Vergleich zum Vorjahr um über 40 Prozent. Es dürften also große Strommengen zu neuen Preisen und mit entsprechenden Zusatzgewinnen auf den Markt gekommen sein.

Und für künftige Produktionsmengen gilt dasselbe wie bei der Braunkohle: Die Übergewinnwelle baut sich weiter auf.

Übergewinne selbst bei Gaskraftwerken

Bemerkenswert ist das Bild bei Strom aus Gaskraftwerken. Dessen Marktwert lag im ersten Halbjahr 2022 auf dem Niveau des Marktwertes des Stroms aus Steinkohle. Die Erlöse für kurzfristig verkaufte Gasstrommengen sind damit um über 15 auf 21 Cent gestiegen.

Die Marktpreise für Erdgas und CO2-Zertifikate sind um knapp neun Cent je Kilowattstunde gestiegen, anders als bei der Steinkohle, wo der Anteil für den Brennstoff etwas größer und für die CO2-Zertifikate geringer war.

Die Differenz von über sechs Cent hätte, bezogen auf die gesamte Gasstromerzeugung von knapp 26 Milliarden Kilowattstunden im ersten Halbjahr, zu rund 1,7 Milliarden Euro Mehrgewinn geführt.

Selbst bei Gaskraftwerken werden also aufgrund der allgemeinen Stromknappheit Mehrerlöse realisiert. Das ist betriebswirtschaftlich sicher optimal, aber wohl auch ein fragwürdiges Geschäft, wenn Staat und Kunden in Deutschland Stützungsmilliarden für Gasversorger locker machen.

Auch die Atomkraft konnte ihren Marktwert kräftig ausweiten. Dieser stieg zwar "nur" um rund 13 Cent je Kilowattstunde. Dafür gab es keine Teuerung durch CO2-Zertifikate und vermutlich auch keine durch Brennstoffe, da im Rahmen des Atomausstiegs keine neuen Brennstäbe mehr eingekauft wurden.

Bei der erzeugten Menge von knapp 16 Milliarden Kilowattstunden Atomstrom im ersten Halbjahr ergibt sich rechnerisch eine Steigerung des aktuellen Marktwerts im ersten Halbjahr von satten 2,1 Milliarden Euro.

Die Atomstromproduktion dürfte allerdings fast vollständig zu "alten" Preisen auf Termin verkauft worden sein, insofern ist dieser Wert weitgehend theoretisch.

Würde hingegen eine Laufzeitverlängerung erfolgen, wären alle Strommengen ab Januar 2023 offene Mengen und zu aktuellen Marktwerten zu verkaufen.

Ist eine solche Analyse graue Theorie mit zu viel Konjunktiv? Ein Blick auf die aktuellen Quartals- und Halbjahreszahlen der großen Kraftwerksbetreiber bestätigt das gezeichnete Bild: Die konventionellen Kraftwerkssparten verdienen bereits jetzt richtig Geld. Und über die Terminmärkte baut sich die Welle an Übergewinnen weiter auf.

Windkraft führt ein Drittel der Mehrerlöse ab

Auch bei Wind- und Solarenergie gibt es Mehrgewinne, ein großer Teil kommt aber über den EEG-Mechanismus automatisch der Allgemeinheit zugute.

Der Marktwert von Windstrom stieg im Jahresvergleich um gut neun Cent auf 14 Cent je Kilowattstunde. Und anders als bei konventionellen Kraftwerken können Mehrerlöse bereits heute bei einem Großteil der erzeugten Mengen realisiert werden, weil aufgrund der Regelungen des EEG der größte Teil des erneuerbaren Stromes über den Spotmarkt verkauft wird.

Ein nennenswerter Teil dieser Mehrerlöse kommt aber über das EEG-Umlagekonto automatisch der Allgemeinheit zugute. Denn bei den hohen Preisen, die am Markt zu erzielen sind, erhalten die Betreiber keine Marktprämie mehr aus dem EEG-Topf. Liegen die Marktwerte unterhalb der Einspeisevergütung, gleicht der Netzbetreiber die Differenz über diese Marktprämie aus und bedient sich dafür aus dem EEG-Topf.

Nimmt man eine durchschnittliche Vergütung der deutschen Windkraft von acht Cent je Kilowattstunde an, floss etwa ein Drittel der erzielten Mehrerlöse auf das EEG-Konto. Die Marktwerte oberhalb der Einspeisevergütung bleiben hingegen in der Privatwirtschaft, das heißt je nach Ausgestaltung der Verträge bei Betreibern oder Händlern.

Im ersten Halbjahr 2022 dürften dies durchschnittlich um die sechs Cent gewesen sein gegenüber den Einnahmen, die Betreiber ihrer bei Anlagenplanung zugrunde gelegt haben.

Ein gewisser Teil der Mehreinnahmen dürfte benötigt werden, um die Mindererträge aus den letzten windschwachen Jahren auszugleichen. Und für Neuanlagen ist zu befürchten, dass höhere Strompreise benötigt werden, um Kostensteigerungen bei Projektentwicklung und Bau sowie die gestiegenen Zinsen der Projektfinanzierung auszugleichen.

Die Marktpreise werden allerdings absehbar sehr hoch bleiben. Neben Kohle und Erdgas muss auch für die Windkraft der Umgang mit Mehrgewinnen geregelt werden. Ein wesentlicher Unterschied bleibt: Da erneuerbarer Strom fast ausschließlich am Spotmarkt gehandelt wird, wirken Eingriffe schnell und es baut sich keine Übergewinnwelle am Terminmarkt auf.

Auch Solarstrom entlastet das EEG-Konto

Auch Strom aus Biomasse konnte seinen Marktwert erheblich steigern – auf knapp 19 Cent je Kilowattstunde. Die Durchschnittsvergütung von Biomassekraftwerken dürfte allerdings auch nicht wesentlich darunter liegen, sodass der größte Teil der Mehrerlöse als Entlastung des EEG-Kontos unmittelbar der Allgemeinheit zugutekommen dürfte.

Besonders stark ausgeprägt ist dieser Nutzen auch bei der Solarenergie. Derzeit haben 62 Prozent der installierten Anlagenleistung Anspruch auf feste Einspeisevergütung aus dem EEG. Diese Strommengen werden nicht von den Anlagenbetreibern, sondern über die Übertragungsnetzbetreiber vermarktet. Ihr Mehrerlös fließt als Entlastung aufs EEG-Konto.

 

Von dem um etwa 13 Cent auf knapp 19 Cent je Kilowattstunde gestiegenen Marktwert des Solarstroms verbleiben Mehrerlöse daher nur für denjenigen Anteil in der Privatwirtschaft, die nach Marktprämie vermarktet werden. Das betrifft etwa 20.000 der derzeit insgesamt installierten 63.000 Megawatt Photovoltaik. Für dieses Segment muss wie beim Wind der Umgang mit Mehrgewinnen geregelt werden.

Ganz allgemein hat der erneuerbar erzeugte Strom – neben der Auffüllung des EEG-Kontos – noch einen weiteren Nutzen. Alles in allem liegt der Marktwert für Solar- und Windenergie nämlich unter den durchschnittlichen Spotmarktpreisen.

In wind- und sonnenreichen Monaten sind das bei Windstrom vier Cent und bei Solarstrom fünf Cent je Kilowattstunde. Mit anderen Worten: Sonne und Wind senken die Marktpreise – wir brauchen viel mehr davon.

Die Gewinnwelle rollt erst los

Die vorgestellten Zahlen beziehen sich nur auf Vergleiche des ersten Halbjahres 2022 zu 2021.

Seit Mitte dieses Jahres hat sich die Krise nochmals dramatisch verschärft. Im europäischen Stromsystem ist insgesamt einfach zu wenig Energie verfügbar aufgrund der Probleme mit französischen Atomkraftwerken, dürrebedingt fehlender Wasserkraft, zügiger Befüllung der Gasspeicher, hohen Verbräuchen und so weiter.

Und Deutschland unterstützt die europäischen Nachbarn mit gestiegenen Stromexporten. Die Nachfrage sinkt dabei nicht schnell genug, um dies zu kompensieren.

Die in der Tabelle angegebenen Marktwerte, Kosten und Mehrerlöse nur für den vergangenen August sprechen hier eine sehr deutliche Sprache. Der Energiemarkt bekommt das Problem nicht ausreichend schnell in den Griff.

Offenbar ist die Merit Order über alle Energieformen – vor Jahren noch ein taugliches Marktdesign – für die jetzige Situation und für einen künftigen Energiemarkt auf Basis erneuerbarer Energien nicht geeignet.

Denn ein Strompreis von 50 Cent je Kilowattstunde und mehr löst eher Panik aus, als dass er mittel- bis langfristig sinnvolle Aktivitäten bewirkt. Gleichzeitig werden bei solchen Preisen Entlastungen in absurden Größenordnungen notwendig, um vielen Unternehmen und Haushalten bis tief in den Mittelstand durch die Krise zu helfen.

Es ist also höchste Zeit, Übergewinne abzuschöpfen und zur Finanzierung dieser Entlastungen heranzuziehen. Sollte dies ohne nennenswerte Schlupflöcher nicht umsetzbar sein, sollte ein Eingriff Übergewinne von vornherein vermeiden, indem zum Beispiel der Strompreis aus Gaskraftwerken im Großhandel begrenzt wird.

Auch hier ist die Lösung sicherlich nicht einfach und wird vermutlich nur europäisch funktionieren. So oder so gilt: Zeit ist Geld, in diesem Fall in Form großer zukünftiger Übergewinne bei Strom aus Kohle und Gas.

Einfach ist lediglich eines: Für zusätzliche Entlastungen die schon verfügbarem Mehrgewinne der Erneuerbaren aus dem überquellenden EEG-Konto heranzuziehen. Aktueller Kontostand von Ende Juli: 16,9 Milliarden Euro.

Anzeige