Vor einem halben Jahrhundert – 1973 – lieferte der Lausitzer Tagebau Nochten die erste Braunkohle, vor allem für das nahe Großkraftwerk Boxberg. Der Tagebau, damals im Bezirk Cottbus liegend, wurde nach der Einheit freistaatlich-sächsisch.

Nochten gehört zu den Tagebauen, die bis zuletzt Kohle fördern sollen – der letzte Boxberger Block ist bisher für 2035 oder sogar erst 2038 zur Abschaltung vorgesehen. Dazu braucht der Tagebau ab 2026 einen neuen Rahmenbetriebsplan. Für den muss der Betreiber, der Lausitzer Stromkonzern Leag, einen Antrag stellen.

In diesem musste die Leag einräumen, dass der nach dem Abbau geplante Tagebausee bis weit nach dem Jahr 2150 mit Sanierungsschiffen gekalkt und das Grundwasser ebenso lange vor dem Eintritt in die Spree gereinigt werden muss. Das entdeckte das Umweltnetzwerk Grüne Liga in den Antragsdokumenten zur "Verlängerung fakultativer Rahmenbetriebsplan 'Weiterführung des Tagebaues Nochten 1994 bis Auslauf'".

"Ein stationärer Stoffhaushalt im Bergbaufolgesee Nochten wird voraussichtlich erst 2150 erreicht", ist dort in Anlage 7 auf Seite 211 zu lesen. "Unter der Voraussetzung einer anhaltenden chemischen Nachsorge des Sees werden der pH-Wert, die Eisen- und die Ammoniumkonzentrationen weiterhin auf einem stabil niedrigen Niveau bleiben" – aber eben auch nur dann.

Für die Grüne Liga ist damit klar: Das Tagebau-Umfeld bleibt bis Mitte des 22. Jahrhunderts ein ökologisches Notstandsgebiet und bis Ende des kommenden Jahrhunderts – also für etwa 150 Jahre – entstehen Kosten für die Nachsorge. So bilanzieren es die Umweltschützer in ihrer Stellungnahme zum Leag-Antrag.

 

Langfristige Finanzierungsperspektive

Genauso klar ist auch: Eine Leag, die Ewigkeitskosten aus eigenen Rückstellungen bezahlt, wird es in über hundert Jahren aller Wahrscheinlichkeit nicht mehr geben, ganz abgesehen davon, dass die heutigen wie künftigen Rückstellungen des Lausitzer Konzerns ohnehin niemals reichen werden, um die Folgekosten zu bezahlen.

Bis dato taten alle Bundesregierungen und die ostdeutschen Kohle-Länder aber mehr oder weniger so, als gäbe es diesen Elefanten im Raum nicht. Ein hehres Motiv dafür: Das Bergbauunternehmen und seine wechselnden Besitzer sollten nicht aus der Verantwortung für die Umweltschäden entlassen werden.

Ein weniger hehres Motiv: Niemand will genau wissen, wie teuer die Sanierung wirklich wird, eingeschlossen das Eingeständnis, dass der Braunkohlebergbau irreversible Schäden hinterlassen wird. Die Lausitzer Landschaft wird nie mehr so werden, wie sie mal war. Ein Großteil des einstigen Siedlungsgebiets der nationalen Minderheit der Sorben und Wenden ist wortwörtlich verbrannt worden.

Insofern ist die gestern verkündete Initiative der drei bündnisgrünen Landtagsfraktionen aus Brandenburg, Sachsen, Sachsen-Anhalt überfällig. Sie fordern die Bundesregierung zur Gründung einer Stiftung auf, um die Ewigkeitsfolgen des Braunkohlenabbaus in Ostdeutschland zu bewältigen und die Wiedernutzbarmachung langfristig zu finanzieren.

Mit einer Nochtener Erinnerung begann am Montag auch Franziska Schubert, Fraktionschefin der Grünen im Sächsischen Landtag, ihr Statement bei der Präsentation der Stiftungsinitiative. Der Moment, als sie zum ersten Mal an der Abbruchkante des Tagebaus stand, habe sie nie wieder losgelassen und begleite ihr politisches Leben, sagte Schubert.

Bergbaubetreiber sollen in der Verantwortung bleiben

An so einer Abbruchkante werde der "unwiderrufliche" Verlust von Heimat, aber auch von Naturlandschaften besonders deutlich, erklärte die geborene Oberlausitzerin. Es sei absolut notwendig, hier auf eine Weise vorzusorgen, dass Kinder und Enkel diese Landschaft noch nutzen können.

Mit dem vorgelegten Stiftungs-Konzept versuchen die Grünen, gegenläufige Prozesse in den Griff zu bekommen. Zum einen sollen die Bergbauunternehmen auf keinen Fall aus ihrer Verantwortung entlassen werden. Zum anderen ist aber klar, dass die Kohleverstromung deutlich vor 2038 an ihr Ende kommt – und damit auch die entsprechenden Einnahmen.

Aus den ehemaligen Bergbaugebieten kommen immer wieder Berichte über unvorhergesehene Ereignisse: Metertiefe Aufbrüche im Ödland des Lugteichgebiets zwischen Ober- und Niederlausitz. (Bild: Jörg Staude)

"Der marktgetriebene Kohleausstieg darf nicht zulasten der Menschen in der Regionen gehen", betonte ihrerseits Cornelia Lüddemann, die die Grünen-Fraktion in Sachsen-Anhalt anführt. Es gebe für den Fall, dass ein Tagebau abrupt zum Stillstand kommt und Insolvenz anmeldet, derzeit keine Planung.

Lüddemann erläuterte noch ein zweites Problem: Zum einen wisse man trotz diverser parlamentarischer Anfragen und Initiativen bis heute nicht, wie hoch die Kosten der Bergbaufolgen sein werden, zum anderen sei nicht einmal klar, wie hoch die tatsächlichen Rückstellungen der Betreiber sind.

Eine weitere, recht neue Kalamität: Der Klimawandel lässt bisherige Sanierungskonzepte, die unter anderem auf große Tagebauseen hinauslaufen, obsolet erscheinen. Dass die Braunkohle als CO2-intensivster Energieträger eine Abbauregion auch noch quasi durch die Hintertür schädigt, ist ein makabres Ergebnis des sogenannten technischen Fortschritts. 

Braunkohle-Ost-Stiftung mit drei Säulen

All das versuchen die Grünen mit einem Drei-Säulen-Modell für die Braunkohle-Ost-Stiftung in den Griff zu bekommen. Die erste Säule soll dabei die Sanierung im engeren Sinne sein. Die zweite soll investiver Natur sein, darunter der Ausbau erneuerbarer Energien auf ehemaligen Tagebauflächen, die zum Beispiel verpachtet werden könnten.

In der dritten Säule soll das Stiftungskapital verwaltet werden. Dieses könnte sich aus einer Einmalzahlung der Bergbaubetreiber speisen – in Geld oder mit der Übertragung echter Vermögenswerte.

Die Grünen können sich auch vorstellen, dass die noch ausstehende Entschädigung von 1,75 Milliarden Euro für den Kohleausstieg, den der Stromkonzern Leag erhalten soll, mit ins Stiftungskapital fließt.

Später soll auch die Bergbau-Verwaltungsgesellschaft LMBV, die die DDR-Altlasten der Braunkohle saniert, in die Stiftung aufgenommen werden.

 

Die Grünen wollen nun mit Bergbauunternehmen, Landesregierungen und allen, die mit der Kohle zu tun haben, über die Stiftung reden. Dazu liefen derzeit die Terminabsprachen, hieß es.

Auch die Grünen im Bundestag würden das Stiftungskonzept aufgreifen, sicherte ihr Abgeordneter Bernhard Herrmann zu. Der Bund sei in der Verantwortung, die Stiftung gemeinsam mit den Ländern zu realisieren. In dieser Legislaturperiode müsse die Grundlage dafür gelegt werden, forderte er.

Die Stiftungslösung sei nicht alternativlos, aber die beste, die man bekommen könne, meinte bei der gestrigen Präsentation der bündnisgrüne Fraktionschef in Brandenburg, Benjamin Raschke.

Es ist jedenfalls die beste Lösung für die kommenden 150 Jahre.