Ein Windrad über einem Baumwipfel.
Windräder sollen häufiger auch in Landschaftsschutzgebieten aufgestellt werden. (Foto: Franz Bachinger/​Pixabay)

Gutes über die Windkraft gab es zuletzt wenig zu berichten: Rotor-Hersteller ziehen Produktion aus Deutschland ab. Bayern, Brandenburg und Thüringen beschließen, teils mit Billigung der Grünen, restriktive Regelungen für die Abstände von neuen Windanlagen zu Wohnbauten.

Auch der Ausbau scheint weiter blockiert und trifft auf eine offensichtlich unlustige Windbranche. Laut Branchenverband BWE sind derzeit mehr als 1.600 Megawatt Windkraft genehmigt und haben praktisch Baurecht.

Dennoch gingen von den 1.320 Megawatt, die die Bundesnetzagentur mit der Mai-Ausschreibung unter die Windleute bringen wollte, am Ende nur 930 Megawatt weg, drei von zehn möglichen Windrädern werden also gar nicht gebaut. Und nicht einmal fünf Prozent dieser 950 Megawatt werden im Süden Deutschlands errichtet.

Dass in der einen Landeshälfte noch immer Ausbauflaute herrscht, führen nicht wenige auf restriktive Abstandsregelungen wie in Bayern zurück. Mit diesen Blockade-Regeln wollte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) mit dem "Wind-an-Land-Gesetz" eigentlich aufräumen. Sein letzte Woche vorgelegter Gesetzentwurf tut das aber höchstens halbherzig.

Kein bundesgesetzlicher Mindestabstand

Zwar schreibt der Entwurf das bekannte Zwei-Prozent-Flächenziel für Wind an Land fest, verzichtet aber darauf, mit der Macht des Bundesrechts die Öffnungsklausel aufzuheben. Sie ermöglicht es den Ländern, eigene Mindestabstände zur Wohnbebauung von bis zu 1.000 Metern festzulegen, in Bayern sogar noch mehr. Hier kann sich der Gesetzentwurf nur zu einem drohenden Zeigefinger aufraffen.

 

Zunächst wird dazu das bundesweite Zwei-Prozent-Ziel auf die Bundesländer heruntergebrochen, wobei vor allem ihre naturgegebenen Bedingungen berücksichtigt werden.

Dünn besiedelte, windreiche Flächenländer im Norden wie Mecklenburg-Vorpommern oder Brandenburg sollen danach 2,2 Prozent ihre Fläche für Windkraft ausweisen, dichter besiedelte wie Sachsen oder Schleswig-Holstein genau die zwei Prozent.

Eher industriell geprägte Länder wie Nordrhein-Westfalen, Bayern oder das Saarland sollen 1,8 Prozent ihrer Landesfläche beisteuern. Mit 0,5 Prozent Flächenanteil dürfen sich die Stadtstaaten Bremen, Hamburg und Berlin begnügen.

Diese Flächenanteile müssen die Länder in zehn Jahren, also Ende 2032, vorweisen. Eine Zwischenbilanz soll es 2026 geben.

Erschwert wird die Erfüllung der Flächenplanziele durch den Umstand, dass ausgewiesenen Flächen innerhalb von Windparks – der Gesetzentwurf spricht von einer "Rotor-innerhalb-Vorgabe" – nicht voll angerechnet werden dürfen. Der Grund: Windräder in Parks nehmen sich gegenseitig Wind weg, und das mindert den Stromertrag.

Großes Zuckerbrot und kleine Peitsche

Auf der anderen Seite dürfen die Länder untereinander mit den Flächenausweisungen handeln. Wer sein Plansoll übererfüllt, kann mit einem darbenden Land einen Staatsvertrag schließen und Fläche rechnerisch "abgeben". Allerdings müssen im Ergebnis beide Länder ihr Flächenziel wenigstens nach Bundesvorgabe erfüllen.

Und erst, wenn die Länder unter den genannten und weiteren, weniger wichtigen Bedingungen 2026 oder 2032 den bundesgesetzlichen Flächenanteil nicht vorweisen können – erst dann sollen laut Gesetzentwurf Windanlagen "im gesamten, von der Zielverfehlung betroffenen Planungsraum privilegiert" und die Mindestabstandsregeln der Ländern "nicht mehr anwendbar" sein.

Anders gesagt: Solange die Länder ihre gesetzlichen Flächenanteile vorweisen können, dürfen sie beliebige Abstandsregeln beschließen. Diese setzt das Bundesrecht erst dann außer Kraft, wenn die Länder ihre Arbeit nicht erledigen.

Um öffentlichen Druck aufzubauen, soll der jeweils aktuelle Stand der Flächenausweisungen auf der Internetseite des Wirtschaftsministeriums als "Flächenampel" angezeigt werden. Die guten Länder werden dann wohl in beruhigendem Grün und die schlechten in Warnrot blinken.

Der Branchenverband BWE begrüßt neben dem "Länderranking" auch das Festhalten am bundesweiten Zwei-Prozent-Ziel sowie die Aussicht, dass die Länder endlich verbindliche Vorgaben bekommen sollen.

Erste Länder haben aber schon Widerspruch angemeldet. Zwei Prozent der sächsischen Landesfläche für Windenergie? "Das ist nicht unser Ziel", ließ das Ministerium für Regionalentwicklung in Dresden wissen. Die zwei Prozent seien "wohl ein Ziel des Bundes". In Sachsen habe man eigene Pläne zum Windausbau.

"Die Natur bezahlt den Preis"

Klar ist jetzt schon, dass restriktive Regeln wie der 1.000-Meter-Wohnabstand in vielen Ländern vorerst in Kraft bleiben. Damit würden Windprojekte sich weiter in natursensible Räume hinein verschieben und Konflikte mit dem Artenschutz zunehmen, befürchtet zu Recht der Naturschutzbund. "Die Natur zahlt dann einen hohen Preis für die Energiewende", warnte Nabu-Präsident Jörg-Andreas Krüger.

Diese Konflikte will die Ampelkoalition mit dem ebenfalls letzte Woche vorgelegten Änderungen am Bundesnaturschutzgesetz managen. Danach ist Windkraft eigentlich nur noch in Naturschutz- und Natura-2000-Gebieten ausgeschlossen – überall sonst kann prinzipiell gebaut werden.

Für den Schutz windkraftsensibler und gefährdeter Arten, vor allem Greifvögel wie der Rotmilan, sollen künftig laut Gesetzentwurf drei Abstandsbereiche gelten: ein sogenannter "Nahbereich", ein "zentraler Prüfbereich" sowie ein "erweiterter" Prüfbereich.

Theoretisch könnten Windkraftanlagen danach auch im gesetzlichen Nahbereich des Rotmilans errichtet werden, das ist ein Abstand von weniger als 500 Metern vom Vogelhorst. Allerdings würden sich die Windrotoren dann nur selten drehen dürfen – wegen des deutlich höheren Tötungsrisikos.

Auch im "zentralen Prüfbereich" – beim Romilan soll er bei 1.200 Metern liegen – müssen die Betreiber ihre Anlagen noch öfters abschalten und Ertragseinbußen hinnehmen, um den geschützten Vogel nicht zu gefährden.

Der Gesetzentwurf hält es aber für "unzumutbar", wenn die Betreiber an guten Standorten wegen des Artenschutzes mehr als acht Prozent ihres jährlichen Energieertrags verlieren. An durchschnittlichen Standorten liegt diese Grenze bei sechs Prozent.

Ist der Rotmilan im "zentralen Prüfbereich" also zu häufig in Richtung Windrad unterwegs, kann es für ihn doch böse ausgehen, weil die Anlage irgendwann nicht mehr heruntergefahren wird.

Drei Jahre Pauschalregelung, weil ein Monitoring fehlt

Als Maßstab, ob eine Art gefährdet ist, legt der Gesetzentwurf den Erhaltungszustand der ganzen Population der jeweiligen Art zugrunde. Das ist ein ziemlich schwammiges Kriterium. Denn es ist wissenschaftlich noch immer nicht genau bekannt, wie gut oder schlecht es um die Populationen gefährdeter Vogelarten wirklich steht.

Auch gibt es für das sogenannte Tötungsrisiko noch keine bundeseinheitlichen Standards.

Dementsprechend eiert der Gesetzentwurf an dem Punkt herum. Bis ein Monitoringsystem etabliert ist, um die Erhaltungszustände gefährdeter Arten bewerten zu können, heißt es im Entwurf, soll es in den nächsten drei Jahren für die Windkraft-Genehmigung reichen, wenn die kollisionsgefährdete Art nicht auf einer "Gefährdungsliste" wie der Roten Liste des Bundes steht.

Das bedeutet: Obwohl wir wenig darüber wissen, ob eine Art gefährdet ist und ob sie durch neue Windkraft spürbar stärker gefährdet wird, soll in Naturräumen erstmal ohne große Beschränkung weiter gebaut werden.

Für beide Gesetzentwürfe sollte eigentlich schon die Ressortabstimmung laufen. Diese wurde aber bereits vom Bundesjustizministerium gestoppt.

Deshalb ist unsicher, ob beide Gesetze wie geplant in dieser Woche vom Bundeskabinett und noch vor der Sommerpause vom Bundestag verabschiedet werden können.

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