Matthias Willenbacher. (Bild: Wiwin)

Immer wieder sonntags: Die Mitglieder unseres Herausgeberrates erzählen im Wechsel, was in der vergangenen Woche wichtig für sie war. Heute: Matthias Willenbacher, Gründer der Plattform für nachhaltiges Investieren Wiwin.

Klimareporter°: Herr Willenbacher, die erste Auktion bei den Klimaschutzverträgen ist vorbei. 15 Unternehmen erhalten in den nächsten Jahren insgesamt bis zu 2,8 Milliarden Euro vom Staat, um auf grüne Produktion und Produkte umzusteigen. Ob die Unternehmen die Steuermittel später zurückzahlen, ist unsicher. Ist das gut angelegtes Geld?

Matthias Willenbacher: Ja. Es ist gut angelegtes Geld, Industrieunternehmen mit staatlichen Mitteln zu unterstützen, damit sie ihre Produktion klimafreundlich umbauen können.

Auch der Mechanismus ist geschickt gewählt. Steigt nämlich auf den Märkten die Nachfrage nach klimafreundlichen Produkten oder gibt es einen funktionierenden weltweiten Emissionshandel mit ehrlichen, also deutlichen höheren CO2-Preisen, machen die Unternehmen Gewinne und können einen Teil oder die gesamte Förderung zurückzahlen.

Ohne staatliche Förderung werden die Unternehmen den Umstieg in einem nicht perfekten Marktumfeld nicht allein stemmen können. Für die zweite Ausschreibungsrunde werden wir auch deutlich mehr als die 2,8 Milliarden Euro brauchen.

Zusätzlich müsste die Industrie auch durch das Gegenstück zu den Subventionen, nämlich eine klare Regulierung, dekarbonisiert werden. Statt wie die FDP den Wandel durch "Technologieoffenheit" zu verschleppen, braucht es hier klare Vorgaben, Fristen und Technologieentscheidungen der Politik.

Noch ein weiterer Grund spricht dafür, die Klimaschutzverträge des Wirtschaftsministeriums zu unterstützen: Die wirtschaftsliberale Presse ist strikt dagegen und wittert einen ziellosen Gang ins "Dickicht der Einzelfallförderung". Solche Kritik ignoriert eine simple Tatsache.

Wenn große Industrie-Player neue, klimaneutrale Technologien einbauen, hat das immense Ausstrahlungseffekte auf die gesamte Industrie. Wie Förderung wirken kann, hat uns nicht zuletzt die Erfolgsgeschichte des Erneuerbare-Energien-Gesetzes gezeigt.

Der Thinktank Agora Energiewende hat eine neue Auflage seiner Studie "Klimaneutrales Deutschland" vorgelegt. Die Transformation bis 2045 kann Deutschland sich leisten, betonen die Wissenschaftler, denn ein Großteil der nötigen Investitionen in die Infrastruktur stehe ohnehin an. Für den Klimaschutz brauche es nur zusätzliche Investitionen von drei Prozent der Wirtschaftsleistung. Ist Klimaneutralität wirklich so billig zu haben?

Die Studie sendet zwei eindrucksvolle Botschaften.

Erstens: Wir können die Transformation schaffen. Das ist vor allem an die Zweifelnden gerichtet – besonders an die Union, die höchstwahrscheinlich Teil der kommenden Bundesregierung sein wird.

Ob die vergleichsweise günstig erscheinenden Rest-Investitionen nun genau so oder etwas höher ausfallen, sei dahingestellt. Das Argument, das die Studie dazu ins Feld führt, überzeugt jedenfalls: Es sind ohnehin stets Investitionen zur Erneuerung von Industrie, Verkehrswegen, Gebäuden und Maschinen nötig. Sind diese Investitionen am Beginn des folgenden Investitionszyklus "grün", dann geht die Wette auf.

Laut der Studie kann das durch den massiven Ausbau der Erneuerbaren vergrößerte Stromangebot auch tatsächlich in strombasierten Anwendungen genutzt werden.

Das ist denn auch die zweite wichtige Botschaft der Studie: Wenn heute neue Investitionen nötig sind – ob in der Fabrik oder im Heizungskeller –, muss es heißen: Fossile raus und sauberer Strom rein.

Neue Regelungen im Erneuerbare-Energien-Gesetz ermöglichen es, Standortgemeinden von Solar- und Windparks an den Stromerlösen zu beteiligen. Da können mehrere zehntausend Euro im Jahr zusammenkommen, die die Kommunen im Interesse der Leute einsetzen können. Befürworten Sie eine solche finanzielle Beteiligung und ist Wiwin auch an solchen Projekten beteiligt?

In beiden Fällen: Ja. Ich unterstütze uneingeschränkt die Beteiligung der Kommunen und der Bürgerinnen und Bürgern an Wind- und Solarparks. Und Wiwin bietet für Projektentwickler auch die Beteiligung von Kommunen und Bürgern an.

Die finanzielle Beteiligung der Kommunen ist zwingend notwendig. Ein Windpark oder ein Solarpark gehören für viele ländliche Kommunen zu den großen Investitionsprojekten, die dort in den nächsten Jahren umgesetzt werden, insbesondere wenn es keine Industrieunternehmen in der Kommune gibt.

Von dieser finanziellen Beteiligung profitiert dann der kommunale Haushalt, und sie ermöglicht die Bezuschussung von gemeinwohlorientierten Einrichtungen wie Kindergärten, Spielplätzen, Bibliotheken oder Vereinen.

So ein Konzept stärkt den ländlichen Raum, steigert die lokale Wertschöpfung. Und es trägt dazu bei, dass ein Wind- oder Solarpark von den Bürgerinnen und Bürgern nicht mehr als Last, sondern als Gewinn für die Kommune gesehen wird.

Vor diesem Hintergrund ist es zu empfehlen, den Beteiligungsbetrag von derzeit 0,2 Cent je Kilowattstunde deutlich zu erhöhen. Er sollte mindestens verdoppelt, wenn nicht auf 0,6 Cent verdreifacht werden. Damit würden sich die Einnahmen der Kommunen an die der Grundstückseigentümer annähern.

Außerdem sollte die finanzielle Beteiligung verpflichtend sein und nicht nur ein freiwilliges Angebot der Projektierer. Die dabei entstehenden Kosten werden ja über das EEG-Konto ausgeglichen und schmälern nicht den Gewinn des projektierenden Unternehmens.

Am besten sollte parallel dazu ein Bundesbeteiligungsgesetz beschlossen werden, das die finanzielle Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger verpflichtend gestaltet. Dann wird "der Windpark" ganz schnell zu "unserem" Windpark.

Der aktuelle Gesetzentwurf ist dafür leider aus mehreren Gründen vollkommen ungeeignet. Eine Orientierung an dem Beteiligungsgesetz in Nordrhein-Westfalen kann ich nur wärmstens empfehlen.

Und was war Ihre Überraschung der Woche?

Mich hat überrascht, dass das Thema "Pachten für Windenergieanlagen" – in Fachkreisen schon lange diskutiert – auf der Regionenkonferenz des Bundeswirtschaftsministeriums gegenüber einem breiten Publikum angesprochen wurde.

Der Bundesverband Windenergie entwickelte bereits vor zwei Jahren einen leider sehr komplexen Vorschlag für eine Pachtbegrenzung. Dieser wurde bisher kaum wenig verbreitet. Nun kommt in eine überfällige Debatte vielleicht endlich Schwung.

Die Pachten, die derzeit für Windstandorte gezahlt werden, haben eine vollkommen unverhältnismäßige Höhe erreicht. Für einen neuen Anlagenstandort erhält ein Eigentümer aktuell eine niedrige sechsstellige Summe, und das jährlich, volle 20 Jahre lang. Oft ist dies noch mit einer Erlösbeteiligung gekoppelt.

Im Endeffekt führen Pachten in dieser Dimension zu einer Umverteilung von der Allgemeinheit, die über Steuern die EEG-Zahlungen finanziert, zu den Grundstückseigentümer, auf deren Flächen, staatlich reguliert, die Anlagen errichtet werden.

Natürlich sollen die Eigentümerinnen und Eigentümer eine angemessene Entschädigung für die versiegelte Fläche, für Zuwegungen, Kabeltrassen und so weiter erhalten. Aber diese sollte sich im Rahmen dessen bewegen, was bei Straßenbau- oder Netzausbauvorhaben gesetzlich geregelt und gezahlt wird.

Der freie Wettbewerb bei der Flächensicherung hat hier leider zu Auswüchsen geführt, die dem Gerechtigkeitsempfinden vieler Menschen widersprechen. Damit kann die Zustimmung vor Ort schnell untergraben werden.

Die geltende finanzielle Beteiligung der Kommunen von 0,2 Cent je Kilowattstunde ist im Vergleich zu den Pachten viel zu gering, im Grunde ist sie ein Witz.

 

Wir brauchen wir eine Regelung, die dafür sorgt, dass die Kommunen auf jeden Fall mehr von Windparks profitieren als einzelne Grundstückseigentümer. Denn eine Kommune nutzt die so gewonnenen Einnahmen für die Allgemeinheit, also für alle Menschen und auch für die, die nicht das Geld haben, um sich an einer Anlage zu beteiligen.

Um das zu erreichen, gibt es verschiedene Möglichkeiten: eine einfache Pachthöhenbegrenzung oder eine pauschale Zahlung pro Windrad an die Kommune – wie etwa in Brandenburg, nur deutlich höher – oder Konzessionsabgaben und Ähnliches.

Mein Favorit ist ein Mechanismus, bei dem der Projektierer – parallel zur Pacht an den Grundstückseigentümer – eine "Teilhabepacht" an die Kommune zahlt, die linear oder exponentiell mit der Grundstückspacht steigt. So kann die Grundstückspacht relativ elegant gedeckelt werden, zugleich erzielen die Kommunen nicht unerhebliche und sichere Einnahmen für ihren Haushalt.

Das Ziel ist klar. Jetzt brauchen wir nur noch einen wirklichen politischen Willen und findige Juristen für die Ausgestaltung.

Fragen: Jörg Staude