Eine erstaunliche Zahl steht auf dem Pappschild, das Stefan Zickuhr überrreicht wird: 173 Millionen Euro. Diesen Betrag wird sein Unternehmen, die Schmiedewerke Gröditz in Sachsen, maximal von der Bundesregierung erhalten.

Nach der Zeremonie am Dienstag im Bundeswirtschaftsministerium kann Geschäftsführer Zickuhr damit beginnen, die Fabrik in den kommenden Jahren auf klimaneutrale Produktion umzustellen.

 

Minister Robert Habeck (Grüne) hat eingeladen, um ein neues Instrument der Wirtschaftspolitik zu präsentieren: die sogenannten Klimaschutzverträge.

Dabei erhalten Industrieunternehmen eine staatliche Förderung, um ihren Kohlendioxid-Ausstoß zu senken – etwa indem sie fossiles Erdgas als Brennstoff durch Wasserstoff ersetzen, der mit Ökostrom produziert wurde. Der Bund übernimmt für 15 Jahre die höheren Kosten des klimaneutralen Produktionsverfahrens im Vergleich zur Fertigung mit fossiler Energie.

"Energieintensive Produktion in Deutschland halten"

Wird die neue Fertigungsmethode während der Laufzeit des Vertrages billiger als die alte, müssen die Firmen einen Teil der Fördermittel zurückzahlen. Als Differenzverträge werden die Kontrakte deshalb auch bezeichnet.

15 einheimische Unternehmen erhalten an diesem Tag offiziell ihre Verträge. Ausgewählt wurden sie im Rahmen einer Auktion, bei der diejenigen den Zuschlag bekamen, die die Reduzierung ihrer Kohlendioxid-Emissionen zum günstigsten Preis bewerkstelligen wollen.

Weiße Papierrollen von mehreren Metern Durchmesser liegen in einer großen Halle.
Die Herstellung von Papier ist extrem energieintensiv. Deutschland ist Großverbraucher. Nun soll alles auf "grünen" Wasserstoff umgestellt werden. (Bild: Carl Tim/​Shutterstock)

Diesen zahlt die Regierung aus dem Klima- und Transformationsfonds nun durchschnittlich etwa 150 Euro pro vermiedener Tonne CO2. Bis zu 2,8 Milliarden Euro wird das kosten. Deutschland ist der erste Staat der Europäischen Union, der so etwas einführt.

Nach der nun abgeschlossenen ersten Runde soll es bald eine zweite geben, für die dann öffentliche Mittel von über zehn Milliarden Euro zur Verfügung stehen. Ob eine dritte Auktion in dieser Regierungsperiode folgt, ist noch unklar.

Insgesamt will das Ministerium einen "mittleren zweistelligen Milliardenbetrag" in die Klimaschutzverträge investieren. Es gehe auch darum, "die energieintensive Produktion in Deutschland zu halten", sagte Habeck am Dienstag.

Einige müssen vorangehen

Die Schmiedewerke Gröditz nordwestlich von Dresden sind ein gutes Beispiel. Sie stellen sehr große Teile her, zum Beispiel Kurbelwellen für die Antriebe von Kreuzfahrtschiffen. Um den Stahl zu schmieden, muss man ihn auf 1.300 Grad erhitzen, was bisher mit Erdgas als Energielieferant, später aber mit Wasserstoff funktionieren soll.

Die Firma, die zum Stahlkonzern Georgsmarienhütte gehört, nimmt das Regierungsziel der Klimaneutralität bis 2045 ernst. Hinter dem beabsichtigten Wechsel im Produktionsverfahren steht aber auch die unternehmerische Überlegung, dass geringe Emissionen zunehmend ein Verkaufsargument für Stahl werden.

Noch existiert die Wasserstoffwirtschaft quasi nicht. Geschäftsführer Zickuhr ist davon überzeugt, dass einige Firmen den Anfang machen müssen. Dadurch würden andere ermuntert, ebenfalls aktiv zu werden, beispielsweise die Unternehmen, die die Wasserstoff-Pipelines bauen sollen.

Die 15 Unternehmen

  • BASF
  • Drewsen Spezialpapiere
  • H&R Chemisch-Pharmazeutische Spezialitäten
  • Kimberly-Clark GmbH
  • Knauf Insulation
  • Nordenham Metall
  • Papierfabrik Adolf Jass
  • Saint-Gobain Glass Deutschland
  • Saint-Gobain Isover G+H
  • Schmiedewerke Gröditz
  • Schumacher Packaging
  • Südzucker
  • Tesa Werk Hamburg
  • Wienerberger GmbH
  • Ziegel- und Klinkerwerke Janinhoff

Neben den Schmiedewerken finden sich auf der Liste der ausgewählten Firmen etwa der Klebeband-Hersteller Tesa in Hamburg, der Chemiekonzern BASF in Ludwigshafen, die Ziegel- und Klinkerwerke Janinhoff in Münster sowie mehrere Glas- und Papierproduzenten.

Zu letzteren gehört die Papierfabrik Adolf Jass in Fulda, die unter anderem Wellrohpappe aus Altpapier fertigt. Heute wird dort noch Erdgas in einem Gas-und-Dampf-Kraftwerk verbrannt, um Wasserdampf und Strom zu erzeugen. Zukünftig will man den Prozess überwiegend elektrifizieren, erklärt Marietta Jass-Teichmann, die geschäftsführende Gesellschafterin.

Der Klimaschutzvertrag dient einerseits dazu, einen Teil der Investitionen beispielsweise für die geplante große Wärmepumpe zu finanzieren. Andererseits sind die staatlichen Mittel als Absicherung für den Fall eingeplant, dass der zugekaufte Strom deutlich teurer sein sollte als das bisher verwendete Erdgas.

Jass-Teichmann berichtet, dass die Kunden sich schon heute nach dem CO2-Fußabdruck der Wellpappe erkundigten. Ein klimaneutrales Produkt anbieten zu können, werde mehr und mehr zum Verkaufsargument, sagt auch diese Geschäftsführerin.

Sie geht davon aus, dass sich die Entwicklung in diese Richtung fortsetzt. Damit, dass die Bundesregierung oder die Europäische Union ihre Klimaneutralitäts-Zieljahre 2045 und 2050 aufgeben könnten, rechnet sie nicht.

Ergänzung am 29. Oktober: BASF baut weltgrößte Wärmepumpe