Im sächsischen Windpark Sitten drehen sich zwei neue Windräder. Mit Nabenhöhen von 166 Metern und Leistungen von jeweils sechs Megawatt sind sie deutlich höher und leistungsfähiger als die meisten anderen Anlagen, die hier schon länger Strom aus Wind produzieren.

Sie haben auch noch eine andere Besonderheit, die nicht so leicht erkennbar ist: Die Einnahmen aus ihrer Stromproduktion fließen in den Ortsteil Sitten, in mehrere benachbarte Ortsteile und in die Stadt Leisnig, zu der alle diese Ortsteile gehören.

 

Die beiden neuen Windräder waren vor zwei Jahren von der dänischen Firma Eurowind Energy gebaut worden. An den Stromerlösen, die sie damit erzielt, beteiligt das Unternehmen die Stadt Leisnig freiwillig mit 0,2 Cent pro Kilowattstunde.

Sitten ist einer von mehreren Ortsteilen der früher selbständigen Gemeinde Bockelwitz. Hier wurden schon vor 25 Jahren mehrere Windparks gebaut, erzählt der ehemalige Bürgermeister Michael Heckel. "Wir sind hier an die Windparks gewöhnt. Die Akzeptanz wird natürlich noch besser, wenn wir damit Einnahmen für unsere Ortsteile erzielen können."

Geld für Vereine und Straßensanierung

Die Einnahmen fließen dabei nicht direkt in die Ortsteile, sondern erstmal in die Stadtkasse von Leisnig. Das liegt daran, dass Bockelwitz 2012 nach Leisnig eingemeindet wurde. Seitdem arbeitet Heckel ehrenamtlich als Ortsvorsteher für die Bockelwitzer Ortsteile mit ihren fast 3.000 Einwohnern.

Im Jahr 2023 haben die beiden neuen Windräder schon große Mengen Strom produziert und ins Netz eingespeist. Nach diesen Mengen richtete sich die freiwillige Beteiligung, die Eurowind für jenes Jahr an Leisnig gezahlt hat.

Der Windpark Sitten mit zwei modernen Anlagen (vorn rechts). Die drei älteren Anlagen (links) sollen in den nächsten Jahren erneuert werden. (Bild: Stefan Schroeter)

Um welche Summe es sich genau handelt, wollen die Projektleiterin des Windparks, Imke Odrich, und der Leipziger Büroleiter des Unternehmens, Christian Tietze, nicht verraten. Aus allgemein verfügbaren Informationen geht hervor, dass es sich um mehrere zehntausend Euro handeln dürfte.

Die freiwillige finanzielle Beteiligung der Standortgemeinden sieht Odrich als eine Möglichkeit, die Akzeptanz der Anwohner für den Windpark zu erhöhen. Diesem Zweck dient auch, dass Eurowind lokale Sportvereine und Veranstaltungen wie den Lesesommer und ein Skatturnier in den Nachbarorten unterstützt.

Künftig will Eurowind Energy auch freiwillige Beteiligungen an die Städte Mügeln und Grimma zahlen. Sie haben ebenfalls Ortsteile, die sich in einem Umkreis von zweieinhalb Kilometern um die beiden neuen Windräder befinden.

Von dem Windgeld, das Eurowind für das Jahr 2023 in die Leisniger Stadtkasse gezahlt hat, soll die Hälfte in den Bockelwitzer Ortsteilen für kommunale Ausgaben eingesetzt werden. Heckel zufolge hat sich der Ortschaftsrat schon darauf verständigt, wie es im Haushaltsjahr 2025 verwendet werden soll.

Ein Teil soll dazu dienen, abgefahrene Randbereiche von Straßen instand zu setzen. Aus einem weiteren Teil können Zuschüsse für zehn örtliche Vereine finanziert werden.

Gute Aussichten durch Repowering

Und schließlich will der Ortschaftsrat mit dem Windgeld auch Ausgleichsmaßnahmen für die Flurbereinigung bezahlen. Dabei werden ländliche Grundstücke neu geordnet, um größere, entwicklungsfähige Flächen zu gewinnen.

Mitunter entstehen dabei Nachteile für einzelne Grundstückseigentümer, die ausgeglichen werden müssen. "Wir wollen nun Grundstücke kaufen, die wir in der Neuordnung einsetzen können", erklärt Ortsvorsteher Heckel.

In einigen Jahren kann auch noch deutlich mehr Windgeld nach Leisnig und in die Bockelwitzer Ortsteile fließen. Denn im Windpark Sitten plant Eurowind Energy ein Repowering. Dabei werden drei kleine, ältere Windräder durch drei große, neue Anlagen ersetzt, die eine mehrfach höhere Stromproduktion ermöglichen.

Projektleiterin Odrich rechnet derzeit damit, dass die drei neuen Windräder zum Jahresende 2026 in Betrieb gehen können. Auch für diese Anlagen wird Eurowind wieder Beteiligungsverträge mit den umliegenden Gemeinden abschließen.

Das ist noch nicht alles. Denn in den Bockelwitzer Ortsteilen gibt es neben dem Windpark Sitten auch noch drei weitere Windparks, in denen ein Repowering bevorsteht. Mit den neuen Anlagen, die dabei errichtet werden, ist dann jeweils auch eine Beteiligung an den Stromerlösen verbunden.

Ortsvorsteher Heckel rechnet heute schon damit, dass die Stadt Leisnig in fünf Jahren aus allen diesen Windparks jährliche Einnahmen erzielen kann, die auf einen mittleren sechsstelligen Eurobetrag hinauslaufen. Davon sollte dann auch wieder die Hälfte für die Bockelwitzer Ortsteile eingesetzt werden.

Auf Bundesebene nur eine Soll-Regelung

Dass die Standortgemeinden an den Stromerlösen von Windparks beteiligt werden können, ermöglicht eine relativ neue Regelung im Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) des Bundes. Danach sollen die Betreiber von Solar- und Windparks die Gemeinden, die von der Errichtung ihrer Anlagen betroffen sind, finanziell beteiligen. Dabei dürfen sie ebenjene 0,2 Cent pro eingespeister Kilowattstunde anbieten.

Der Zweck dieser Regelung ist, dass die Wind- und Solarparks in der Bevölkerung besser akzeptiert werden. Wenn die Menschen vor Ort einen konkreten Nutzen von neuen Anlagen haben, könnten sie eher damit einverstanden sein, dass solche neuen Anlagen gebaut werden.

Dabei hatten sich mehrere Bundesländer dafür eingesetzt, nicht nur eine Soll-Regelung für die finanzielle Beteiligung der Standortgemeinden in das EEG zu schreiben. Sie strebten eine Regelung an, die die Betreiber der Solar- und Windparks zur Zahlung verpflichtet.

Ein verfassungsrechtliches Gutachten für das zuständige Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz ergab dann jedoch, dass eine solche Verpflichtung auf Bundesebene unzulässig wäre. Deshalb wurde sie im EEG dann doch nicht umgesetzt.

Beteiligungsgesetze der Länder mit Zahlungspflicht

Die Länder haben hier offenbar einen größeren Spielraum als der Bund: Sie können in ihren Landesgesetzen die verpflichtenden finanziellen Beteiligungen vorschreiben, um eine verlässliche Grundlage für die Gemeinden zu schaffen.

Den Anfang dabei hatte Mecklenburg-Vorpommern schon im Jahr 2016 gemacht, als es ein Landesgesetz zur kommunalen Beteiligung an Windenergie-Anlagen erließ.

Brandenburg folgte 2019 mit einem Beteiligungsgesetz für Windenergie-Anlagen und im Januar 2024 mit einem Paragrafenwerk für Solarstrom-Freiflächenanlagen. Für das Windenergie-Gesetz liegt inzwischen ein neuer Entwurf im Landtag, der erweiterte Beteiligungsmöglichkeiten für Kommunen vorsieht.

In den vergangenen zwei Jahren haben auch Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, das Saarland, Sachsen und Thüringen eigene Beteiligungsgesetze verabschiedet. In Sachsen-Anhalt berät der Landtag noch über einen Gesetzentwurf.

Damit haben die Städte und Gemeinden jetzt in sieben und möglicherweise bald acht Bundesländern verlässliche Grundlagen dafür, dass sie an den Erlösen von Wind- und Solarstrom beteiligt werden.

Länderminister protestieren bei Habeck gegen Obergrenze

Für die Unternehmen der Solar- und Windenergie, die in mehreren Bundesländern aktiv sind, gibt es allerdings einen Nebeneffekt: Die Länder haben in ihren Gesetzen teilweise sehr verschiedene Beteiligungsregeln festgelegt, auf die sich die Unternehmen nun einstellen müssen.

Im grün geführten Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz ist auch der Eindruck entstanden, dass die unterschiedlichen Landesgesetze zu finanziellen Mehrbelastungen für die Anlagenbetreiber führen können. Das wiederum könnte nach Ansicht des Ministeriums den Ausbau erneuerbarer Energien verteuern.

Deshalb will es das EEG so ändern, dass Anlagenbetreiber die finanzielle Beteiligung von Gemeinden und Anwohnern auf einen Wert von 0,3 Cent je Kilowattstunde erzeugten Stroms begrenzen können.

 

Diese Obergrenze widerspricht vor allem den beiden Beteiligungs-Gesetzentwürfen von Brandenburg und von Sachsen-Anhalt, über die dort noch die Landtage beraten. Diese Entwürfe würden auch höhere Beteiligungen erlauben.

Deshalb wehren sich besonders die Energieminister von Brandenburg und Sachsen-Anhalt, Jörg Steinbach und Armin Willingmann (beide SPD), gegen die geplante Änderung im EEG. Unterstützt werden sie dabei von Amtskollegen in fünf weiteren Ländern.

Gemeinsam haben die sieben Landesminister einen Brief an Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) geschrieben. Darin fordern sie, die Rechtsgrundlage der Beteiligungsgesetze unverändert zu lassen.

Zumindest wollen sie erreichen, dass es einen Bestandsschutz für schon bestehende Beteiligungsgesetze, Gesetzesinitiativen und Vereinbarungen zwischen Anlagenbetreibern und Kommunen gibt.