Matthias Willenbacher. (Bild: Wiwin)

Immer wieder sonntags: Die Mitglieder unseres Herausgeberrates erzählen im Wechsel, was in der vergangenen Woche wichtig für sie war. Heute: Matthias Willenbacher, Geschäftsführer der Plattform für nachhaltiges Investieren Wiwin.

Klimareporter°: Herr Willenbacher, für die Wärmewende brauchen wir in Deutschland bis 2030 fast 44 Milliarden Euro – in diversen Bundesförderprogrammen stehen für den Zeitraum aber nur drei Milliarden bereit. Auf die Diskrepanz machte der VKU, der Verband kommunaler Unternehmen, kürzlich beim Stadtwerke-Kongress aufmerksam. Haben Sie eine Idee, woher das Geld für die Wärmewende kommen könnte?

Matthias Willenbacher: Grundsätzlich ist die Forderung des VKU nach einer umfassenden Förderung des Fernwärme-Aus- und -Umbaus durch den Bund nachvollziehbar. Das sind Investitionen in eine ausgesprochen langlebige Infrastruktur und es ist der einzige Weg, um einen Großteil der Wohnungen in Deutschland klimaneutral zu machen.

Eine alleinige Finanzierung über die Nutzer:innen würde allerdings zu einem weiteren Anstieg der Wohnkosten führen und sehr viele Mieter:innen finanziell überfordern.

Sieht man sich die Zahlen genauer an, meint der VKU, dass die Fernwärmebetreiber von den 43,5 Milliarden Euro 20 Milliarden selbst finanzieren können und 23,5 Milliarden Euro über öffentliche Fördermittel generiert werden müssen. Wenn aber der Staat mehr als die Hälfte des Investitionsbedarfs stemmt, dann sollte er aus meiner Sicht auch ein Mitspracherecht haben, wie die Fernwärmepreise gestaltet werden.

Bisher ist die Preisgestaltung bei der Fernwärme, trotz aller Transparenzbemühungen der Branche, undurchschaubar und von außen nicht überprüfbar. Die Bestrebungen des Bundeswirtschaftsministeriums, hier mehr Transparenz zu schaffen, sind absolut richtig.

Wenn sie sich vom Staat mehr als die Hälfte der Investitionen finanzieren lassen will, hat die Fernwärmebranche nicht länger das Recht, sich gegen eine verpflichtende und nachvollziehbare Preisgestaltung zu wehren.

Innerhalb ihrer Wachstumsinitiative beschloss die Bundesregierung diese Woche, die Anschaffung rein elektrischer Firmen- und Dienstwagen mit fast 2,9 Milliarden Euro zu fördern. Dazu wird auch die Preisobergrenze von bisher 70.000 auf 95.000 Euro angehoben. Wird die Ausweitung der Förderung auf noch teurere E‑Autos helfen, die Konjunktur ankurbeln?

Nein, es handelt sich um ein reines Geschenk an die FDP und an die deutschen Autohersteller, die den E‑Mobilitätstrend in den letzten fünf Jahren verschlafen haben.

Man muss sich vor Augen führen: VW hat im Juni angekündigt, bis 2028 rund 180 Milliarden Euro zu investieren – 120 Milliarden in die Elektromobilität und immer noch 60 Milliarden in die Verbrennertechnologie. Und gleichzeitig will der Konzern Beschäftigte entlassen und potenziell ein Werk schließen, weil ihm fünf Milliarden Euro Einnahmen fehlen.

Das Timing des Regierungsbeschlusses zur Steuerförderung ist vor diesem Hintergrund schon kabarettreif: Die FDP argumentiert ja – zusammen mit der Union – vehement gegen das sogenannte Verbrennerverbot ab 2035. Die Hersteller trauen sich in der Folge nicht, sich voll auf E‑Mobilität zu fokussieren, und entwickeln auch keine günstigen E‑Autos.

Als Konsequenz kaufen die Menschen auch keine oder jedenfalls zu wenige E‑Autos. Und jetzt fördert die Bundesregierung auch noch die ganz großen schweren Modelle als "Lösung" des Problems. Schließlich haben die deutschen Hersteller nur solche Modelle im Angebot.

Im Hintergrund schwelt dabei still die Hoffnung, dass sich vermögende Menschen, die sich solche teuren Modelle leisten können und potenzielle FDP-Wähler sind, auch tatsächlich für ein deutsches Modell entscheiden.

In Großbritannien will der neue Premier Keir Starmer von der Labour Party dem Ausbau der Erneuerbaren Vorrang geben und damit langfristig auch die Energiekosten senken. Mit diesem Ziel soll auch ein staatliches Energieunternehmen, Great British Energy, gegründet werden.

Die neue Regierung hob auch ein De-facto-Verbot für neue Windparks an Land auf und genehmigte Solarpark-Projekte, die darauf seit Jahren warteten. Ist die grüne Botschaft von der Insel auch schon in der Ökofinanzbranche angekommen?

Das sind tolle Nachrichten aus Großbritannien. Die deutsche Ökofinanzbranche wird aber sicherlich noch eine Zeit brauchen, um sich auf die neue Situation dort einzustellen.

Viel wichtiger als mögliche neue Investitionsmöglichkeiten in dem Land ist das deutliche Signal der Regierung, dass sie den Erneuerbaren‑Ausbau ernst meint.

Starmers Regierung bekennt sich klar zu einem starken Staat in der Energiewende, und zwar sowohl, was die Regulierung betrifft, als auch bei den staatlichen Investitionen. Und das kann nur gut sein für das Investitionsklima. Starmers Regierung hat offenbar von der frühen Energiepolitik "unserer" Ampel gelernt: endlich wieder ambitionierte Ziele setzen und nicht mit der Förderung knausern.

Leider zeichnet sich hierzulande eine Bewegung in die entgegengesetzte Richtung ab. In den Windkraft-Ausschreibungen wird das Angebot künstlich verknappt, statt alle verfügbaren Genehmigungen auch wirklich mit einem Zuschlag zu versehen. Das Bundeswirtschaftsministerium feiert das als Erfolg für den Wettbewerb.

Und in einem "Optionenpapier" wird ohne Not darüber nachgedacht, das bewährte EEG-Förderregime mit der gleitenden Marktprämie über den Haufen zu werfen. Das Ministerium spielt hier mit der Umstellung auf Investitionskostenförderung mit dem Feuer.

Die Behauptung, man müsse das Fördersystem ändern, weil das EU-Recht dies fordere, stimmt in diesem Zusammenhang kaum. Das bestehende Fördersystem müsste lediglich um eine nicht zu niedrig angesetzte Erlösabschöpfungsgrenze ergänzt werden. Das nennt sich dann zweiseitiger Differenzvertrag.

Und wer hat's erfunden? Die Briten. Und von denen kann man mit Keir Starmers Reformen nun noch was lernen.

 

Und was war Ihre Überraschung der Woche?

Mehr als 50 Prozent der Bürger:innen in Sachsen meinen, ihr Bundesland sollte in Zukunft auf die Energiequelle Windkraft setzen. Die Solarenergie wird sogar von mehr als 60 Prozent befürwortet. Das hat die groß angelegte Umfrage "Sachsen-Kompass" im Auftrag der Sächsischen Zeitung ergeben.

Und das in einem Bundesland, über dessen Wahlergebnis sich die Bundesrepublik die Köpfe heiß diskutiert. Mit einer amtierenden Landesregierung, deren Ministerpräsident die Energiewende bei jeder Gelegenheit als "gescheitert" verkauft hat, um AfD und BSW Stimmen abzujagen.

Was machen wir nun damit? Ich glaube, wir müssen die falsche Zuweisung auflösen, dass es sich beim Klimaschutz und konkret beim Windkraftausbau um ein Elitenprojekt handele.

Bei der Energiewende vor Ort, etwa beim Bau von Windrädern in der Standortgemeinde, müssen spürbare finanzielle Vorteile hängen bleiben. Neben dem moralischen Handlungsdruck, die Erderhitzung zu bekämpfen, können dann auch konkret fühlbare monetäre Vorteile den Großteil der Leute vor Ort überzeugen.

Das ist kein Patentrezept gegen den Erfolg der AfD, aber es wäre der Beginn von Erfolgsgeschichten, gegen die die Rechten nur schwer argumentieren können.

Das Bundeswirtschaftsministerium hat jüngst vorgeschlagen, die finanzielle Beteiligung von Bürger:innen bei Windkraft bei maximal 0,1 Cent pro produzierter Kilowattstunde zu deckeln.

Das ist das vollkommen falsche Signal zum falschen Zeitpunkt. Wir brauchen mehr Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern, nicht weniger. Sowohl finanziell als auch inhaltlich. Gerade jetzt ist das immens wichtig.

Fragen: Jörg Staude