"Gegenüber den vergangenen Jahren hat sich etwas verändert", sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel in ihrer Rede beim Petersberger Klimadialog vergangene Woche. Verändert habe sich, dass jetzt Kinder und Jugendliche immer freitags für den Klimaschutz streiken. Für sie, Merkel, sei das "alles andere als bequem", gab sie zu. Der Protest sei aber "verständlich", sagte sie und versprach, den Druck aufzunehmen und in Handeln umzusetzen.
In der Tat, die Streikenden von Fridays for Future haben schon viel erreicht: Keine Talkshow oder Podiumsdiskussion zum Klimaschutz, die etwas auf sich hält, kommt ohne eine Schülerin oder einen Schüler der Bewegung aus, das Branchentreffen Berliner Energietage warb mit Fridays-for-Future-Vertreter Jakob Blasel, und Greta Thunberg ist von der Klimakonferenz in Katowice bis zum Weltwirtschaftsforum in Davos sowieso überall dabei.
Längst sind es aber nicht mehr nur Schüler, die protestieren. In Anlehnung an Fridays for Future haben sich schon zahlreiche Initiativen gegründet, und es kommen immer mehr hinzu.
Mit den "Parents for Future" wollen Eltern ihre Kinder beim Streiken unterstützen. Die Gruppierung ruft regelmäßig zu den Protesten auf und ihre Petition an den Bundestag, noch in diesem Jahr ein wirksames Klimaschutzgesetz zu verabschieden, erreichte mit über 70.000 Unterschriften locker das Quorum.
Fast 27.000 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler haben inzwischen eine Erklärung von "Scientists for Future" unterschrieben.
Unternehmen und Kirchen schließen sich an
Nach den Eltern und den Wissenschaftlern ist seit März auch die Wirtschaft dabei. Mit der Initiative "Entrepreneurs for Future" forderten nun über 1.000 Unternehmen mehr Planungssicherheit in der Klimapolitik und einen wirksamen und ansteigenden CO2-Preis.
Mit dabei sind viele Start-ups, aber auch große Entsorgungsunternehmen wie Remondis und Veolia oder der Babynahrungshersteller Hipp. Nach eigenen Angaben steht die Initiative für über 100.000 Arbeitsplätze und einen Jahresumsatz von mehr als 20 Milliarden Euro.
"Klimaschutz ist weniger eine Belastung für die deutsche Wirtschaft als eine Chance für unsere globale Wettbewerbsfähigkeit", wird die Geschäftsführerin für Unternehmenskommunikation von Veolia Deutschland, Martina Rauch, zitiert.
Auch die Kirchen haben sich vor Kurzem angeschlossen. Das ökumenische Netzwerk Klimagerechtigkeit ruft unter dem Motto "Churches for Future" seit dieser Woche Kirchen und kirchliche Organisationen auf, ihr Engagement für den Klimaschutz zu verstärken und sich mit "Fridays for Future" zu solidarisieren. Bislang unterstützen 16 Landeskirchen, kirchliche Einrichtungen und Organisationen diesen Aufruf.
Fridays for Future hat "Klimanotstand" angestoßen
Ganz aktuell sind nun auch noch die Politiker dazugekommen – zumindest manche. So haben die klimapolitischen Sprecherinnen und Sprecher der Grünen in Deutschland, den Niederlanden, Schweden, Belgien und dem Europäischen Parlament die Initiative "Politics for Future" gegründet. Laut den Initiatoren soll sie allen Fraktionen und Ländern offenstehen und ein gemeinsames Zeichen von Abgeordneten sein, etwas für den Klimaschutz zu tun.
Abgesehen von Solidaritätsbekundungen von Firmen, Kirchen, Wissenschaftlern und Grünen hat "Fridays for Future" aber noch eine andere Entwicklung angeschoben. Seit einigen Wochen häufen sich die Meldungen, dass Städte und Kommunen den "Klimanotstand" ausgerufen haben, häufig auf Initiative der lokalen "Fridays for Future"-Gruppe.
Den Anfang in Deutschland machte vor einigen Wochen Konstanz am Bodensee. Dort wurde nach Protesten der jungen Fridays-Aktiven ein Beschluss gefasst, durch den der Klimaschutz einen neuen Stellenwert bekommt. In dem Papier verpflichten sich der Gemeinderat und die Verwaltungen, in Zukunft bei allen Entscheidungen die Auswirkungen auf den Klimaschutz zu berücksichtigen.
Seitdem kommen immer mehr Städte dazu. Es folgten unter anderem Kiel, Heidelberg – und mit Münster in dieser Woche die erste Stadt in Nordrhein-Westfalen.
Es fehlt die "Bundesregierung for future"
Wenn Fridays for Future nun am heutigen Freitag zum globalen Klimastreik aufruft, stehen aber nicht nur viele Initiativen, sondern einer Umfrage zufolge auch die große Mehrheit der Deutschen hinter den Forderungen. In der Umfrage von Yougov im Auftrag der Kampagnenorganisation Campact stimmten 80 Prozent der Aussage zu, die Bundesregierung müsse alles in ihrer Macht Stehende tun, um die Klimakrise aufzuhalten.
Drei Viertel der Befragten finden, die Bundesregierung müsse auf jeden Fall das 1,5-Grad-Ziel des Pariser Klimaabkommens einhalten. Für die Umfrage wurden Anfang Mai gut 2.000 repräsentativ ausgewählte Menschen befragt.
Heute sind weltweit Streiks an über 1.500 Orten und in über 100 Ländern geplant. In Europa wollen die Schüler vor allem auf die EU-Wahl aufmerksam machen und die Abstimmung zu einer "Klimawahl" machen. "Die Klimakrise ist die größte Herausforderung der Gegenwart und muss oberste Priorität in der Politik haben", heißt es im Aufruf.
Bisher zeigt sich: Die Schülerinnen und Schüler haben vor allem auf lokaler Ebene schon kräftig die Politik beeinflusst. In der Bundespolitik blieb es trotz der Debatte über den CO2-Preis und größerer medialer Aufmerksamkeit bei Angela Merkels zögerlicher Zusage, dass Deutschland bis 2050 irgendwie klimaneutral werden will. Was noch fehlt, ist "Bundesregierung for Future".
Ergänzung um 21 Uhr: Hunderttausende Schüler haben erneut weltweit für das Klima gestreikt