Wie geht es mit Fridays for Future weiter? Kann die Bewegung den Klimawandel aufhalten oder zerbricht sie an sich selbst? (Foto: Colin Behrens/​Pixabay)

Klimareporter°: Herr Müller, Sie sind seit zwölf Jahren Aktivist und haben die Klimabewegung "Ende Gelände" mitbegründet. Sie kennen das Gefühl der Enttäuschung, wenn die eigenen Forderungen nicht erfüllt werden. Wie gehen Sie mit den Niederlagen um?

Tadzio Müller: Als jemand, der aus der antikapitalistischen Tradition kommt, wird man mit Enttäuschungen groß. Die Gesellschaft ist aus dieser Perspektive eine Enttäuschung und so ist die Enttäuschung ein Dauerzustand. Natürlich ist es durchaus möglich, dass wir den Kampf verlieren werden. Aber der Kampf gegen die Klimakrise ist selbst motivierend.

Wie meinen Sie das?

Ich meine Momente wie Ende Gelände 2015. Zusammen mit 1.200 Leuten stand ich in der Grube und habe plötzlich gemerkt: Wir haben gerade mit unseren Körpern und diesen weißen Anzügen diese Braunkohlebagger, diese apokalyptischen Todesmaschinen lahmgelegt.

Das ist ein Gefühl, als würde man eine Batterie von purem Leben anfassen und sich daran aufladen. Danach denkst du: Jetzt kann ich wieder zehn Mal scheitern und vielleicht habe ich beim elften Mal Erfolg. Ein sozialer Kampf ist keine Aneinanderreihung von Erfolgen.

"Fridays for Future" reiht aber gerade ziemlich viele Erfolge aneinander. Was ist an dieser Bewegung anders?

Ich habe noch nie eine Bewegung gesehen, die so schnell so viel verschoben hat. Das liegt daran, dass "Fridays" keine Bewegung im klassischen Sinne ist, sondern eine Generation, die sich gerade selbst politisiert – im Scheitern des Klimaschutzes und gegen das Scheitern der älteren Generation beim Klimaschutz. Damit hat Fridays ein unglaubliches moralisches Gewicht.

Gibt es etwas, an dem Fridays for Future scheitern könnte?

Die größte Gefahr für Fridays for Future ist die Frustration. Jede Bewegung muss an dem Punkt vorbei, wo Forderungen, die gestellt wurden, nicht erfüllt werden. Dann stellt sich die Frage: Wie gehen wir psychologisch damit um, dass wir nicht das bekommen haben, was wir wollten?

Oder im Falle von Fridays: Wie gehen wir damit um, dass wir nicht das bekommen haben, was alle brauchen, nämlich Klimaschutz. Und an dem Punkt müssen Entscheidungen über das weitere Vorgehen getroffen werden.

Deswegen sind Sie beim Fridays-Sommerkongress und leiten einen Workshop, um über potenzielle Verbündete zu diskutieren. Warum ist das so wichtig?

Porträtaufnahme von Tadzio Müller.
Foto: Rosa-Luxemburg-Stiftung

Tadzio Müller

ist Politologe und arbeitet bei der Rosa-Luxemburg-Stiftung als Referent für Klima­gerechtigkeit und inter­nationale Politik. Er ist außerdem Klima­aktivist und Sprecher des Protest­netz­werks Climate Justice Action.

Fridays ist es gelungen, in sehr kurzer Zeit, das gesamte politische Feld neu aufzustellen. Von der MLPD bis zu Markus Söder – alle versuchen, Fridays zu umarmen. Trotzdem wird das Klimakabinett im September, genau wie die Kohlekommission zu Beginn des Jahres, mit Sicherheit scheitern.

Dann bleiben die Optionen, nach Hause zu gehen oder zu eskalieren. Die Schüler und Schülerinnen müssen sich überlegen, ob Massendemos weiterhin die richtige Idee sind, oder ob sie den Ungehorsam, den sie mit dem Schulstreik hatten, nochmal wiederbeleben.

Fragen wie: "Arbeiten wir mit 'Ende Gelände' oder mit 'Hambi bleibt' zusammen?", "Ist die CSU der Verbündete oder vielleicht der CSD, ist es die FDP oder der Metoo-Feminismus?" sind entscheidend. Die können aber nur Fridays for Future beantworten.

Wo sehen Sie Fridays for Future in fünf Jahren?

Als führenden Bestandteil eines gesellschaftlichen Bündnisses namens "Unteilbar for Future", bei dem Migrantinnen, Feministen, Klimaleute und queere Menschen auf die Straße gehen. Unter der moralischen Führung von Fridays for Future werden wir in den nächsten Jahren die ersten Schritte in Richtung einer lebenswerten Zukunft gemacht haben.

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