Kartoffeln auf einem peruanischen Markt.
Kartoffeln auf einem Markt in Peru: Lokale Sorten sind oft robuster, auch wenn der Klimawandel einiges durcheinanderbringt. (Foto: L. Wiggler/​Pixabay)

Der Krieg in der Ukraine und die damit befürchteten Lieferausfälle bei Agrargütern haben schlagartig verdeutlicht, wie fragil die globale Ernährungssicherheit ist. Bereits vor dem Krieg hatten andere Krisen und Konflikte auf der Welt, zuletzt auch die Covid-Pandemie, die Landwirtschaft und Ernährung in vielen Ländern unsicherer gemacht.

Hinter all diesen aktuellen Bedrohungen steht aber mit dem Klimawandel eine wahrscheinlich noch größere Herausforderung für die globale Ernährungssicherheit. Höhere Temperaturen, längere Dürreperioden, mehr Starkregen und Überflutungen, daneben aber auch neue Pflanzenkrankheiten und Schädlinge, die unter den geänderten klimatischen Bedingungen ideale Ausbreitungsbedingungen finden: In vielen Teilen der Welt ist die landwirtschaftliche Produktion bereits heute schwieriger und die Probleme werden noch stark zunehmen.

Eine einfache Lösung, unsere Ernährungssysteme robuster und weniger anfällig gegenüber Krisen, Konflikten und Klimawandel zu machen, gibt es nicht. Aber es gibt ein klares Prinzip, das wir unbedingt verfolgen müssen, um die Ernährung einer wachsenden Weltbevölkerung zu sichern: das Prinzip der biologischen Vielfalt in der Landwirtschaft.

Mit jedem Tag, den der Krieg nun andauert, wächst die Gefahr einer Ausweitung der Katastrophe auf Länder außerhalb Europas. Lieferengpässe und Preissteigerungen gefährden die Ernährung von Millionen Menschen vor allem in den Ländern des globalen Südens und die politische Stabilität ganzer Regionen.

In dieser Krise ist es wichtig, dass die humanitäre Nahrungsmittelhilfe in die Lage versetzt wird, ihre Programme massiv auszuweiten. Ebenso wichtig ist es, dass die Grenzen zwischen Ländern, die Nahrungsüberschüsse produzieren, und denen, die von Nahrungsmittelimporten abhängig sind, offen bleiben und die Lieferketten nicht einbrechen.

Dies ist die Stunde des freien Agrarhandels. Doch einige Länder haben bereits begonnen, ihre Exporte von Getreide und anderen wichtigen Nahrungsmitteln einzuschränken, um die heimische Versorgung aufrechtzuerhalten und den Preisanstieg zu begrenzen.

Sollte dieses Verhalten Schule machen, könnte ähnlich wie in der Lebensmittelpreiskrise vor etwa zwölf Jahren eine Spirale von Preissteigerungen in Gang gesetzt werden, an deren Ende es nur Verlierer gibt.

Fatale Abhängigkeit von Nahrungsmittelimporten

Dies ist aber auch die Stunde, grundsätzlicher und sehr kritisch auf die Entwicklung der Landwirtschaft in der Welt zu schauen. Zweifellos werden bestimmte Länder wie beispielsweise Ägypten, denen nur eine sehr kleine Fläche für eine produktive Landwirtschaft zur Verfügung steht, immer von Nahrungsmittelimporten abhängig sein.

Für sehr viele Länder, die heute ein Agrarhandelsdefizit haben, gilt diese quasi naturgegebene Importabhängigkeit jedoch nicht. Sie hätten die Möglichkeit, ihre Selbstversorgung deutlich zu erhöhen und sich so unabhängiger von Importen und damit von Preisschocks auf dem Weltmarkt zu machen.

Viele dieser Länder, gerade auf dem afrikanischen Kontinent, haben über Jahrzehnte entweder ihre Landwirtschaft völlig vernachlässigt oder nur sehr einseitig den devisenbringenden Export weniger Produkte wie Kakao und Kaffee gefördert.

Die Produktion von Grundnahrungsmitteln für den heimischen Markt zu sichern, war dabei nicht vorgesehen. Solange die Weltmarktpreise für Grundnahrungsmittel niedrig waren, war die Versuchung groß, eine solche Strategie zu verfolgen, die sich nun als verheerend erweist.

Knappe öffentliche Mittel wurden vor allem in die Entwicklung der Städte investiert. Die dortige Mittelschicht hatte Zugang zu den preiswerten Nahrungsmitteln des Weltmarktes, oft aber um den Preis einer weit verbreiteten ländlichen Armut, ländlichen Hungers und massiver Land-Stadt-Wanderung.

Die Gebergemeinschaft der Industriestaaten war an dieser Entwicklung nicht ganz unschuldig, predigte sie doch beispielsweise lange den geringen Wert staatlicher Investitionen in landwirtschaftliche Beratung und forcierte im Rahmen ihrer Strukturanpassungsprogramme den Rückzug des Staates aus der ländlichen Entwicklung,

Es ist längst überfällig, dass Länder mehr Anstrengungen zur Entwicklung einer eigenständigen, leistungsfähigen Landwirtschaft unternehmen und so die Abhängigkeit von Nahrungsmittelimporten reduzieren. Und es lohnt sich, wenn Länder, die dies aus eigener Kraft nicht schaffen, bei diesem Ziel unterstützt werden.

Landwirtschaft und Ernährungssicherung müssen daher auch in der Entwicklungszusammenarbeit eine viel größere Rolle spielen. Jedem Land und jeder Region eine eigene, auf die vorherrschenden Umwelt- und Klimabedingungen angepasste Landwirtschaft: Dies erfordert jedoch eine Renaissance der biologischen Vielfalt auch bei den Nutzpflanzen.

Nutzpflanzenvielfalt = Ernährungssicherheit + Klimaresilienz

Gegenwärtig ist die Welternährung zur Hälfte von nur noch drei Nutzpflanzen abhängig: Weizen, Mais und Reis. Und damit nicht genug. Die Übertragung industrieller Prinzipien auf die landwirtschaftliche Wertschöpfung – Standardisierung, Homogenisierung, Ertragsoptimierung – hat dazu beigetragen, dass auch die unbeschreiblich große Vielfalt an traditionellen Weizen-, Mais- und Reissorten im Anbau verloren gegangen ist.

Eine nachhaltige Landwirtschaft verlangt aber nach Nutzpflanzen, die den jeweiligen natürlichen Bedingungen entsprechen, die etwa an das lokale Klima und an die lokalen Böden und die Wasserverfügbarkeit angepasst sind.

Das kann in einem Fall heißen, dass wieder diverse Nutzpflanzenarten wie etwa eine Vielzahl von Hirsearten auf mehr Flächen angebaut werden. Im anderen Fall können es bestimmte Reissorten sein, die sich von den gängigen Sorten des Weltmarktes unterscheiden.

Eine Rückbesinnung auf die Vielfalt der Nutzpflanzen gehört aber nicht nur auf die Tagesordnung, weil die Entwicklung einer leistungsfähigeren Landwirtschaft im globalen Süden lokale Lösungen für lokale Herausforderungen benötigt.

Stefan Schmitz

ist Geowissenschaftler und leitet den Global Crop Diversity Trust. Der Crop Trust ist eine inter­nationale Stiftung mit Sitz in Bonn, die die genetische Vielfalt von Kultur­pflanzen bewahren und verfügbar halten will. Dazu finanziert er die wichtigsten Saatgut­banken der Welt. Gemeinsam mit dem norwegischen Agrar­ministerium und der Saatgut­bank der nordischen Länder Nordgen betreibt der Crop Trust den Svalbard Global Seed Vault auf Spitzbergen.

Der Klimawandel, egal wo auf der Welt, zwingt uns ohnehin dazu, den immer schmaler werdenden Korridor einer immer einfältigeren Landwirtschaft auf immer dünner werdender pflanzengenetischer Basis schleunigst zu verlassen.

Die genetische Vielfalt der Kulturpflanzen, die in jedem einzelnen Samenkorn steckt, ist ein Geschenk der Natur, aus dem Pflanzenzüchter und die Landwirtschaft klimaresiliente Sorten züchten können. Sorten, die zugleich widerstandsfähig sind gegen neue Pflanzenkrankheiten und Schädlinge.

Nur so kann sich Landwirtschaft nachhaltig an den Klimawandel anpassen und die Welternährung sichern – nicht nur im Süden, sondern auch bei uns.

Nutzpflanzenvielfalt ist ein wichtiger Schlüssel zur Schaffung nachhaltiger Ernährungssysteme, überall auf der Welt – Ernährungssysteme, die einen geringen CO2-Fußabdruck haben, zugleich aber eine Vielzahl gesunder Nährstoffe liefern.

Diesen Schatz der Vielfalt gilt es zu bewahren. Von den Feldern und aus der Natur müssen wir das retten, was noch zu retten ist, bevor es für immer verloren ist.

Eine richtige und schnell realisierbare Notmaßnahme ist zum Beispiel die Sammlung und Einlagerung der noch im Anbau vorhandenen Nutzpflanzenvielfalt in Saatgutbanken. Damit sichern wir ein Welterbe, das uns das Überleben im Klimawandel ermöglicht.

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