Vom Vorhaben zum Tun: Vom heutigen Montag an treffen sich in Bonn Klimadiplomaten aus aller Welt für fast zwei Wochen, um über Regeln für die fast 200 Staaten zu verhandeln, die sich dem Pariser Klimaabkommen angeschlossen haben. Dieser Prozess zieht sich mittlerweile ins vierte Jahr – hunderte kleinteilige Fragen müssen beantwortet werden. Es geht vor allem darum, dass man kontrollieren kann, welcher Staat wie viel zum Klimaschutz beiträgt.
Zentrales Thema dürften Regelungen zu CO2-Märkten zwischen den Staaten sein. Einige Länder wie die Schweiz, Neuseeland und Südkorea wollen einen Teil ihrer Treibhausgas-Emissionen durch Klimaschutzprojekte im Ausland kompensieren. Damit das aber tatsächlich dem Klima etwas bringt, muss sichergestellt sein, dass die Einsparungen nicht doppelt gezählt werden – etwa einmal für den Geldgeber Schweiz und einmal für den Projektstandort Brasilien.
Während die drei potenziellen Käufer von Emissionszertifikaten wasserdichte Regeln wollen, versucht Brasilien als vermutlich wichtigster Verkäufer, das zu verhindern.
Die Frage hätte eigentlich schon auf dem Klimagipfel im vergangenen Dezember im polnischen Katowice geklärt werden sollen. Beinahe wären die gesamten Verhandlungen an der Blockade Brasiliens gescheitert – im letzten Augenblick einigten sich die Staaten aber darauf, den Streitpunkt einfach auf die diesjährige Zwischenkonferenz in Bonn zu verschieben.
Viele Klimaschutzorganisationen sind generell skeptisch, wie sinnvoll solche Handelsspielchen zwischen den Staaten sind. "Marktmechanismen dürfen nicht als billiger Ausweg genutzt werden, um die Klimaziele zu Hause nicht zu erfüllen", meint Christoph Bals von Germanwatch. "Es wäre sogar besser, sie gar nicht zu beschließen, als gewaltige Schlupflöcher wie Doppelzählungen von Emissionsminderungen zuzulassen."
Letzte Hoffnung für global organisierten Klimaschutz
Im Pariser Klimaabkommen haben die Staaten der Welt versprochen, die Erhitzung der Erde möglichst auf 1,5 Grad gegenüber vorindustriellem Niveau zu begrenzen, auf jeden Fall sollen es deutlich weniger als zwei Grad sein.
Von beiden Temperaturzielen ist die Welt meilenweit entfernt. Die Emissionen steigen sogar wieder, statt zu sinken. Bis heute hat sich die Erde bereits um etwa ein Grad erwärmt – und selbst, wenn alle bisher versprochenen Klimaziele der Staaten vollständig erreicht werden, läuft das auf eine Erhitzung um mindestens drei Grad hinaus.
Das wäre dramatisch: Die Klimaforschung geht davon aus, dass eine Erhitzung um mehr als zwei Grad Teile des Erdsystems endgültig zum Kippen bringen würde, was die Klimakrise in unkontrollierbare Sphären katapultieren würde. Das würde zu noch härteren Lebensbedingungen bis hin zum Verlust der Lebensgrundlagen für Milliarden von Menschen führen – was wahrscheinlich Flucht und verschärfte Konflikte um die verbleibenden Ressourcen des Planeten nach sich ziehen würde.
Auch in einer durchschnittlich um 1,5 Grad oder zwei Grad erwärmten Welt ist mit solchen Problemen zu rechnen, aber in deutlich milderer Form.
Kern des Paris-Abkommens ist deshalb, dass die Staaten ihre Klimaziele alle fünf Jahre überprüfen und verschärfen sollen. Das alles passiert auf freiwilliger Basis – ein Abkommen, das den Staaten feste und ausreichende Vorgaben macht, war 2009 geplatzt. Die letzte Hoffnung des global organisierten Klimaschutzes ist nun, dass die Staaten sich gegenseitig sozialen und politischen Druck machen, dass sich gewissermaßen niemand trauen wird, gar zu wenig beizutragen.
Vorbereitung neuer Klimaziele
Der nächste Termin für neue Klimaziele ist im kommenden Jahr. In der vergangenen Woche hatten sich bereits 300 Fachleute aus mehr als 80 Ländern in Berlin getroffen, um gemeinsam zu beraten, wie man die Klimaziele der jeweiligen Staaten sinnvoll anheben könnte. Während das bei den Industrieländern vor allem eine Frage des politischen Willens ist, suchen Entwicklungsländer oft auch Unterstützung in wissenschaftlicher, technischer und finanzieller Hinsicht – deshalb gibt es solche Zusammenkünfte.
"Alle Staaten sind sich bewusst, dass die in Paris eingereichten nationalen Klimaziele noch nicht ausreichen", sagte Bundesumweltministerin Svenja Schulze am Mittwoch auf der Berliner Konferenz. Gerade Deutschland tut sich allerdings schwer. Die große Koalition ist in nahezu allen wesentlichen Fragen zerstritten, weder das Klimaschutzgesetz noch ein CO2-Preis wollen auf den Weg kommen.
Ein anderes Thema bei den Verhandlungen in Bonn werden die Verluste und Schäden durch den Klimawandel sein. Das betrifft vor allem den globalen Süden, also die armen Länder der Welt – die historisch kaum einen Beitrag zu der Misere geleistet haben.
"Wir drängen die Industriestaaten, den Forderungen armer Länder nach mehr Unterstützung beim Umgang mit Schäden und Verlusten nachzukommen", sagt Sven Harmeling von der Entwicklungsorganisation Care. "Wenn arme Familien durch die Folgen des Klima-Notstands ohne Essen, Unterkunft und Land dastehen, müssen diejenigen sie unterstützen, denen es besser geht und die am meisten zur Krise beigetragen haben."