Verhandlungssaal auf dem Klimagipfel COP 28 in Dubai.
Was die Staaten in Dubai beschlossen haben, reicht nicht für das 1,5‑Grad-Ziel. (Bild: Mike Muzurakis/​IISD/​ENB)

Nach dem Tag, an dem Konferenzpräsident und Ölkonzernchef Sultan Al Jaber den ersten Textentwurf für die Gipfelerklärung von Dubai vorgelegt hat, tritt Brianna Fruean vor die Presse. Die samoanische Klimaschützerin nimmt nicht zum ersten Mal an einem Weltklimagipfel teil, sie ist eine erfahrene Aktivistin.

Am Dienstag aber versagt ihr die Stimme angesichts des klimapolitischen Desasters, das Al Jaber mit seinem fossil geprägten Abschlussentwurf der Welt und vor allem ihrem Inselstaat zugemutet hat.

Für die pazifischen Staaten ist das 1,5-Grad-Limit nicht verhandelbar. "Es ist eine Frage des Überlebens für unsere Insel", sagt Fruean, mit den Tränen kämpfend.

Länder wie Samoa, zusammengeschlossen in der Allianz der kleinen Inselstaaten Aosis, haben auf einem Klimagipfel eigentlich starke Verbündete, vor allem in der sogenannten High Ambition Coalition. Zu dieser Koalition der Ambitionierten gehören viele Länder Europas, Lateinamerikas und Afrikas, insgesamt mehr als 100, einschließlich Deutschland.

1,5-Grad-Limit für Inselstaaten nicht verhandelbar

Zur Halbzeit des Dubaier Gipfels trat auch die High Ambition Coalition vor die Kameras. Dabei verkündete der aktuelle Vorsitzende John Silk ebenfalls die Botschaft von Brianna Fruean.

Das 1,5-Grad-Limit sei nicht verhandelbar, eine globale Erwärmung um zwei Grad zum Ende des Jahrhunderts nicht akzeptabel, sagte Silk, Außenminister der Marshallinseln. Zwei Grad würden Millionen, wenn nicht Milliarden der am meisten gefährdeten Menschen und Gemeinschaften auf der ganzen Welt ins Verderben stürzen.

 

Das droht den Menschen auf den Inseln nun weiter angesichts der Ergebnisse des Klimagipfels. Den schönen Worten entkleidet, bedeuten die Gipfelbeschlüsse: Die Menschheit nähert sich nicht schnell genug dem Pfad zum 1,5-Grad-Limit an, möglicherweise entfernt sie sich sogar davon.

Die Beschlüsse von Dubai seien keine Blaupause für die Einhaltung der 1,5-Grad-Grenze, kritisiert auch Jan Kowalzig von der Hilfsorganisation Oxfam, der die Klimagipfel seit Jahren beobachtet. Problematisch seien die Schlupflöcher im Gipfelpapier. Da werde etwa auf Erdgas als Übergangslösung verwiesen. "Einige Länder und die fossile Industrie werden das als Rechtfertigung für den weiteren Ausbau der Gasförderung verstehen", vermutet Kowalzig zu Recht.

Nach dem Geist des Gipfelpapiers kann Erdgas de facto noch bis 2050 genutzt werden. Ein Herunterfahren der Kohleverbrennung wird nur verlangt, wenn die CO2-Emissionen nicht abgeschieden und gespeichert, also per CCS-Technologie "entsorgt" werden.

Dabei hatte die einst so mächtige High Ambition Coalition vor dem Gipfel in einer Deklaration ausdrücklich den weltweiten Ausstieg aus allen fossilen Energien gefordert. Deutschland allerdings hatte diese Forderung nicht unterschrieben.

Initiative für Entschädigungsfonds mit begrenztem Erfolg

Der Frage, ob die Bundesrepublik die Unterzeichnung nun in Dubai nachholen würde, entzieht sich Außenministerin Annalena Baerbock. Zur Antwort erzählt sie die von ihr und von der deutschen Delegation gern verbreitete Geschichte, wie vor anderthalb Jahren, beim "Petersberger Klimadialog" in Berlin, in der High Ambition Coalition der Wille geboren wurde, den seit Langem geforderten Fonds zum Ausgleich klimawandelbedingter Verluste und Schäden ("Loss and Damage") endlich zu gründen.

Zum Gipfelauftakt in Dubai konnte denn auch Kanzler Olaf Scholz den Erfolg verkünden, der Loss-and-Damage-Fonds sei bei der Weltbank eingerichtet und auch gleich mit 200 Millionen Dollar gefüllt worden, davon 100 Millionen aus Deutschland.

Partner war dabei aber nicht die High Ambition Coalition, sondern der Gipfel-Gastgeber, die Vereinigten Arabischen Emirate, die nochmal dieselbe Summe beisteuern. Diesen Erfolg der Klimadiplomatie trug Baerbock bis zum Ende des Gipfels vor sich her und rühmte sich der Zusammenarbeit mit dem Erdölstaat.

Als Konferenzchef Al Jaber jedoch den ersten Entwurf für den Abschlusstext vorlegte, zerschnitt Baerbock für eine Zeit das Tischtuch mit den Emiraten: Der Entwurf suggeriere, dass fossile Energien in Zukunft weiterhin eine entscheidende Rolle spielen können. Selbst der Neubau von Kohlekraftwerken wäre damit weltweit akzeptabel, schrieb sie auf X, früher Twitter.

Tatsächlich ist die deutsche Loss-and-Damage-Initiative eher ein diplomatischer als ein klimapolitischer Erfolg. Einen Grund dafür macht gleich im Anschluss an Baerbocks High-Ambition-Statement die kolumbianische Umweltministerin Susana Muhamad klar. In ihrem Land könne man sehen, was Klimaanpassung und Resilienz, also Widerstandsfähigkeit, wirklich bedeuten. Ihre Erfahrung sei daher: "Jenseits von 1,5 Grad gibt es keine Anpassung mehr, es gibt nur noch Verluste und Schäden."

Die Ministerin aus Kolumbien stellt damit klar: Bleibt die Welt nicht auf dem Pfad zu 1,5 Grad, dann wird auch noch so viel Geld kaum helfen, die Klimaschäden zu bezahlen. Das Herunterfahren der CO2-Emissionen ist das Allerwichtigste beim Klimaschutz.

Schwache Klimapolitik zu Hause lähmt deutsche Delegation

So gesehen hätten Deutschland und die Emirate den Gipfel besser mit einer Initiative starten sollen, bei der sie ihre Klimaziele im Vorgriff auf die Weltgemeinschaft erhöhen. Aber das ist für Deutschland derzeit unmöglich. Die schwache Klimapolitik zu Hause war stets der Elefant im Raum, wenn die deutsche Delegation auftrat.

COP 28 in Dubai

Bei der 28. UN-Klimakonferenz in Dubai geht es um ein verbindliches Ausstiegsdatum aus den fossilen Energien. Klimareporter° ist mit einem Team vor Ort und berichtet mehrmals täglich.

Und am Tag, als der Gipfel in Dubai endet, verkündet der Kanzler in Berlin zu allem Überfluss noch, dass der Klima- und Transformationsfonds jedes Jahr um zwölf Milliarden Euro gekürzt wird, um die Haushaltsprobleme zu lösen.

Auch den Erfolg mit dem Loss-and-Damage-Fonds, der mittlerweile auf 700 Millionen Dollar angewachsen ist, sieht Oxfam-Experte Kowalzig nüchtern. Die Zusagen für den Fonds reichten allenfalls für eine "allererste Anschubfinanzierung". Eine Vereinbarung, wie hier in kommenden Jahren zügig deutlich mehr Mittel zusammenkommen sollen, habe der Gipfel nicht erreicht.

Gekennzeichnet war die Gipfel auch durch eine geschwächte Klimabewegung. Erst am letzten Gipfeltag gab es in Dubai überhaupt eine nennenswerte Protestaktion, bei der mehrere hundert Menschen den fossilen Ausstieg forderten.

Inselstaaten stehen beim Gipfelbeschluss vor der Tür

Diskutieren, organisieren und protestieren – das habe auf der diesjährigen Klimakonferenz in den Emiraten wenig Platz, beklagte Luisa Neubauer von Fridays for Future zur Gipfelhalbzeit. Dass der Dubaier Gipfel der "inklusivste" sei, wie die Gastgeber versprochen hatten, könne sie überhaupt nicht bestätigen. Eher sei er der "fossilste".

Im Abschlussplenum nimmt auch Samoas Umweltministerin Anne Rasmussen namens der kleinen Inselstaaten das Wort. Der Entwurfstext enthalte viele gute Elemente, sagt die Aosis-Vorsitzende. Die Inselstaaten seien aber zu dem Schluss gekommen, dass damit die notwendige Kurskorrektur beim Klima nicht gesichert sei.

So gebe es etwa keine Verpflichtung, dass die CO2-Emissionen ab 2025 nicht mehr steigen dürfen. Die Inselstaaten müssten nun den Dubaier Gipfel mit Entscheidungen verlassen, die dem Ausmaß der Klimakrise nicht gerecht würden.

 

Als die Vertreterin Samoas das vor der Weltöffentlichkeit erklärt, ist der Gipfeltext bereits angenommen. Das Plenum hat nicht auf die Inselstaaten gewartet. Deren Vertreter stehen noch vor dem Saal, als die anderen Länder die Annahme des Gipfelbeschlusses mit stehendem Applaus begrüßen und sich feiern.

Lesen Sie dazu unseren Kommentar: Seid nett zu den großen Emittenten!