Der Pazifikstaat Palau ist durch den Meeresspiegelanstieg bedroht, aber auch durch zunehmende Wetterextreme und Veränderungen mariner Ökosysteme. (Bild: U. Abasaa/​​Wikimedia Commons)

Groß war die Freude über den gestrigen Konferenzerfolg in Dubai. Bereits am Eröffnungstag konnten sich die Staaten auf der Weltklimakonferenz COP 28 auf Regeln für den Fonds für Klimaschäden einigen. So früh hatte damit bei einem so umstrittenen Thema niemand gerechnet.

Doch das kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass die wirklich schwierigen Verhandlungen noch bevorstehen. Sascha Müller-Kraenner, Chef der Deutschen Umwelthilfe, stellte auf X, früher Twitter, klar: "Gemessen wird der Konferenzerfolg daran, ob es eine klare Vereinbarung zum Ausstieg aus allen fossilen Energien geben wird."

Eine Ländergruppe auf der COP 28 sieht das genauso: die "High Ambition Coalition". In einer etwas holprigen Rede wiederholte ihr Vertreter Surangel Whipps am Freitag in Dubai die wichtigsten der Forderungen, die die Koalition schon Ende Oktober publik gemacht hatte: bis 2030 weltweiter Zugang zu grüner Energie, Verdreifachung der Kapazität erneuerbarer Energien, Verdopplung der Energieeffizienzsteigerung – und der Kernpunkt: Ausstieg aus der Produktion und Nutzung aller fossilen Energien.

Whipps, der umringt von Regierungsvertreter:innen anderer Koalitions-Länder etwas verloren auf der Tribüne stand, ist Präsident von Palau. Der kleine Inselstaat im Pazifik gehört zu den Ländern, die ganz unmittelbar durch den Klimawandel bedroht sind. Whipps: "Wir können uns nicht erlauben, das 1,5-Grad-Ziel zu verfehlen."

All die Forderungen der High Ambition Coalition sind wissenschaftlich vollkommen vernünftig. Wie der diesjährige "Production Gap Report" des UN-Umweltprogramms Unep zeigt, wollen die wichtigsten fossilen Produktionsländer noch doppelt so viel Kohle, Öl und Gas fördern, wie mit dem 1,5-Grad-Ziel vereinbar wäre.

Selbst das Zwei-Grad-Ziel würde – halten die Länder an ihren Plänen fest – deutlich verfehlt werden.

Doch ob die ambitionierte Ländergruppe genug diplomatisches Gewicht hat, um in den Verhandlungen auf dem diesjährigen Klimagipfel ihre Forderungen durchzusetzen, muss bezweifelt werden. Schuld ist daran nicht zuletzt Deutschland.

"Scholz versteht die Bedeutung dieser Koalition nicht"

Offiziell gehört auch die Bundesrepublik zur Koalition der Ehrgeizigen. Deshalb stand auch die deutsche Staatssekretärin Jennifer Morgan hinter Whipps, als dieser die Forderungen des Bündnisses verlas. Die jüngsten Statements, in denen diese wichtigen Punkte stehen, hat Deutschland jedoch gar nicht unterschrieben.

Das führte zu einem etwas unglücklichen Auftritt von Morgan. Am Ende seiner Rede zählte Whipps alle Länder auf, die die Forderungen unterstützen, darunter einige Insel- und Entwicklungsstaaten, aber auch Frankreich, Dänemark, Schweden und weitere Industrieländer. Deutschland blieb folgerichtig unerwähnt.

Grund für Deutschlands faktischen Rückzug ist die Uneinigkeit in der Ampelkoalition über die Frage, wie der Ausstieg aus den fossilen Energien gelingen soll.

Im Kern geht es um die Frage, ob Technologien zur CO2-Speicherung und -nutzung – abgekürzt CCS und CCU – bei dem Ausstieg eine große Rolle spielen dürfen oder nicht. Diese Technologien würden eine Hintertür öffnen. Kohle, Öl und Gas könnten weiter verbrannt werden, so die Logik, denn die klimaschädlichen Gase werden ja abgefangen und endgelagert oder sinnvoll genutzt.

COP 28 in Dubai

Bei der 28. UN-Klimakonferenz in Dubai geht es um ein verbindliches Ausstiegsdatum aus den fossilen Energien. Klimareporter° ist vor Ort und berichtet mehrmals täglich.

Die High Ambition Coalition fordert einen Ausstieg ohne großflächigen Einsatz von CCS und CCU. Auch das ist aus klimawissenschaftlicher Perspektive vernünftig. Der Weltklimarat IPCC geht davon aus, dass Speichertechnologien nur eine geringe Rolle in der Energiewende spielen werden und fossile Energien rapide heruntergefahren werden müssen, um die Klimaziele einzuhalten.

Die Verantwortung dafür, dass Deutschland die letzten Statements des Länderbündnisses nicht mitträgt, liege im Kanzleramt, sagt David Ryfisch, Experte für Klimapolitik bei der Umwelt- und Entwicklungsorganisation Germanwatch. "Kanzler Scholz versteht offensichtlich die Bedeutung dieser Koalition nicht."

Die "High Ambition Coalition" setzte das 1,5-Grad-Ziel durch

Ein Regierungssprecher erklärte dazu, die Formulierungen des Bündnisses seien über zuvor Vereinbartes hinausgegangen.

Der Bedeutungsverlust der Koalition sei bedauerlich, sagte Ryfisch. Es fehle nun das notwendige Gegengewicht zu den öl- und gasproduzierenden und emissionsstarken Ländern auf der COP 28. Tatsächlich ist die High Ambition Coalition für einige der wichtigsten klimapolitischen Errungenschaften der letzten Jahre verantwortlich.

Vor dem entscheidenden Klimagipfel 2015 in Paris hatten die Marshallinseln, ein anderer pazifischer Inselstaat, die Gruppe ins Leben gerufen. Ihr erklärtes Ziel war es, das Pariser Klimaabkommen so ambitioniert wie möglich zu machen. Und das war erfolgreich.

Nicht nur das 1,5-Grad-Ziel ist der High Ambition Coalition zu verdanken, auch der "Global Stocktake". Diese weltweite Bestandsaufnahme hat dieses Jahr auf dem Klimagipfel in Dubai Premiere und soll dann alle fünf Jahre stattfinden. Die Ergebnisse sollen der Weltgemeinschaft vor Augen führen, inwieweit sie beim Paris-Abkommen auf Kurs ist.

 

Dass sich Deutschland jetzt nicht mehr hinter die progressive Linie der Ländergruppe stellt, findet Jan Kowalzig, Experte für Klimadiplomatie bei der Entwicklungsorganisation Oxfam, beschämend.

Überraschend kommt aber der Rückzug für Kowalzig nicht, gehen die politischen Debatten in Deutschland doch in die andere Richtung. "Nach außen stellt sich die deutsche Bundesregierung als engagierter Klimaschützer dar, gleichzeitig werden die eigenen Klimaziele verfehlt, das Klimaschutzgesetz ausgehöhlt und neue fossile Infrastruktur geschaffen."