Karettschildkröten schwimmen über ein Korallenriff.
Karettschildkröten in einem Korallenriff der Malediven im Indischen Ozean. (Foto: Andrej Armjagow/​Shutterstock)

Das am vergangenen Wochenende in New York beschlossene Hochseeabkommen ermöglicht zum ersten Mal die Ausweisung von Hochsee-Schutzgebieten, also Gebieten außerhalb der 200‑Meilen-Zone (370 Kilometer). Zuvor waren Schutzgebiete dort nicht möglich, da keine Rechtsgrundlage bestand.

Es ist das zweite für den Artenschutz wichtige Abkommen in drei Monaten. Im Dezember waren die neuen globalen Artenschutzziele für das Jahr 2030 angenommen worden.

Eines dieser Ziele, die Ausweisung von Schutzgebieten auf 30 Prozent der Meeresfläche, wird nun durch das neue Abkommen ermöglicht. Denn ohne Schutzgebiete in der Hochsee ließe sich dieses Ziel nicht erreichen.

Angesichts der geopolitischen Lage ist dieser "Doppelwumms" für den Artenschutz eine bemerkenswerte Leistung.

Das neue Abkommen beinhaltet zudem eine beinahe einzigartige Regelung: Es reicht, wenn drei Viertel der Mitgliedsländer des Abkommens für die Schaffung eines Schutzgebietes stimmen. Konsens ist nicht erforderlich.

Das einzige andere Umweltabkommen mit einer solchen Regelung ist Cites – die UN-Konvention, die den Handel mit gefährdeten Tier- und Pflanzenarten regelt. Cites, auch als Washingtoner Artenschutzabkommen bekannt, gilt wegen der Möglichkeit zur Abstimmung als eines der effektivsten Umweltabkommen der Welt.

Die Überwindung des Konsensprinzips ist daher eine Errungenschaft, die hoffentlich auch in andere multilaterale Abkommen Einzug halten wird, da dadurch das multilaterale System als Ganzes gestärkt wird.

Das neue Abkommen schafft schließlich die Rechtsgrundlage für Umweltverträglichkeitsprüfungen bei Aktivitäten wie Unterwasserbergbau, die eine Gefahr für die Artenvielfalt im Meer darstellen können. Die Internationale Meeresbodenbehörde ISA erarbeitet seit Dienstag Regelungen für den Tiefseebergbau und wird dabei die Umweltprüfungen aus dem neuen Abkommen berücksichtigen müssen.

Die ISA ist knapp 30 Jahre alt und misst der Erschließung von Bodenschätzen im Meer eine größere Bedeutung zu als der damit einhergehenden Beeinträchtigung des Ökosystems Tiefsee. Das neue Abkommen schließt also auch hier eine Lücke im Regelsystem für die Meere.

Der Artenschutz hat in der Vergangenheit immer deutlich weniger Aufmerksamkeit bekommen als der Klimaschutz. Wenn die Menschheit das Erdsystem stabilisieren will, muss sie aber alle relevanten Subsysteme, wie das Klima und die Artenvielfalt, gleichzeitig im Auge behalten.

Mit dem "Doppelwumms" für den Artenschutz in den letzten drei Monaten besteht nun die Chance, dass das tatsächlich passiert. Und dann sollten sich schnell messbare Fortschritte beobachten lassen: Die Meere und ihre Bewohner erholen sich schnell, wenn man ihnen geschützte Refugien schafft. Und genau das passiert jetzt.

Anzeige