234 neue Arten wurden vergangenes Jahr in der erweiterten Mekong-Region entdeckt. Der Mekong ist der längste Fluss Südostasiens, sein Einzugsgebiet erstreckt sich über die Länder Kambodscha, Laos, Myanmar, Thailand und Vietnam und zählt zu den weltweiten Biodiversitäts-Hotspots.
Hylomys macarong, ein kleiner Igel mit weichem Fell und scharfen Zähnen, gehört zu den erstmals wissenschaftlich beschriebenen Arten, die der neue WWF-Bericht "New Species Discoveries in the Greater Mekong" vorstellt. Auch eine als Stein getarnte Dracheneidechse (Laodracon carsticola) und eine Ingwer-Art (Curcuma ubonensis), deren Wurzel nach Mango riecht, sind nun Teil des Wissensfundus der Menschheit.
Viele der rund 60 Tier- und 170 Pflanzenarten sind vom Aussterben bedroht. "Obwohl diese Arten erst im vergangenen Jahr von der Wissenschaft beschrieben wurden, leben sie schon seit vielen Jahrtausenden in den einzigartigen Lebensräumen der Mekong-Region", erklärte Asien-Experte Stefan Ziegler vom WWF Deutschland.
Einige der Arten dürften sogar schon wesentlich länger den Erdball bewohnen – aber wie lange noch, das ist eine ganz andere Frage. Durch Klimawandel, Verlust von Lebensräumen, Umweltverschmutzung und illegalen Wildtierhandel ist die biologische Vielfalt der Mekong-Region bedroht.
Für den im Oktober veröffentlichten "Living Planet Report" des WWF und der Zoological Society of London (ZSL) haben Forscher:innen fast 35.000 globale Populationen von nahezu 5.500 Wirbeltierarten auf der ganzen Welt ausgewertet.
Zwar gibt der Bericht nur einen Einblick in den Zustand eines Bruchteils des vielfältigen Kreuchens und Fleuchens auf diesem Planeten, aber dennoch einen wichtigen. In der gesamten Asien-Pazifik-Region sind die Populationen über die vergangenen 50 Jahre um 60 Prozent zurückgegangen.
In Lateinamerika und der Karibik sogar um 95 Prozent und in Afrika um 76 Prozent. In Europa scheint die Lage mit einem Verlust von 35 Prozent noch vergleichsweise gut zu sein. Doch das sei ein Zerrbild, so die Autor:innen.
Vogel-Bestände erholen sich nicht
Bereits in den Jahrzehnten zuvor sei in Europa ein großer Teil der Populationen geschrumpft. Die großflächige Abholzung und Ausbreitung der Land- und Forstwirtschaft hat die verbleibenden Wildtierbestände Europas in die letzten Ecken gedrängt.
Während Wälder zum Beispiel knapp zwei Drittel der Fläche Brasiliens bedecken, ist es in Deutschland und Frankreich nur knapp ein Drittel, in Großbritannien sind es gar nur 13 Prozent.

Die wichtigsten Treiber dieser weltweiten Entwicklung unterscheiden sich in ihrer Zusammensetzung von Art zu Art und Region zu Region. Erkennen lässt sich allerdings, dass die Veränderung und Zerstörung von Lebensräumen den mit Abstand wichtigsten Faktor darstellt.
Vor allem Amphibien kommen angesichts des Klimawandels in vielen Regionen bereits heute an ihre Grenzen.
Bisher sind Lebensraumverlust, Verschmutzung, invasive Arten und Krankheiten – die selbstredend auch alle in Wechselwirkung mit Klimaveränderungen stehen – meist bedeutsamer als die direkten Effekte der Klimakrise. Doch je weiter die Erwärmung fortschreitet, desto stärker leiden auch Ökosysteme darunter.
Dafür liefert nun auch eine im Fachjournal Science erschienene Studie Belege. Das Team um die US-amerikanische Wildtierbiologin Heather Renner untersuchte eine Hitzewelle, die von 2014 bis 2016 von Kalifornien bis zum Golf von Alaska reichte, und ihre Auswirkung auf die Vogelart Trottellumme.
Der Vogel, der seinen wenig schmeichelnden Namen einem unbeholfen anmutenden Gang zu verdanken hat, ist an den Küsten des Nordatlantiks und Nordpazifiks verbreitet und steht in den marinen Ökosystemen am Ende der Nahrungskette.
Durch die Hitzewelle sind laut der Studie 52 bis 78 Prozent aller Trottellummen in Alaska gestorben: "Wir errechneten einen Verlust von vier Millionen Trottellummen, das größte dokumentierte Massensterbeereignis von Wildtieren in der Neuzeit."
Zudem gebe es bis heute keinen Hinweis darauf, dass sich die Bestände der Art wieder erholen würden.
Millionen von Vögeln verhungert
Die Forscher:innen hatten in der Studie 13 Vogelkolonien in zwei unterschiedlichen marinen Ökosystemen untersucht. Die Ergebnisse könnten vorherige Hypothesen über leere Brutgebiete widerlegen, so das Team.
Ein Erklärungsversuch war, dass die Vögel aufgrund des Hitzestresses Brutperioden überspringen würden. Ein anderer: Die Vögel seien in andere Ökosysteme abgewandert.
Beide Erklärungsversuche würden durch ihre Ergebnisse nicht gestützt, schreiben die Wissenschaftler:innen. Am wahrscheinlichsten sei stattdessen, dass Millionen von Trottellummen verhungert sind.
Durch die Hitzewelle sind die Bestände von kleinen Fischen wie Heringen und Sandaalen – die Hauptnahrungsquelle der Vögel – stark zurückgegangen. Auch die Untersuchung fast aller toter Trottellummen ergab starke Unterernährung.
Dass marine Hitzewellen die Vogelbestände der Küstenökosysteme beeinflussen, ist nicht überraschend. Zahlreiche Studien belegen derartige Zusammenhänge, und auch in der Erdgeschichte gibt es einige Beispiele, wie Klimaschwankungen Vogelpopulationen verändert haben.
Überrascht hat die Forscher:innen allerdings, wie sie schreiben, "wie schnell – ein Jahr – und wie intensiv – die Hälfte der Population wurde eliminiert – die Hitzewelle eine zahlenmäßig dominante Seevogelpopulation geschädigt hat".
Dass sich die Bestände außerdem nicht zu erholen scheinen, deute darauf hin, dass sich das Ökosystem bleibend verändert hat und jetzt nur noch deutlich weniger Trottellummen beheimaten kann.
Auch andere sogenannte Spitzenräuber haben laut Studie unter der Hitzewelle gelitten. Der Pazifische Kabeljau hat im Golf von Alaska etwa 80 Prozent seiner Population verloren, wodurch zahlreiche Fischereibetriebe schließen mussten. Die Bestände von Buckelwalen, die sich nach einer Beschränkung des Walfangs gut erholt hatten, schrumpften aufgrund der Hitzewelle wieder um 20 Prozent und scheinen bisher auch nicht wieder zu wachsen.
Als größte Bedrohungen für Meeresvögel würden nach wie vor die Jagd, invasive Arten, die Fischerei und Schadstoffe im Meer angesehen, schreiben die Wissenschaftler:innen. Die Studie sei nun die erste, die zeige, wie schnell und katastrophal auch die Folgen des Klimawandels für Meeresvögel wirken können.
Welche ökosystemaren Schäden auch die Rekordtemperaturen der Meere seit dem Frühjahr 2023 nach sich ziehen, können erst kommende Studien herausfinden. Weitestgehend einig ist sich aber die Klimaforschung darin: Die Häufigkeit und Schwere mariner Hitzewellen wird bei fortschreitender Erderwärmung zunehmen.