Die Fluke eines abtauchenden Blauwals ragt aus dem Wasser.
Der großflächige Schutz der Ozeane wird möglich. (Foto: Peter van der Sluijs/​Wikimedia Commons)

Hat die Weltgemeinschaft es endlich begriffen? Dass sie, bildlich gesprochen, wie in einem Mega-Kreuzfahrtschiff auf hoher See vereint ist, dem der Untergang droht?

Es ist offenbar so. Immerhin haben sich die Staaten der Erde gleich bei zwei Konferenzen auf wichtige Schritte zu Schutz und Sanierung der Meere geeinigt. Dabei wurde unter anderem festgelegt, dass künftig mindestens 30 Prozent der Fläche der Ozeane zu Schutzgebieten werden sollen.

Zudem gab es einen Schub für die Finanzierung entsprechender Projekte. Zahlreiche Regierungen sagten neue Mittel zu, umgerechnet fast 19 Milliarden Euro. Das sind Ergebnisse, die noch vor Kurzem kaum möglich schienen.

Wie stark die Ozeane bedroht sind, ist nur wenigen bewusst – anders als etwa bei Wäldern, Mooren oder Agrarböden. Eine ganze Reihe von Faktoren spielt da eine Rolle.

Der Klimawandel und Schadstofffrachten bringen die Chemie der Meere zunehmend durcheinander, durch Erwärmung, Versauerung und Sauerstoffmangel.

Gigantische Mengen Plastikmüll enden hier, bilden neue Quasi-Kontinente und sinken fein geschreddert bis auf die Sedimente ab.

Die Überfischung vieler Bestände droht zu deren Kollaps zu führen. Ein nicht unerheblicher Teil der Populationen großer Fische ist bereits aus den Meeren verschwunden.

Und nun machen sich Bergbaukonzerne daran, Rohstoffe aus der Tiefsee wie Mangan und Kobalt zu bergen, mit potenziell verheerenden Folgen für die Unterwasserflora und -fauna.

Die Konsequenzen dieses Umgangs mit den Meeren sind dramatisch, das ist klar – für das Leben darin, das Weltklima, aber auch für die Ernährung und den Wohlstand der Menschheit. Trotzdem ist der Großteil der Meere bislang praktisch nicht geschützt, da mehr als 60 Prozent ihrer Fläche in internationalen Gewässern liegen, einem kaum regulierten Bereich.

Erfolg nach 40-stündigem Sitzungsmarathon

Schutzgebiete gibt es hier bisher nur auf rund einem Prozent der Fläche der hohen See, das UN‑Seerechtsübereinkommen beinhaltet gleichzeitig nur grobe Umweltleitlinien, und die Nutzung der Hochsee, ihrer Naturressourcen und Bodenschätze ist allenfalls lückenhaft durch internationale Verträge geregelt.

Hier zeichnen sich nun deutliche Verbesserungen ab. Die UN-Mitgliedsstaaten haben sich in New York in einer Marathonsitzung von fast 40 Stunden auf einen Text zum Schutz der Hochsee geeinigt, der in ein internationales Abkommen münden dürfte. Dabei geht es nicht nur um das 30‑Prozent-Flächenziel, mit dem zum Beispiel die Überfischung gebremst werden kann.

Das Abkommen soll auch die biologische Vielfalt auf hoher See unter international verbindlichen Schutz stellen. Zudem wurde ein Verfahren festgelegt, um wirtschaftliche Projekte, Expeditionen und andere Aktivitäten in den Ozeanen auf ihre Umweltverträglichkeit zu prüfen.

Und dann soll es erstmals einen Mechanismus für Ausgleichszahlungen der Industriestaaten an ärmere Länder geben, wenn sie künftig Profite aus dem Fund bislang unbekannter Lebewesen in der bisher nur wenig erforschten Tiefsee sowie aus deren Erbgut erzielen.

Es wäre nach dem Durchbruch beim Welt-Naturgipfel im Dezember im kanadischen Montreal kaum nachzuvollziehen gewesen, wenn die Verhandlungen zur Hochsee nun gescheitert wären. In Montreal hatte die Weltgemeinschaft unter Mitwirkung vieler Staats- und Regierungsspitzen bereits festgelegt, dass jeweils mindestens 30 Prozent der Flächen an Land und in den Meeren Schutzgebiete werden sollen.

Trotzdem sah es lange so aus, als würde die aktuelle Konferenz am Sitz der UN in New York scheitern, so wie bereits mehrere Verhandlungsrunden dazu seit 2018.

Die Arbeit fängt jetzt erst richtig an

Die Streitpunkte waren zahlreich. Dazu zählte, dass Länder wie China und Russland die Einstimmigkeit bei Beschlüssen zur Einrichtung von Schutzzonen durchsetzen wollten. Damit hätte ein einzelner Staat mit kommerziellen Interessen in einer betroffenen Region diesen Schritt verhindern können.

Das wurde zum Glück abgewendet. Nun soll eine Dreiviertelmehrheit der UN-Mitgliedsstaaten ausreichen, um Schutzgebiete einzurichten.

Aber auch dass nun eine Regelung zum Vorteilsausgleich bei der Nutzung der genetischen Ressourcen angepeilt wird, ist ein unerwartet positives Signal. Die Industriesaaten gingen hier auf die Entwicklungsländer zu, die bei den Forschungs- und Entwicklungskapazitäten bisher nicht mithalten können.

Das hat zu dem Durchbruch auf dem Weg zu einem Abkommen beigetragen, genauso wie die stattlichen Milliardensummen, die Industriestaaten wie die USA (mit allein umgerechnet 5,6 Milliarden Euro) und die EU-Länder auf der parallel in Panama veranstalteten Konferenz "Our Ocean" für Projekte zum Meeresschutz zusagten.

So positiv das alles ist – in übermäßigen Jubel sollte man trotzdem nicht ausbrechen. Denn am Ende kommt es auf die konkrete Umsetzung der neuen Regularien an. Die Geschichte des 2015 in Paris geschlossenen Klimaabkommens lehrt, dass ein Durchbruch auf dem Papier noch längst keiner in der Praxis ist – und dass damit die Arbeit zur Umkehr der Trends, die in den Abgrund führen, erst richtig anfängt.

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