Junge Person sitzt auf dem Boden, den Kopf auf die Knie gesenkt
Die volle Bedeutung der Klimakrise ist schwer zu ertragen und kann ernste psychische Krankheiten auslösen. (Foto: Wokandapix/​Pixabay)

Klimareporter°: Herr Reese, der IPCC hat im sechsten Sachstandsbericht zum ersten Mal die psychischen Folgen der Erwärmung erläutert. Womit ist zu rechnen, wenn es wärmer wird?

Gerhard Reese: Der IPCC-Bericht zeigt: Die Klimakrise ist real und menschengemacht und es gibt eigentlich wenig Grund zum Optimismus. Daraus folgt, dass die Klimakrise einen stärkeren negativen Einfluss auf die mentale Gesundheit haben wird – weltweit.

Besonders betroffen sind Kinder, Jugendliche, Ältere und Vorerkrankte – also Gruppen von Menschen, die in besonderem Maße schutzbedürftig sind. Die sogenannte "Klimaangst", die Menschen bereits verspüren, ist aus meiner Sicht eine völlig rationale und nachvollziehbare Reaktion.

Wie verbreitet ist "Klimaangst" in Deutschland?

Es gibt mittlerweile ein paar Studien, die zeigen, dass es das Phänomen "Klimaangst" gibt, wenngleich ich persönlich die konkreten Messungen dazu noch unzureichend finde. Bisher ist es kein flächendeckendes Phänomen, auch nicht bei jungen Menschen.

Aber vieles deutet darauf hin, dass das stärker wird. Internationale Studien haben gezeigt, dass eine Mehrheit der Befragten zwischen 16 und 25 sich sehr große klimabedingte Sorgen um die Zukunft macht.

Wir müssen aber unterscheiden zwischen einer Klimaangst, wie wir sie in Deutschland empfinden, und einer wirklich existenziellen Angst, wenn die Heimat buchstäblich weggeschwemmt wird, wie bei gefährdeten Inselstaaten.

Was kann man gegen "Klimaangst" tun?

Wirklich etwas dagegen tun im Sinne von "heilen" oder "verringern" können wir nicht. Viel wichtiger ist die Frage: Wie gehen wir mit Klimaangst und allgemein Ängsten um unsere Lebensgrundlage um? Die Angst ist ja nach allem, was wir wissen, durchaus begründet.

Wir sollten also schauen: Was macht die Klimaangst mit den Leuten und was sind die Bedingungen, unter denen Menschen trotz – oder wegen – einer solchen Angst bereit sind, sich zu engagieren, statt in Apathie oder Resignation zu verfallen.

Die Warnungen der Klimawissenschaftler werden immer eindringlicher, aber Gesellschaft und Politik reagieren nur langsam. Welche psychologischen Gründe gibt es dafür?

Porträtaufnahme von Gerhard Reese.
Foto: Philipp Sittinger

Gerhard Reese

ist Professor für Umwelt­psychologie an der Rhein­land-Pfälzischen Technischen Universität Kaisers­lautern-Landau.

Es liegt auf jeden Fall nicht daran, dass wir nicht wüssten, was zu tun ist – die technischen, gesetzlichen und gesellschaftlichen Lösungen liegen auf dem Tisch. Auf politischer Ebene ist sicherlich ein Problem, dass es mächtige Lobbys gibt, die Klimaschutz verzögern.

Zudem fehlt es an politischem Mut, auch mal Entscheidungen zu treffen, die zunächst unpopulär erscheinen. Hier muss die Politik viel besser kommunizieren, was warum wichtig ist zu tun.

Und auf gesellschaftlicher Ebene dürfen wir nicht vergessen, dass wir in einer Konsumgesellschaft leben, die Konsum fördert, belohnt, verinnerlicht hat. Auch hier bedarf es politischer Regelungen, die eine nachhaltigere Form von Konsum vereinfachen und Unternehmen etwa zu Kreislaufwirtschaft verpflichten.

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